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Musikheilsbringer von ProSieben

Vor Jahren war es einmal Kult, gemeinsam den "Eurovision Song Contest" zu verfolgen. Aber die Euphorie ließ Jahr für Jahr nach, immer weniger lockte die Show zum Gemeinschaftserlebnis vor die Flimmerkiste. Das war aber kein Grund für die ARD klein bei zu geben. Sie setzt nun doch auf die Kooperation mit ProSieben-Entertainer Stefan Raab und spricht von einem ungewöhnlichen senderübergreifenden Experiment.

Von Klaus Deuse |
    Immer wenn sich die ARD-Unterhaltungsverantwortlichen in den letzten Jahren nach einem Eurovision Song Contest die Frage stellten,

    "Wadde hadde Dudde da?","

    mussten sie bitter bilanzieren: Germany zero points, Allemagne zero points. Also nix für Deutschland. Doch jetzt geht es mit dem deutschen Liedgut auf internationaler Bühne garantiert raketenartig nach vorn. Der herbeigesehnte Sieg scheint durch ein televisionäres Cross-Border-Geschäft schlicht vorprogrammiert. Man hat nämlich bei den Privaten, in dem Fall bei ProSieben, vorbeigeschaut und sich angesichts eines dort erfolgreichen Musikwettbewerbes gefragt:

    ""Wadde hadde Dudde da?"

    Und die Antwort lief auf einen Namen hinaus: Stefan Raab. Ein Holzhammer-Humorist, der aber offenbar ein ausgeprägtes Gespür für musikalischen Zeitgeist besitzt. Wie sonst hätte er sich im Jahr 2000 trauen können, mit einem Gaga-Lied wie:

    ""Wadde hadde Dudde da?""

    höchstselbst beim Eurovision Song Contest aufzutreten und damit sogar auf Platz fünf zu landen. Oder 1998 als Produzent eines schrägen Schlagervogels namens Guildo Horn den hirnrissigen Text "Piep, piep, Guildo hat euch lieb" in die Welt schmettern zu lassen. Im Prinzip Indizien dafür, dass sich die Deutschen, das Volk der Dichter und Denker, im Sturzflug der Dekadenz befand. Nur besser als Raab und seine Protagonisten schnitt nachher niemand mehr ab. Weil aber im TV-Geschäft nicht Geschmack, sondern Quote zählt, hat die ARD als die eiserne Grand-Prix-Anstalt für den nächsten Euro-Träller-Wettbewerb Stefan Raab mit ins Boot geholt.

    Und damit im Huckepack auch ProSieben. Wie gesagt: ein televisionäres Cross-Border-Geschäft, bei dem es für beide Partner um die Frage geht:

    "Wadde hadde Dudde da?"

    Nun, die ARD hofft auf eine steigende Einschaltquote jüngerer Zuschauer - und ProSieben auf Quotenmitnahmeeffekte. Fünf Vorentscheidungssendungen laufen im Privat-TV, dann folgt das Viertelfinale in der ARD, das Halbfinale wieder auf ProSieben und der Knaller, ja das nationale Finale, in der ARD. Und immer mischt Stefan Raab als Oberjuror mit. Wächst da neben dem bei RTL herumzotenden DSDS-Juror Dieter Bohlen etwa ein neuer Mega-Pop-Titan heran? Ist Raab, der sich vor dieser Kooperation mit der ihn schon im Mai umgarnenden ARD quasi in Wehen gewunden hatte wie die Jungfrau mit dem Kind, nur der letzte Beweis dafür, dass die Öffentlich-Rechtlichen Sender lieber besser gleich mit den Privaten auf Schmusekurs gehen, bevor sie nachgeahmte Formate vor die Wand fahren? Doch wenn es um so große Aufgaben gehe, ließ sich ProSieben verlauten, müsse man auch mal Grenzen überwinden. Dolle multimediale Sache das irgendwie. Dabei geht es ohnehin um nichts anderes als einen, was die Bewertung betrifft, ziemlich unfairen musikalischen Wettbewerb. Das ist reichlich Trallala um eine Veranstaltung, nach der sich im nächsten Jahr nicht nur der fabulöse Musikus Stefan R. fragen lassen muss:

    "Wadde hadde Dudde da?"