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Muskelaufbau für Meriten

Die USA sind Sportnation Nummer eins - auch weil amerikanische Athleten an den Hochschulen finanziell so unterstützt werden, dass sie eher studierende Sportler sind als sporttreibende Studierende. Im Basketball geht das so weit, dass die Uni-Spieler echte Profis sind. Mittlerweile steht dieses Fördersystem in den USA aber in der Kritik. In Deutschland dagegen denkt man über bessere Förderung von Spitzensportlern nach. Und die Hochschulen in Würzburg wollen da Pioniere sein. Gestern unterzeichneten sie mit dem Olympiastützpunkt im benachbarten Tauberbischofsheim einen Kooperationsvertrag.

    Sport ist Mord – zumindest wenn man gleichzeitig studieren will. Zwei abschreckende Beispiele: Thomas Lurz, Vize-Europameister im Schwimmen und Steffen Wiesinger, Olympiateilnehmer im Fechten:

    Letztes Jahr hatte ich Weltmeisterschaft in Japan und zum gleichen Zeitpunkt waren meine Prüfungen. Und die konnte ich nicht schreiben und muss sie jetzt nachholen und außerdem noch drei andere nachschreiben.

    Ich hatte Vordiplom und versucht, es verschrieben zu können, weil am selben Tag ein Wettkampf in Hannover war. Da hieß es, geht nicht an einem anderen Tag. Und dann habe ich gesagt: Gut, dann eben um 6 Uhr. Das habe ich dann gemacht, von 6 bis 10. Das ist schon eine Belastung.

    Thomas Lurz und Steffen Wiesinger haben eins gemeinsam: Sie studieren in Würzburg. Dort sollen Prüfungs- und Wettkampfstermine künftig abgestimmt werden. Das ist der wichtigste Punkt in dem Kooperationsvertrag zwischen dem Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim und den Würzburger Hochschulen. Aber das ist nicht alles: Der Spitzensportler bekommt zwei zusätzliche Urlaubssemester und wenn möglich auch ein Zimmer im Wohnheim sowie sportgerechtes Essen. Auf die Details kommt es an, sagen der Präsident der Würzburger Fachhochschule Heribert Weber und Uni-Präsident Theodor Berchem:

    Bei den Zulassungsverfahren haben wir schon einen Vorteil, wer A-, B-, oder C-Kader ist, da haben wir reservierte Studienplätze, die kriegen auf jeden Fall einen NC-Platz. Für Sportler, der früh trainiert und nach der Vorlesung gleich zum Training muss, haben wir Parkplätze. Wenn es verschiedene Gruppen gibt, um zum Beispiel Chemie fürs Medizinstudium zu machen, kann man dann den Kurs nehmen, der besser passt und nicht nach Order des Mufti.

    Künftig sollen Sportler nicht mehr vom guten Willen einzelner Professoren abhängig sein, betont Uni-Präsident Berchem. Im Gegenzug verpflichten sich die Spitzensportler, bei Studentenwettkämpfen zu starten – gute Werbung für den Standort Würzburg. Auch der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband profitiert, wenn mehr Stars bei Studentenweltmeisterschaften dabei sind. Aber wir sind nicht die USA, betont Roland Joachim vom Hochschulsportverband:

    Die Frage des amerikanischen Modells, wo Sportlern Stipendien erteilt werden, um für eine Hochschule an den Start zu gehen, das ist in keiner Weise unser System, weil wir ein funktionierendes Vereinssystem haben. Wir wollen, dass junge Menschen Schule und Studium verbinden.

    Partner der Würzburger Hochschulen ist der Olympiastützpunkt im 30 Kilometer entfernten Tauberbischofsheim. Die Medaillenschmiede der Fechter - hochmodern mit Physiotherapie, Leistungsdiagnostik und Karriereberatung für die Zeit danach. Das alles steht nun offen nicht nur für Fechter. Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen olympischen Komitees:

    Es ist für Deutschland ein Schritt nach vorne, diese Kooperation. Ein Signal für andere Universitäten, Leistung im Sport anzuerkennen. Etwas Neues, mir ist eine ähnliche Kooperation nicht bekannt.

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