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Musiktruhe mit Grips

Trotz aller Klagen ist mit Musik noch immer ein glänzendes Geschäft zu machen, wie nicht nur Apple beweist. Damit Menschen zukünftig auch stets zusammen passende Songs hören können, entwickeln Fraunhofer-Forscher jetzt eigens eine neuartige Datenbank.

Von Stefan Bitterle |
    Die Stereoanlage der Zukunft kann nicht nur Musik wiedergeben, sie verwaltet sie auch. Den Grundstein dazu legen Ingenieure im Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT im thüringischen Ilmenau, berichtet Markus Kremer, Abteilungsleiter beim IDMT:

    "Wir entwickeln derzeit ein System namens Soundslike, das auf unserem Fingerprintingverfahren "AudioID" beruht und versucht, mit Hilfe von relativ einfachen Mitteln ähnliche Musikstücke vollautomatisch zu finden und die dann entsprechend auch einzuordnen."

    Auf dem ansonsten leeren Schreibtisch steht ein Laptop, verbunden mit einem Paar kleiner Lautsprecher. Ein Windowsprogramm öffnet vier Fenster. Und so funktioniert’s:

    "Ich würde vorschlagen, wir fangen erst mal mit "A Tribe called Quest" an. Das Stück nennt sich "Bugging out". Jetzt braucht Soundslike etwa 15 Sekunden, es analysiert immer nur ein Zeitfenster, das 15 Sekunden zurück liegt, und versucht dann ähnliche Stücke aus einer 20.000 Titel umfassenden Datenbank hier auf dem Rechner zu finden. Und dann gucken wir uns mal ein bisschen an, mit welchen Ergebnissen es da rauskommt."

    Bereits nach wenigen Sekunden macht die findige Software erste Vorschläge, darunter das eigentliche Stück "Bugging out" sowie "Unwalk Runaway love", "Cypress Hill", "Funky Freakers" und andere Titel. Im Lauf des Suchprozesses verfeinert Soundslike seine Trefferliste ständig. Der Schlüssel liegt dabei weniger bei der Musik selbst als bei den Metadaten des Stückes. Egal, ob der Titel nun als linear gespeicherte Datei oder datenkomprimiert vorliegt, muss er einen Eintrag in der Datenbank der Stereoanlage bekommen. Bei einer CD, die ein CD-Spieler mit Zugang zum Internet ausliest, ist das kein Problem: Programme wie "Itunes", "Realpalyer" oder "Windows Mediaplayer" schicken einen digitalen Fingerabdruck der CD an entsprechende Datenbanken und erhalten - zumeist - die gewünschten Angaben zu den Titeln. Spannender wird das Ganze, wenn man den Fingerabdruck aus der Musik selbst erzeugt. Die Bedingung: Er muss automatisch erzeugt werden können, eindeutig, reproduzierbar und relativ klein sein. Das leistet das Programm "AudioID":

    "AudioID betrachtet den Verlauf bestimmter spektraler Merkmale über die Zeit. Ein flaches Spektrum bedeutet Rauschen. Und das Gegenstück dazu wäre ein tonales Spektrum, sprich ein Flötenton - also ein sehr klarer, sehr gut gehaltener, konstanter Ton. Also die Flachheit beziehungsweise die Tonalität in bestimmten Spektralbereichen wird da über die Zeit verfolgt. Das Ganze wird dann noch etwas statistisch komprimiert und gibt so mit einen sehr kompakten Fingerabdruck, der irgendwo in der Größenordnung zwischen vier bis 20 Kilobyte pro Musikstück liegt."

    Diese Charakteristika verwaltet die lernfähige offene Datenbank "Soundslike" und erschließt einerseits den Bestand der Stereoanlage. Andererseits versucht die Software, aus dem Nutzungsgebaren ihres Betreibers Gewohnheiten herauszulesen. Am einfachsten geht das, wenn das erste Stück bekannt ist. Das nennt sich "query by example":

    "Man geht erst einmal mit einem Referenzmusikstück rein, das man kennt, das man jetzt gerne hören würde, und Soundslike sucht dann also nach ähnlichen Stücken und dann kann man Stücke annehmen, Stücke ablehnen. Je nachdem, wie man annimmt oder ablehnt, werden sich dann die entsprechenden Gewichte einstellen innerhalb des Systems."

    Und es lernt dabei automatisch. Wenn Soundslike einmal den Geschmack des Users kennt, kann das Programm nicht nur eine Playliste aus der eigenen Anlage generieren, sondern selbständig im Internet bei Online-Anbietern Probestückchen anhören, zum Kauf vorschlagen und herunterladen. Nur die Stimmungsabhängigkeit ist noch nicht so wirksam implementiert. Muss sie aber auch nicht. Soundslike ist zwar ein ausgezeichnetes automatisches Erschließungsprogramm, das geschulte Ohr eines Menschen in Verbindung mit seinem Urteilsvermögen jedoch wird es nie ersetzen können, sagt Markus Kremer:

    "Das wird Soundslike wahrscheinlich nie erreichen können, da der Musikgeschmack beim Menschen schon so vielfältig ausgeprägt ist, dass man eine Maschine wahrscheinlich kaum dazu bringen kann, das zu leisten. Aber Soundslike soll uns doch im Alltag als Werkzeug helfen, aus größeren Musikmengen möglichst schnell und unkompliziert schöne, gut klingende Musik zu finden."