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Musiker-Misere
Marketing soll Einkommen verbessern

Immer mehr frisch ausgebildete Berufsmusiker treffen auf immer weniger feste Stellen. Die tagtäglichen Branchenprobleme zahlreicher freiberuflicher Sänger, Dirigenten oder Instrumentalisten wurden nun auf der "Zukunftskonferenz Musikhochschulen" in Mannheim thematisiert. Stärker spezialisierte Studiengänge sollen eine bessere Zukunft versprechen.

Von Thomas Wagner | 17.02.2014
    Rebeka Gebert studiert an der staatlichen Musikhochschule in Mannheim Violine, will später einmal Berufsmusikerin werden. Ausschlaggebend war für sie....
    "...die Faszination und die Liebe zur Musik. Und die bewusste Entscheidung, dass man irgendwann, auch wenn die Arbeitssituation nicht ganz so rosig aussieht, doch in die Arbeit dort hinein starten will und man ein gewisses Grundvertrauen hat, dass das schon wird."
    Immer häufiger wird aber aus dem Traum somancher Musikhochschul-Absolventen der Alptraum eines Überlebenskampfes.
    "Nach Angaben des Musikinformationszentrums liegt der Jahresverdienst bei 11.000 bis 12.000 Euro, mit Schwankungen nach oben oder unten. Dirigenten scheinen mit 18.000 Euro mehr zu verdienen wie beispielsweise freischaffende Orchestermusiker, die nach diesen Statistiken nur mit 9.000 Euro pro Jahr rechnen können. Das ist nicht überall der Fall. Aber diese Auswüchse gibt es halt eben",
    zitiert Professor Heiner Gembris, Leiter des Instituts für Begabungsforschung in der Musik Paderborn, aus den ihm vorliegenden Statistiken. Das geringe Jahreseinkommen bezieht sich auf die freiberuflichen Berufsmusiker. Allerdings: Zwei Drittel aller Absolventen landen in der Freiberuflichkeit. Orchesterfusionen hier, Streichkonzerte an Theatern und Opern dort, im Gegensatz dazu ständig steigende Absolventenzahlen an den Musikhochschulen: Die Schere zwischen frisch ausgebildeten Berufsmusikern und festen Stellen geht seit Jahren auseinander. Nicht zuletzt diese Entwicklung war für die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg dafür ausschlaggebend, den Rotstift an die Budgets der Musikhochschulen im Land anzusetzen. Zwar soll keiner der Standorte komplett geschlossen werden. Aber, so Wissenschaftsministerin Theresa Bauer:
    "Wir wollen Qualitätsentwicklung verbinden mit dem Einsparziel, vier bis fünf Millionen Euro zu erwirtschaften."
    Qualitätsentwicklung - das bedeutet auch die Überarbeitung der Studienpläne an den Musikhochschulen. Und hierzu wurden auf der Zukunftskonferenz in Mannheim eine Fülle von Vorschlägen diskutiert. Neben der eigentlichen musikwissenschaftlichen Ausbildung müssten die Studierenden viel besser als bisher auf die Selbständigkeit vorbereitet werden, fordert Heiner Gembris vom Institut für Begabtenforschung in der Musik an der Universität Paderborn.
    "Man braucht Kenntnisse in der Fähigkeit, ein kleines Unternehmen zu führen, was man als Ein-Mann-Betrieb ist. Man braucht Kenntnisse des Musikerrechtes und des Bühnenrechtes eventuell. Man braucht Sozialkompetenzen und ähnliche Dinge mehr, Marketing, Selbstvermarktung, zum Beispiel auch mit neuen Medien Internetseiten über sich selbst aufbauen zu können und ähnliches mehr."
    Zwar gibt es solche Angebote bereits, allerdings meistens nur als freiwillige Blockveranstaltungen an Wochenenden. Und die Neigung der Studierenden, daran teilzunehmen, sei nicht allzu groß; hier müsse es zu einem Sinneswandel kommen - und Fächer wie Marketing und Webdesign müssten in die regulären Studienpläne integriert werden. Zukunftsträchtig erscheinen daneben spezialisierte Master-Studiengänge. Je innovativer die Inhalte, desto besser die Berufsaussichten, glaubt Andreas Brand. Er gehört dem AStA der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen an und hat sich in dem neuen Studiengang Musikdesgin eingeschrieben. Wie wird Musik in der Werbung verwendet? Welche Rolle spielen musikalische Elemente beim Design von Internet-Auftritten?
    "Ob ich jetzt Angst habe, dass ich einen Job finde? Das glaub' ich jetzt nicht, weil ich in einem ziemlich innovativen Studiengang untergebracht bin. Wenn es um interdisziplinäre Studiengänge gibt, dann gibt es auch neue Berufsfelder, Event-Agenturen, Audio-Agenturen, alles Mögliche. Das sprießt gerade so aus dem Boden. Also eigentlich kann ich mir es fast schon aussuchen, wo ich hin möchte."
    Dass solche spezialisierten Studiengänge eine bessere Zukunft als klassische Ausbildungsgänge versprechen, glaubt auch Julia Seitz, Mitglied im AStA der Hochschule für Musik Karlsruhe. Sie studiert Kultur- und Media-Technologie, eine Mischung aus Musikjournalismus und Medieninformatik. Die Chancen auf einen guten Job nach dem Abschluss stünden gut, sagt Julia Seitz. Um auch die Chancen für die Absolventen der klassischen musikwissenschaftlichen Studiengänge zu verbessern, sei ein gesellschaftlicher Sinneswandel notwendig: Häufig liege das Image eines Musiklehrers deutlich unter dem eines Orchestermusikers.
    "Wir brauchen nämlich genauso gute Musiker, genauso exzellente Musiker in der Musikschule, um diese Leidenschaft, um dieses Brennen zu vermitteln. Und das ist etwas, was ich bei einigen Lehrbeauftragten als sehr problematisch ansehe: Dass sie versuchen, aus jedem Studierenden einen Solisten zu machen. Das ist unrealistisch. Und da macht man den Betroffenen falsche Hoffnungen."