Jochen Spengler: "Bitte tu das nicht" betteln die Ärzte auf ihrer letzten CD. Die Plattenmillionäre meinen es aber ironisch, wenn sie singen, dass sie das illegale Herunterladen ihrer Musik aus dem Internet ganz arm mache. Denn dass das traditionelle Geldverdienen in der Branche, der Musikbranche, dass das ganze Geschäftsmodell heute nicht mehr funktioniert, das liegt weniger am illegalen Herunterladen, sondern eher daran, dass das traditionelle Geschäftsmodell der Musikindustrie nicht mehr funktioniert, weil nämlich die Musik heute ohne Qualitätsverlust digital kopierbar ist, und dass der weltweit größte Online-Musikhändler Apple vor einer Woche bekannt gegeben hat, dass man die Musik in seinem Internet-Shop künftig ganz ohne Kopierschutz kaufen kann.
Eine Entwicklung, die der ehemalige Chef von Universal Music Deutschland, Tim Renner, selbst miterlebt und auch zu Papier gebracht hat in seinem Buch "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm". Tim Renner hat Bands wie "Element of Crime", "Tocotronic" oder "Rammstein" betreut. Er ist heute Chef des unabhängigen Labels "Motor Music", jetzt in Berlin am Telefon. Guten Morgen, Herr Renner!
Tim Renner: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Renner, für die Verbraucher ist es toll, jederzeit einzelne Stücke kaufen zu können, gezielt, sie vorher zu hören. Aber Farin Urlaub von der Band "Die Ärzte", die wir eben gehört haben, hat neulich in einem "FAZ"-Interview gesagt, der schlaue Apple-Chef hat mit seinem iPod ganz schlechte Bedingungen für Künstler zur Norm gemacht, total unfair und schlimmer, als manche Labels in den 80er Jahren. Hat Farin Urlaub Recht?
Renner: Farin Urlaub versucht damit zu thematisieren, dass Apple die Konsumenten zu Apple zwingt. Der Kopierschutz wurde ja nicht, wie in Ihrem Bericht gesagt, nur von der Industrie gefordert, sondern von Apple auch sehr gerne gemacht, denn wenn sie bei Apple iTunes in der Vergangenheit runtergeladen haben, konnten sie die Titel eigentlich nur über einen iPod nutzen. Und da iTunes dazu da war, den Verkauf von iPods anzuheizen, war das natürlich auch gewollt.
Spengler: Aber das ist ja jetzt nicht mehr gewollt. Das Ende des Kopierschutzes ist ja da.
Renner: Das Ende des Kopierschutzes ist da, weil Herr Jobs mittlerweile den iPod nicht mehr primär über Musik, sondern zunehmend über Video verkauft. Die meisten iPods sind heutzutage videotauglich.
Spengler: Ist das Ende des Kopierschutzes eine Aushebelung des Urheberrechts?
Renner: Das Ende des Kopierschutzes ist keine Aushebelung des Urheberrechts. Das Urheberrecht sieht die Kopie vor, wie in Ihrem Beitrag ja schon festgestellt. Allerdings ist das Aussetzen des Kopierschutzes eine Erleichterung für jeden, der dieses Urheberrecht umgehen will, und seine Intention. Das stimmt schon.
Spengler: Wovon leben die Musiker denn künftig?
Renner: Die Musiker leben heute schon aus einer Mischung zwischen Platten-Verkauf, CD-Verkauf, Download-Verkauf, Live-Auftritten und Merchandise. Da hat sich das Geschäftsmodell für den Musiker schon maßgeblich gedreht. Das ist eine Entwicklung, die spielt sich schon über zehn Jahre ab.
Spengler: Aber die CD-Einnahmen brechen sozusagen mit dem Ende des Kopierschutzes endgültig weg? Das kann man sagen.
Renner: Das würde ich nicht sagen, denn dieselbe Musikindustrie, die jetzt weint, hat ja den Kopierschutz auf der CD schon lange aufgegeben, weil sie gemerkt hat, dieser Kopierschutz ist eine Schimäre. Jeder Kopierschutz ist ziemlich leicht umgehbar, weil sie gleichzeitig den Schlüssel mitliefern müssen.
Das ist wie ein Morse-Code, wo sie gleichzeitig eben halt das Morse-Alphabet mit dazugeben. Den kann dann wirklich jeder lesen. Und wie wir selbst erlebt haben bei CDs, die sie früher gekauft haben, die Kopierschutz hatten: Der Kopierschutz war wirklich leicht knackbar.
Spengler: Diese Entwicklung, die wir jetzt erleben, ist die für Sie positiv oder negativ?
Renner: Ich bin da ganz pragmatisch. Ich sehe eigentlich erst mal die Chancen vorne und nicht die Gefahren. Die Chance ist doch jetzt, dass Sie als Verbraucher weniger negative Erfahrungen haben, wenn Sie legal Musik downloaden. Es ist doch extrem frustrierend, wenn Sie etwas gekauft haben und Ihr Sohn nicht, und Sie merken, das, was Sie gekauft haben, ist schlechter als das, was Ihr Sohn sagen wir mal halb legal erworben hat im Internet und dafür nichts gezahlt hat.
Heutzutage haben sie bei so einem Store, bei so einem Shop wie Apple iTunes eine viel höhere Benutzerfreundlichkeit, als bei irgendwelchen illegalen Websites und sie haben eine Qualität, weil kein Kopierschutz mehr drauf ist, die ist genauso gut wie das illegale Gut, also insofern eigentlich wieder ein Kaufargument.
Spengler: Und was ist positiv für die Musiker? Gibt es da was Positives?
Renner: Das ist im Endeffekt auch positiv für die Musiker. Für die Musiker ist in der Tat das Schlechteste, was passieren kann, dass die Musikindustrie auf eine illegale Bedrohung damit reagiert, indem sie den legalen Käufer bestraft. Damit treibt sie ja den legalen Käufer irgendwann in die Illegalität, denn sie macht das Legale ja uninteressant. Wenn das Legale so gut oder besser ist als das Illegale, dann wird mehr gekauft und das nutzt am Ende des Tages den Musikern auch.
Spengler: Also Sie sehen diese Entwicklung auch letztlich für die Musiker und die Musikindustrie nicht als Untergangsszenario?
Renner: Nein! Auffälligerweise - und Sie haben ja vorher auch zurecht die Ärzte gespielt - sind die Musiker ja da eh die ganze Zeit anderer Meinung als die Musikindustrie. Musiker, die ihr eigenes Label betreiben, wie zum Beispiel "Die Ärzte", die haben gar keinen Kopierschutz. Die hatten keinen Kopierschutz auf der CD, als das noch verbreitet war, und die haben auch keinen Kopierschutz im Netz benutzt, weil Musiker meist der Meinung sind, Musik muss vor allen Dingen eins sein: leicht zu beschaffen und gut zu hören. Und natürlich wollen sie dabei auch was verdienen, aber sie wollen den Kunden nicht behindern. Das ist eine blöde Idee der Industrie gewesen.
Spengler: Der Musik-Manager Tim Renner im Deutschlandfunk-Gespräch. Danke, Herr Renner, für das Gespräch.
Renner: Gerne geschehen!
Eine Entwicklung, die der ehemalige Chef von Universal Music Deutschland, Tim Renner, selbst miterlebt und auch zu Papier gebracht hat in seinem Buch "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm". Tim Renner hat Bands wie "Element of Crime", "Tocotronic" oder "Rammstein" betreut. Er ist heute Chef des unabhängigen Labels "Motor Music", jetzt in Berlin am Telefon. Guten Morgen, Herr Renner!
Tim Renner: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Renner, für die Verbraucher ist es toll, jederzeit einzelne Stücke kaufen zu können, gezielt, sie vorher zu hören. Aber Farin Urlaub von der Band "Die Ärzte", die wir eben gehört haben, hat neulich in einem "FAZ"-Interview gesagt, der schlaue Apple-Chef hat mit seinem iPod ganz schlechte Bedingungen für Künstler zur Norm gemacht, total unfair und schlimmer, als manche Labels in den 80er Jahren. Hat Farin Urlaub Recht?
Renner: Farin Urlaub versucht damit zu thematisieren, dass Apple die Konsumenten zu Apple zwingt. Der Kopierschutz wurde ja nicht, wie in Ihrem Bericht gesagt, nur von der Industrie gefordert, sondern von Apple auch sehr gerne gemacht, denn wenn sie bei Apple iTunes in der Vergangenheit runtergeladen haben, konnten sie die Titel eigentlich nur über einen iPod nutzen. Und da iTunes dazu da war, den Verkauf von iPods anzuheizen, war das natürlich auch gewollt.
Spengler: Aber das ist ja jetzt nicht mehr gewollt. Das Ende des Kopierschutzes ist ja da.
Renner: Das Ende des Kopierschutzes ist da, weil Herr Jobs mittlerweile den iPod nicht mehr primär über Musik, sondern zunehmend über Video verkauft. Die meisten iPods sind heutzutage videotauglich.
Spengler: Ist das Ende des Kopierschutzes eine Aushebelung des Urheberrechts?
Renner: Das Ende des Kopierschutzes ist keine Aushebelung des Urheberrechts. Das Urheberrecht sieht die Kopie vor, wie in Ihrem Beitrag ja schon festgestellt. Allerdings ist das Aussetzen des Kopierschutzes eine Erleichterung für jeden, der dieses Urheberrecht umgehen will, und seine Intention. Das stimmt schon.
Spengler: Wovon leben die Musiker denn künftig?
Renner: Die Musiker leben heute schon aus einer Mischung zwischen Platten-Verkauf, CD-Verkauf, Download-Verkauf, Live-Auftritten und Merchandise. Da hat sich das Geschäftsmodell für den Musiker schon maßgeblich gedreht. Das ist eine Entwicklung, die spielt sich schon über zehn Jahre ab.
Spengler: Aber die CD-Einnahmen brechen sozusagen mit dem Ende des Kopierschutzes endgültig weg? Das kann man sagen.
Renner: Das würde ich nicht sagen, denn dieselbe Musikindustrie, die jetzt weint, hat ja den Kopierschutz auf der CD schon lange aufgegeben, weil sie gemerkt hat, dieser Kopierschutz ist eine Schimäre. Jeder Kopierschutz ist ziemlich leicht umgehbar, weil sie gleichzeitig den Schlüssel mitliefern müssen.
Das ist wie ein Morse-Code, wo sie gleichzeitig eben halt das Morse-Alphabet mit dazugeben. Den kann dann wirklich jeder lesen. Und wie wir selbst erlebt haben bei CDs, die sie früher gekauft haben, die Kopierschutz hatten: Der Kopierschutz war wirklich leicht knackbar.
Spengler: Diese Entwicklung, die wir jetzt erleben, ist die für Sie positiv oder negativ?
Renner: Ich bin da ganz pragmatisch. Ich sehe eigentlich erst mal die Chancen vorne und nicht die Gefahren. Die Chance ist doch jetzt, dass Sie als Verbraucher weniger negative Erfahrungen haben, wenn Sie legal Musik downloaden. Es ist doch extrem frustrierend, wenn Sie etwas gekauft haben und Ihr Sohn nicht, und Sie merken, das, was Sie gekauft haben, ist schlechter als das, was Ihr Sohn sagen wir mal halb legal erworben hat im Internet und dafür nichts gezahlt hat.
Heutzutage haben sie bei so einem Store, bei so einem Shop wie Apple iTunes eine viel höhere Benutzerfreundlichkeit, als bei irgendwelchen illegalen Websites und sie haben eine Qualität, weil kein Kopierschutz mehr drauf ist, die ist genauso gut wie das illegale Gut, also insofern eigentlich wieder ein Kaufargument.
Spengler: Und was ist positiv für die Musiker? Gibt es da was Positives?
Renner: Das ist im Endeffekt auch positiv für die Musiker. Für die Musiker ist in der Tat das Schlechteste, was passieren kann, dass die Musikindustrie auf eine illegale Bedrohung damit reagiert, indem sie den legalen Käufer bestraft. Damit treibt sie ja den legalen Käufer irgendwann in die Illegalität, denn sie macht das Legale ja uninteressant. Wenn das Legale so gut oder besser ist als das Illegale, dann wird mehr gekauft und das nutzt am Ende des Tages den Musikern auch.
Spengler: Also Sie sehen diese Entwicklung auch letztlich für die Musiker und die Musikindustrie nicht als Untergangsszenario?
Renner: Nein! Auffälligerweise - und Sie haben ja vorher auch zurecht die Ärzte gespielt - sind die Musiker ja da eh die ganze Zeit anderer Meinung als die Musikindustrie. Musiker, die ihr eigenes Label betreiben, wie zum Beispiel "Die Ärzte", die haben gar keinen Kopierschutz. Die hatten keinen Kopierschutz auf der CD, als das noch verbreitet war, und die haben auch keinen Kopierschutz im Netz benutzt, weil Musiker meist der Meinung sind, Musik muss vor allen Dingen eins sein: leicht zu beschaffen und gut zu hören. Und natürlich wollen sie dabei auch was verdienen, aber sie wollen den Kunden nicht behindern. Das ist eine blöde Idee der Industrie gewesen.
Spengler: Der Musik-Manager Tim Renner im Deutschlandfunk-Gespräch. Danke, Herr Renner, für das Gespräch.
Renner: Gerne geschehen!