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Musikerin Susanne Sundfør
Die Klänge des Krieges

Die norwegische Singer-Songwriterin Susanne Sundfør findet leichten, elektronischen Pop nicht mehr politisch genug - für ihr neues Album "Music for People in Trouble" griff sie zur Gitarre, fuhr zur Recherche nach Nordkorea und schrieb Songs über das Summen der Drohnen.

Von Robert Rotifer | 16.09.2017
    Susanne Sundfør in schwarz-weiß schaut zwischen Haarsträhnen hervor. Ihr Oberkörper scheint nackt
    Susanne Sundfør: "Eine Drohne klingt wie eine gelangweilte Hummel" (Bella Union / Raphael Chatelain)
    Susanne Sundfør sitzt im Vorgarten eines Londoner Hotels. Zwei Jahre hat sie in der britischen Metropole gelebt, es aber nicht länger ausgehalten: Sie vermisste ihre Freunde in Oslo. Und doch hatten die Lebensumstände des Londoner Alltags eine direkte Auswirkung auf den Klang ihrer neuen Platte.
    "Ich zog nach London, und ich konnte kein Klavier durch die Wohnungstür reinbringen, also spielte ich Gitarre."
    Tief in die Welt der Elektronik vorgedrungen
    "Mantra", das Eröffnungsstück von Susanne Sundførs aktuellem Album "Music for People in Trouble". Die Erklärung, wie ihre enge Londoner Wohnung sie von ihrem angestammten Instrument, dem Klavier, zur Gitarre brachte, klingt einsichtig - aber nur, solange man nicht ihr früheres Werk kennt.
    "Insects" aus "Ten Love Songs", einem Album, auf dem Susanne Sundfør 2015 tief in die Welt der Elektronik vorgedrungen war. Und die lässt sich bekanntlich auch platzsparend in einem Laptop unterbringen. Da muss es also noch etwas anderes gegeben haben, das sie zurück zum Akustischen führte.
    "Ich war einfach die Synthesizer und das Programmieren Leid geworden. Es machte Spaß auf "Ten Love Songs", aber mein neues Album ist auch ein bisschen ein 'Fuck You' an den ganzen elektronischen Trend. Es ist nett, auszugehen und schöne elektronische Musik zu hören. Aber es ist nicht sehr politisch. Ich vergleiche die heutige Zeit oft mit den glücklichen 20er-Jahren, genau zwischen zwei Weltkriegen."
    Abkehr vom Eskapismus des Pop
    Susanne Sundførs Stilwechsel hat also eine moralische Dimension als Abwendung vom Eskapismus des Pop. Dieses Stück heißt etwa "The Sound of War", sie singt darin aber nicht über Kanonendonner und Sirenen, sondern über das dumpfe Summen ferngesteuerter Drohnen.
    "Der Klang des Krieges hat sich in unseren Zeiten verändert, eine Drohne klingt nur wie eine gelangweilte Hummel, überhaupt nicht bedrohlich. Und das fand ich faszinierend."
    Ein Synthesizer simuliert das Summen einer Drohne und trifft als Gegenstück auf die vom akustischen Instrumentarium repräsentierten "People in Trouble", Menschen in Not. Um diese selbst kennenzulernen, ist die Künstlerin vor einem Jahr ins isolierte Nordkorea gefahren.
    "Ich weiß nicht, ob ich die Reise empfehlen würde, denn sie zeigen einem nur die sonnige Seite des Landes. Aber dafür war ich nicht gekommen, sondern um die Menschen zu sehen. Sie können einem all ihre schönen Gebäude vorführen, aber wenn man sich die Leute auf der Straße ansieht, sieht man, dass da was falsch ist."
    Eingesperrtsein zwischen unsichtbaren Mauern
    Susanne Sundfør ist nicht der erste westliche Popstar in Nordkorea, auch Damon Albarn hat sich für sein letztes Blur-Album dort umgesehen. Sundfør wiederum wurde bei ihrem Besuch von der Beobachterin zur Beobachteten, als eine Wärterin in einem Museum in Pjöngjang sie an ein dort stehendes Klavier drängte.
    "Sie sagte zu mir: 'Sie werden jetzt spielen.' Also dachte ich mir, okay, ich spiele 'Walls', das ist einer der ersten Songs, die ich geschrieben habe. Und ich spielte eine sehr kurze Version davon, weil ich mich in dieser Situation ziemlich unwohl fühlte. Die Frau sagte nachher gar nichts. Mein Freund fragte: 'Wie fanden Sie das?' Sie sagte: 'Ja, es war nett. Aber sehr kurz.'
    Es ist wohl kein Zufall, dass der 31-Jährigen in Nordkorea dieses frühe Stück aus Teenagertagen über das Eingesperrtsein zwischen unsichtbaren Mauern in den Sinn kam. Stilistisch hat sie wieder zurück zu ihren Ursprüngen als Singer-Songwriterin gefunden, aber samt einer auf dem Weg dahin gewonnenen Erkenntnis: Wie es gelingen kann, politische Anliegen zu transportieren, ohne zu belehren.
    "Ich denke, vielleicht brauchen wir keine Künstler um uns erklären, wen wir wählen sollen, sondern um uns zu sagen: Was dich besorgt, sorgt mich auch. Du bist nicht die Einzige, die darüber nachdenkt. Das war für mich an Kunst immer das Beste: Dass ich mich weniger allein fühlte."
    Susanne Sundfør spielt zwei Konzerte in Deutschland: Am Samstag, 16.9., im Artheater in Köln und am Mittwoch, 20.9., in Berlin im Silent Green Kulturquartier.