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Muss nicht geschält werden und schmeckt sogar roh

Der Wildspargel ist klein, weiß und wild. Er ist sehr schmackhaft, sehr zart, und die Kunden lieben ihn.

Von Martin Koch | 28.05.2004
    Jan Peter Köhler ist sichtlich stolz auf seine Kreation. Rund drei Jahre mussten der Diplom-Agraringenieur und seine Frau Katrin experimentieren, ehe im vergangenen Jahr der Mechtersener Wildspargel marktreif war. Er wurde schon bald zum Geheimtipp und lockt seitdem bis zu 25 Prozent mehr Kunden auf den Hof. Die meisten sind begeistert:

    Er schmeckt herzhaft und pikant, und es nicht nur die Sache, dass es wenig Arbeit macht, in erster Linie ist es der Geschmack, der uns überzeugt hat.

    Ja, ich hab ganz begeistert schon davon gehört, wie toll der schmecken soll und dass man natürlich viel weniger Arbeit hat.

    Wir haben das im letzten Jahr probiert, es hat uns super geschmeckt. Man braucht sie nicht zu schälen, vom Geschmack her auch intensiver als der normale Spargel, also ich finde ihn klasse.

    In der Spargelregion Nord-Ost-Niedersachsen mutet der Mini-Spargel geradezu avantgardistisch an - doch die Überzeugungsarbeit fällt selbst bei traditionsbewussten Kunden leicht, sagt Katrin Köhler.

    Ich hab viele doch überredet und sie haben ihn mitgenommen und ich hab gesagt, ihr könnt den heute mittag mitbringen, dann kriegt ihr wieder euren Stangenspargel, aber dann war es aber meistens so, dass sie wieder gekommen sind am nächsten Tag und drei Kilo gekauft haben oder zwei und den heute teilweise gerne immer noch kaufen.

    Die 30 Erntehelfer waren dagegen anfangs eher skeptisch, erzählt Jan Peter Köhler:

    Sie haben gesagt: Chef, das schafft keine Masse!, sag ich mal, aber es ist ihnen im Grunde egal, die freuen sich, wenn sie ein paar Stunden am Tag mehr arbeiten können, da sie in der Regel aus Polen kommen und sich freuen, wenn sie statt vier Stunden am Tag acht Stunden arbeiten können.

    Wildspargel ist bei Landwirten allgemein bekannt, war bislang aber nicht von Interesse. Der Grund ist das schlechte Verhältnis von Aufwand und Ertrag: ein Wildspargel bringt nur etwa ein Zwanzigstel des Gewichts einer normalen Stange - aber bücken muss man sich trotzdem nach jeder einzelnen. Doch Jan Peter Köhler hat offenbar den Stein der Spargelweisen gefunden:

    Ich glaube nicht, dass man so schnell auf dieses Geheimnis kommt, wie man ihn kostendeckend ernten kann. Den dann so in die Reihe zu bringen wie normalen Spargel, das bedarf schon einiger Tricks, wofür ich auch drei bis vier Jahre gebraucht habe, bis ich es so hingekriegt hatte, wie ich es brauchte.

    Nur patentieren lassen kann er sich das Geheimnis nicht, weil es keine eigene Erfindung ist sondern ein, wenn auch einmaliges, Naturprodukt. Und das hat seinen Preis: der Mechtersener Wildspargel ist pro Kilo einen Euro teurer als die Güteklasse 1. Für die Verbraucher rechnet sich das trotzdem, sagt Jan Peter Köhler

    Das klingt im ersten Moment recht teuer für den Verbraucher ist er im Endeffekt günstiger, weil man ja null Abfall hat. Und man rechnet ja eigentlich ein Pfund Spargel pro Nase, und so kommt man bei dem Wildspargel mit 300 Gramm pro Nase aus.

    Auch zahlreiche Restaurants und Hotels wollten das neuartige kleine weiße Stangengemüse haben, doch die meisten gingen leer aus: Die täglich geernteten wenigen Kilo reichen einfach nicht, um regelmäßig in großen Mengen zu liefern. Nur zwei Chefköche in der Umgebung von Mechtersen dürfen die Delikatesse verarbeiten. Einer davon ist Gabriele Penserini von der Osteria in Häcklingen. Seine erste Begegnung mit dem Mini-Spargel beschreibt er so:

    Außergewöhnlich, so klein, so dünn, und positiv, positiv begeistert.

    Seinen Gästen zaubert er aus dem Wildspargel einen Salat mit Hummerkrabben:

    Der Wildspargel wird vorher in Olivenöl kurz gebraten, dann wird er in einer Balsamico-Vinaigrette mariniert, dann wird er auf dem Teller angerichtet und dazu kommen die Scampi in Knoblauchsahnesauce.

    Immer wieder geistern Berichte durch die Presse, dass Spargelschale wegen möglicher Schadstoffbelastung nicht beim Kochen verwertet werden sollte. Für seinen Wildspargel gibt Spargelbauer Jan Peter Köhler jedoch Entwarnung. Und er muss es wissen, schließlich hat er seine Diplomarbeit über den Zusammenhang von Düngung und Qualität beim Spargel geschrieben:

    Der Wildspargel, der ist sehr, sehr empfindlich: Allein schon beim Einsatz von jeglichen Pestiziden würde er gar nicht auftauchen, sag ich mal, und man kann ihn bedenkenlos mit Schale essen.