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Musik zum Sitzen

Wolfgang Müller ist ein Singer-Songwriter aus Hamburg. Er erzählt in seinen Liedern über das Scheitern, Hoffen und vor allem die Liebe, die irrational glücklich und todtraurig machen kann.

Von Axel Rahmlow |
    "Du sagst, dass du mich magst, was immer das heißt. Klingt ein bisschen wie der Trostpreis."

    Wenn Wolfgang Müller auf der Bühne an den Saiten seiner Gitarre zupft und singt, dann fast immer mit geschlossen Augen. Nur selten schaut er während seiner Lieder auf, blinzelt in die Scheinwerfer, die den Kontrast zwischen seinem dichten Drei-Tage-Bart und dem lichten Haar auf dem Kopf hervorheben. Dann sucht der 36 Jahre alte Hamburger für kurze Sekunden das Publikum ab - und versinkt schnell wieder in seiner Musik. Die er selbst als "hoffnungslos romantisch und irgendwie unmodern" bezeichnet. Und als "Musik zum Sitzen".

    "Es ist so ein bisschen, dass ich damit vorwarnen will, dass jetzt nicht die dicken Dance-Beats kommen, sondern lyrische und ruhige Musik. Es kann sein, das ich noch drei oder vier Jahre ruhige Musik manche, und dann denke ich: noch ein ruhiger Song und ich flippe aus. Aber ich empfinde die Welt als sehr laut und brüllend, gerade auch wenn ich zum Beispiel das Radio anmache und die Charts höre. Ich freu mich für mich, dass ich diese ruhige Musik erfinde."

    2007 hat Wolfgang Müller seine erste Platte veröffentlicht. Und sich seitdem ein überschaubares, aber aufmerksames Publikum erspielt. Mit Geschichten über erhabenes Scheitern und vergebliches Hoffen. Über enttäuschte Erwartungen und das Warten auf Enttäuschungen. Und vor allem: über die Liebe, die dich in einem Moment irrational glücklich macht und schon im nächsten todtraurig verzweifeln lässt. Um Wolfgang Müller zu zitieren: Es geht um seelischen Schluckauf. Dabei zielt er aber nie auf den schwülstigen, überproduzierten Effekt. Sondern auf die unscheinbare Randnotiz, auf die kleinen Episoden. Er hält Augenblicke und Gedanken fest, bevor sie im Gefühlschaos untergehen.

    "Oft ist es so: Wenn ich komponiere oder texte, kommen mir Bilder und Worte, die ich aufgreife und erst relativ spät merke ich, wo das Lied hin will oder was die Aussage ist. Wenn man auf sein Leben zurückschaut, dann erscheinen einem sehr viele Dinge ja sehr logisch, was sie aber in dem Moment, in dem man sie gemacht hat gar nicht waren. So ist es ein bisschen beim Songschreiben. Man geht los und weiß gar nicht, wo es hingeht."

    "Ich persönlich bin immer relativ dankbar, wenn ich Wörter und Melodien gefunden habe, im tatsächlichen Sinn des Wortes: Gefunden und nicht geschaffen. Und insofern denke ich, das Bild vom derben Songwriter, der sich den ganzen Tag Gedanken macht, das ist glaube ich tatsächlich ein Mythos."

    Genau wie der, das Songwriter nur traurig und verzweifelt sind. Denn der zweifache Familienvater lacht nicht nur abseits der Bühne gern und viel. Er kann mit seinem feinen Humor jedem noch so ernsten Thema auch eine gesunde Dosis Leichtigkeit verpassen.

    An anderer Stelle erkennt er: "Geschmacksverstärker machen nur Sinn, wenn man Geschmack hat." So textet sich Müller immer mit viel Sprachgefühl sicher an der Gefahr vorbei, im pathetischen Niemandsland steckenzubleiben. Statt sich an den eigenen Problemen zu zerreiben, stellt er lieber fest:

    "Leben wie Franzosen Autofahren, das ist in meiner Diskografie ein Ausreisser. Auf der Bühne sage ich immer: Jetzt kommt mein positives Lied, bitte aufpassen, danach geht es gleich wieder steil bergab. Nein. Songwriter saugen nicht das Elend der Welt auf, im Gegenteil. Je trauriger die Musik, umso entspannter die Leute. Denn wenn man die Traurigkeit aufgeschrieben hat, muss man es ja nicht mehr mit sich rumschleppen."

    Mit diesem Prinzip geht Wolfgang Müller auch auf die Bühne. Ob ganz alleine und nur mit Gitarre, oder mit kompletter Band. Egal, welche Probleme auftauchen:

    "Kleine Frage zwischendurch. Wer macht das Licht? Kannst du das während eines Songs in einer Einstellung lassen? Ich hab sonst das irrationale Gefühl, dass ich die Gitarre nicht mehr sehe. Ich weiß nicht warum."

    "Ich empfinde es so, dass es notwendig ist, die Leute mit den Ansagen aus der Schwermut wieder rauszuziehen, die ich erzeuge. Sonst macht das nach einer Stunde keinen Spaß mehr, wenn man es nicht immer mal wieder bricht. Manchmal klappt das ganz gut, manchmal aber auch nicht. Und das sind dann die Konzerte, wo es fast schon quälend werden kann, muss man wirklich sagen."