Angela Merkel hat sich in dieser Woche in der Tradition deutscher Kanzler in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen umfassend zu ihren musikalischen Vorlieben und zu Aspekten des deutschen Kulturbetriebes geäußert. Auf die Fragen von Eleonore Büning, Regina Mönch und Heinrich Wefing zu ihrer Wagner-Begeisterung und zum Bayreuth-Besuch sagt sie: "Zum ersten Mal war ich 1991 dort, und zu Wagner habe ich durch meinen Mann gefunden. Das Wichtigste an Bayreuth ist aber nicht der Eröffnungstag. Den muss man trennen vom zweiten bis letzten Tag der Festspiele. Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie vom zweiten Tag an die Welt eine andere wird. Menschen, die lange auf ihre Karten gewartet haben, genießen nun einfach die Musik. Dass die Konzentration einzig darauf möglich ist, macht für mich als Politikerin diese Festspiele in Bayreuth, aber auch die in Salzburg so wunderbar".
Die Politikerin fährt fort: "Richard Wagner selbst hat das genauso angestrebt und arrangiert: dass der ganze Tag auf diese eine Oper zuläuft und damit wortwörtlich eine Besinnung möglich ist. Anfangs habe ich noch gedacht: Du kannst doch nicht eine volle Stunde Pause machen! Doch wenn man sich einmal diesem Rhythmus ergeben hat, erschließt sich auch die Musik auf eine ganz andere Art und Weise. Dazu gehört dieses Festspielhaus, dieser Hügel, die Landschaft darum herum. Es ist nichts Verrücktes daran, dort von sechzehn Uhr bis tief in die Nacht seine Zeit zu verbringen, sondern es fügt sich alles wie von selbst. Wagner zwingt einen dazu, sich der Musik zu widmen. Das funktioniert".
Angesprochen auf die Bildungsdebatte sagte Angela Merkel an anderer Stelle: "Ich will keine Verbindungslinie von den preußischen zu den heutigen Schulen ziehen. Aber dass man an gute Bildung denkt, wenn man an Deutschland denkt, wäre für mich ein hehres Ziel. Ein Land, das naturgemäß mangels Bodenschätzen nur von Menschen und Innovationen leben muss, sollte sich dazu verpflichtet fühlen. Ich bin ganz erfreut, dass die Pisa-Diskussion immerhin dazu geführt hat, dass sich im Sinne des Wettbewerbsföderalismus jetzt alle Gedanken darüber machen. Aber ich sehe auch die Gefahr, dass wir insgesamt zu wenig dauerhaft-permanentes Wissen haben. Es fehlt den Deutschen", bemängelt die CDU/CSU-Kanzlerkandidatin, "die Kenntnis der vierten und fünften Liedstrophe, es fehlen Gedichte, Mythen, Melodien, aber auch sportliche Grundfähigkeiten nehmen ab. Wenn es da einen fixen Bestand gäbe, auf den man sich wieder verlassen könnte in der Bevölkerung, so wäre das aus meiner Sicht ein erstrebenswertes Ziel".
Tilmann Moser beschäftigt sich in der Neuen Zürcher Zeitung mit dem Profil und der Psychologie des Attentäters, mit dem wir es seit kurzem auch in den europäischen Metropolen zu tun haben. Der Psychoanalytiker differenziert zwischen dem vorwiegend jugendlichen Selbstmord-Attentäter in Israel und dem jetzt auftauchenden neuen Typus. Er schreibt: "Diese Terroristen bilden eine Art Elite mit weltweiten Verbindungen. Sie wollen beweisen, dass sie den Krieg in die Städte tragen können, dass sie die Herren über Leben und Tod sind. In ihren kleinen Zirkeln wird die Zerstörung des Welthandelszentrums als Vorbild und als Sieg gefeiert, und bin Ladin hat seine Anhänger ermutigt, nach immer schrecklicheren Szenarien Ausschau zu halten".
Moser fährt fort:" Bin Ladin und Zarkawi denken global, und sie haben dem ganzen Westen den Krieg erklärt. Es gibt tausendfache Tötungsaufrufe in ihren Botschaften; und wo das Selbstwertgefühl, individuell wie kollektiv, durch Erfahrungen der Demütigung massiv bedroht ist, bedeutet die "licence to kill" eine Aufwertung, mit der man sich identifizieren kann. Ein latenter Wettbewerb mag unter den Gruppen im Gang sein, wer das "perfekteste" Attentat zustande bringt und, so pervers das klingt, den Anschlag mit den meisten Toten und Verletzten und mit den größten bedrohlichen Auswirkungen auf Politik und Alltagsleben. Auch das verleiht dem Terror eine unheimliche Dynamik".
Die Prognose, die Moser stellt, ist daher alles andere als beruhigend: "Die Gefahr ist real, dass sich der Krieg ausweiten wird; dass unsere Gesellschaft ungemütlicher und auch repressiver wird, dass die Polarisierung zunimmt".
In derselben Zeitung äußert sich der in Amsterdam lebende Schriftsteller Abdelkader Benali zur Integrationsproblematik junger Muslime. Er meint: "Es ist verlockend, die Ermordung van Goghs und das Attentat in London miteinander in Verbindung zu bringen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Zum Beispiel, dass nach Jahrhunderten der Abwesenheit der religiöse Wahn wieder nach Europa zurückgekehrt ist. Es sieht so aus, als sei es das Ziel des ganzen europäischen Projekts gewesen, jede Form von religiösem Fanatismus zu verbannen - und genau in dem Moment, als dies erreicht schien, ist er zurückgekehrt, zerstörerischer als je zuvor".
Abdelkader Benali kommt danach zum entscheiden Punkt: "Wie schaffen wir diese Gewissenskonflikte aus der Welt? Wie stellen wir Harmonie zwischen einem östlichen Geist und einer westlichen Jacke her? Das Aufgeben des Schwarz-Weiß-Denkens (entweder man betet oder trinkt Glühwein) ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, vielleicht sogar der größte. Die stärkste Bedrohung einer dogmatischen Weltsicht ist ihre permanente Relativierung".
Erstaunliches weiß Christian Schmidt in der Süddeutschen Zeitung über die neuesten Trends in der globalisierten Welt zu berichten. Da in Berlin und in Prag die Claims verteilt sind, wie es im Artikel heißt, zieht es immer mehr junge Europäer in die Volksrepublik China. Waren in Peking 1983 exakt 3 921 Ausländer angemeldet, so sind es heute zwischen geschätzten 50 und 100 000. Schmidt berichtet über zwei Fälle: "Saskia hatte im Westen eine viel versprechende Karriere vor sich. Die doppelte Cambridge-Absolventin arbeitete in London für eine große britische Unternehmensberatung, bevor sie Ende letzten Jahres nach Peking ging. "Ich liebe die Herausforderung", sagt sie. "Außerdem gefällt mir die Art, wie ich hier lebe, besser". Und Clive, der Biker, sagt fast wortgleich: "In China kann ich leben, wie es mir gefällt".
Zum Tode von Albert Mangelsdorff schreibt Hans-Jürgen Linke in der Frankfurter Rundschau: "Es gibt die Posaune vor und die Posaune seit Albert Mangelsdorff. Trotz des starken Einflusses, den er dem Free Jazz auf seine Entwicklung zu nehmen gestattete, verlor er nie den Boden des Jazz unter den Füßen, der für ihn immer der Tanzboden geblieben ist. Selbst in seinen komplexen Soloprogrammen ließ seine Phrasierung immer tänzerische Anmut durchscheinen"
Mangelsdorff, der kurz vor seinem 77. Geburtstag starb, zeichnete, so Hans-Jürgen Linkes Charakterisierung, "ein warmer, fester Ton aus, (der seinen menschlichen Qualitäten entsprach)".
Die Politikerin fährt fort: "Richard Wagner selbst hat das genauso angestrebt und arrangiert: dass der ganze Tag auf diese eine Oper zuläuft und damit wortwörtlich eine Besinnung möglich ist. Anfangs habe ich noch gedacht: Du kannst doch nicht eine volle Stunde Pause machen! Doch wenn man sich einmal diesem Rhythmus ergeben hat, erschließt sich auch die Musik auf eine ganz andere Art und Weise. Dazu gehört dieses Festspielhaus, dieser Hügel, die Landschaft darum herum. Es ist nichts Verrücktes daran, dort von sechzehn Uhr bis tief in die Nacht seine Zeit zu verbringen, sondern es fügt sich alles wie von selbst. Wagner zwingt einen dazu, sich der Musik zu widmen. Das funktioniert".
Angesprochen auf die Bildungsdebatte sagte Angela Merkel an anderer Stelle: "Ich will keine Verbindungslinie von den preußischen zu den heutigen Schulen ziehen. Aber dass man an gute Bildung denkt, wenn man an Deutschland denkt, wäre für mich ein hehres Ziel. Ein Land, das naturgemäß mangels Bodenschätzen nur von Menschen und Innovationen leben muss, sollte sich dazu verpflichtet fühlen. Ich bin ganz erfreut, dass die Pisa-Diskussion immerhin dazu geführt hat, dass sich im Sinne des Wettbewerbsföderalismus jetzt alle Gedanken darüber machen. Aber ich sehe auch die Gefahr, dass wir insgesamt zu wenig dauerhaft-permanentes Wissen haben. Es fehlt den Deutschen", bemängelt die CDU/CSU-Kanzlerkandidatin, "die Kenntnis der vierten und fünften Liedstrophe, es fehlen Gedichte, Mythen, Melodien, aber auch sportliche Grundfähigkeiten nehmen ab. Wenn es da einen fixen Bestand gäbe, auf den man sich wieder verlassen könnte in der Bevölkerung, so wäre das aus meiner Sicht ein erstrebenswertes Ziel".
Tilmann Moser beschäftigt sich in der Neuen Zürcher Zeitung mit dem Profil und der Psychologie des Attentäters, mit dem wir es seit kurzem auch in den europäischen Metropolen zu tun haben. Der Psychoanalytiker differenziert zwischen dem vorwiegend jugendlichen Selbstmord-Attentäter in Israel und dem jetzt auftauchenden neuen Typus. Er schreibt: "Diese Terroristen bilden eine Art Elite mit weltweiten Verbindungen. Sie wollen beweisen, dass sie den Krieg in die Städte tragen können, dass sie die Herren über Leben und Tod sind. In ihren kleinen Zirkeln wird die Zerstörung des Welthandelszentrums als Vorbild und als Sieg gefeiert, und bin Ladin hat seine Anhänger ermutigt, nach immer schrecklicheren Szenarien Ausschau zu halten".
Moser fährt fort:" Bin Ladin und Zarkawi denken global, und sie haben dem ganzen Westen den Krieg erklärt. Es gibt tausendfache Tötungsaufrufe in ihren Botschaften; und wo das Selbstwertgefühl, individuell wie kollektiv, durch Erfahrungen der Demütigung massiv bedroht ist, bedeutet die "licence to kill" eine Aufwertung, mit der man sich identifizieren kann. Ein latenter Wettbewerb mag unter den Gruppen im Gang sein, wer das "perfekteste" Attentat zustande bringt und, so pervers das klingt, den Anschlag mit den meisten Toten und Verletzten und mit den größten bedrohlichen Auswirkungen auf Politik und Alltagsleben. Auch das verleiht dem Terror eine unheimliche Dynamik".
Die Prognose, die Moser stellt, ist daher alles andere als beruhigend: "Die Gefahr ist real, dass sich der Krieg ausweiten wird; dass unsere Gesellschaft ungemütlicher und auch repressiver wird, dass die Polarisierung zunimmt".
In derselben Zeitung äußert sich der in Amsterdam lebende Schriftsteller Abdelkader Benali zur Integrationsproblematik junger Muslime. Er meint: "Es ist verlockend, die Ermordung van Goghs und das Attentat in London miteinander in Verbindung zu bringen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Zum Beispiel, dass nach Jahrhunderten der Abwesenheit der religiöse Wahn wieder nach Europa zurückgekehrt ist. Es sieht so aus, als sei es das Ziel des ganzen europäischen Projekts gewesen, jede Form von religiösem Fanatismus zu verbannen - und genau in dem Moment, als dies erreicht schien, ist er zurückgekehrt, zerstörerischer als je zuvor".
Abdelkader Benali kommt danach zum entscheiden Punkt: "Wie schaffen wir diese Gewissenskonflikte aus der Welt? Wie stellen wir Harmonie zwischen einem östlichen Geist und einer westlichen Jacke her? Das Aufgeben des Schwarz-Weiß-Denkens (entweder man betet oder trinkt Glühwein) ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, vielleicht sogar der größte. Die stärkste Bedrohung einer dogmatischen Weltsicht ist ihre permanente Relativierung".
Erstaunliches weiß Christian Schmidt in der Süddeutschen Zeitung über die neuesten Trends in der globalisierten Welt zu berichten. Da in Berlin und in Prag die Claims verteilt sind, wie es im Artikel heißt, zieht es immer mehr junge Europäer in die Volksrepublik China. Waren in Peking 1983 exakt 3 921 Ausländer angemeldet, so sind es heute zwischen geschätzten 50 und 100 000. Schmidt berichtet über zwei Fälle: "Saskia hatte im Westen eine viel versprechende Karriere vor sich. Die doppelte Cambridge-Absolventin arbeitete in London für eine große britische Unternehmensberatung, bevor sie Ende letzten Jahres nach Peking ging. "Ich liebe die Herausforderung", sagt sie. "Außerdem gefällt mir die Art, wie ich hier lebe, besser". Und Clive, der Biker, sagt fast wortgleich: "In China kann ich leben, wie es mir gefällt".
Zum Tode von Albert Mangelsdorff schreibt Hans-Jürgen Linke in der Frankfurter Rundschau: "Es gibt die Posaune vor und die Posaune seit Albert Mangelsdorff. Trotz des starken Einflusses, den er dem Free Jazz auf seine Entwicklung zu nehmen gestattete, verlor er nie den Boden des Jazz unter den Füßen, der für ihn immer der Tanzboden geblieben ist. Selbst in seinen komplexen Soloprogrammen ließ seine Phrasierung immer tänzerische Anmut durchscheinen"
Mangelsdorff, der kurz vor seinem 77. Geburtstag starb, zeichnete, so Hans-Jürgen Linkes Charakterisierung, "ein warmer, fester Ton aus, (der seinen menschlichen Qualitäten entsprach)".