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Musik zum Fühlen

Musik fördert die geistigen und sozialen Fähigkeiten von Kindern. Um die Kleinsten an Musik heranzuführen, suchen Profimusiker im thüringischen Jena Kontakt zu Schulen und Kindergärten. Sie wollen zumindest eine Idee von dem geben, was Musik bedeuten kann.

Von Ulrike Greim |
    "So, jetzt haltet mal eure Hand drauf, und fühlt, wie die Musik den Kontrabass zum Schwingen bringt."

    Fünf Streicher der Jenaer Philharmonie sitzen in einem kleinen Kindergartenraum vor einer Schar aufgeregter Mädchen und Jungen. Die Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren trauen sich mutig nach vorn, legen die Hand auf den Bass und fühlen, wie es vibriert, wenn man den Bogen über die Saiten zieht.

    "Huu, das krabbelt."

    "So krabbelig ist das, so brummt das, so schwingt es hin und her."

    "Du bist wohl kitzelig!"

    Monika Steinhöfel und Christoph Staemmler animieren die Kleinen, Musik zu fühlen. Die sind beeindruckt, wenn sie vor dem Kontrabass stehen, der viel größer ist, als sie selbst es sind.

    "Gut! Da braucht man ganz schön Kraft, da müsst ihr mal richtig los zupfen."

    Ein kleiner Junge ist superstolz, so einen voluminösen Ton erzeugt zu haben, er hebt die Faust, wie nach einem Sieg und lacht, als er auf seinen Platz zurückgeht.

    "Das war der tiefe...?"

    "Kontrabass"

    "Kontrabass, richtig"

    Mit Bass und Geige kann man, so lernen die Kinder, Geschichten erzählen. Die Philharmoniker lesen eine vor und illustrieren musikalisch Trauer und Sonnenschein.

    ""Das ist für uns auch ne große Freude. Wir machen ja auch Kinder- und Jugendkonzerte. Und inzwischen ist es so, dass wir die Kinder kennen. Und es ist ganz oft passiert, dass die uns hoch zur Bühne winken, oder Bilder mitbringen, weil wir schon in den Schulen waren und mit den Kindern Kontakt hatten."

    Ein Drittel der Jenaer Philharmoniker geht regelmäßig an Schulen, und - wie hier - nun auch in Kindergärten. Gegen eine Aufwandsentschädigung, aber dennoch freiwillig, sagt Monika Steinhöfel:

    "Wir haben heute unseren freien Tag, und den bringen wir hier zu. Und das macht man wirklich nur, wenn man weiß, was man in den Kindern anzünden kann.

    Zum Beispiel das eine Stück, was wir gespielt haben, wenn wir fragen, kennt ihr das?, dann sagen die Kinder: Ja, das habe ich als Klingelton auf meinem Handy. Na, denn sehen sie: Das wird hier mit klassischen Instrumenten gespielt und ist doch nicht so verstaubt, wie man denkt."

    Zwei mal eine halbe Stunde spielen die Musiker hier im Kindergarten Landgrafenstieg in Jena, erzählen über die Instrumente, ein bisschen über sich selbst. Der Kontakt ist direkt, die Wirkung unmittelbar. Martin Herz:

    "Ich finde es sehr erstaunlich, dass die bei ruhigen Stücken wirklich ruhig sind, dass die Musik richtig wirkt."

    Die Kinder fragen, wie eine Geigensaite funktioniert und woher die Musiker wissen, wie lange sie eine Pause aushalten müssen. Kindergartenleiterin Regina Friedrich ist froh, die Musiker in ihre Einrichtung bekommen zu haben. Sie sagt: Damit kann man gar nicht früh genug anfangen.

    "Die Kinder von null bis sechs sind eigentlich die aufnahmefähigsten von allen. Und wir sind bestrebt in unserem Kindergarten die Kinder an so viele Bereiche des Lebens wie möglich - kulturell, gesellschaftlich, Natur - heranzuführen. Und da ist eben ein Teil die Musik."

    Die Kindertagesstätte Landgrafenstieg des Studentenwerkes Weimar-Jena ist sicher eine Ausnahme. Bestens ausgestattet, hell und freundlich, im Villenviertel gelegen, mit aktiven und spendablen Eltern. Der Alltag an vielen anderen Kindereinrichtungen und Schulen sieht anders aus, sagt der Intendant der Jenaer Philharmonie, Bruno Scharnberg.

    "Die Tendenz ist überall in den Schulen so: Der Unterricht im Bereich Kunst und Musik ist rückläufig. Dann stellt sich natürlich die Frage: Wie soll die junge Generation an Musik herangeführt werden - an klassische Musik?"

    So hat die Philharmonie in Kooperation zwischen Philharmonischer Gesellschaft und Schulamt als Geldgebern angeregt, den Besuch von Streicher, Blech- und Hornbläserensembles in Schulen zu institutionalisieren - Musiker zum Anfassen.

    "Dass ein Kind einfach mal sieht: Ach, das ist ein erwachsener Mensch, der spielt ein Instrument, damit verdient er sein Geld. Dass er klassische Musik einfach mal vorspielt. Was bedeutet das, ist sie wirklich so schrecklich? Wie fühlt sich ein Instrument an?"