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Musterbeispiel für Integration

Mit vietnamesischer Folklore und landestypischem Buffet feiert in Tschechien derzeit die vietnamesische Minderheit ihre Kulturtage. Sie ist inzwischen fest in der tschechischen Gesellschaft verankert. Als Musterbeispiel für eine gelungene Integration wird die zweitgrößte Ausländergruppe des Landes häufig bezeichnet. Viele Vietnamesen haben es zu einigem Wohlstand gebracht. Kilian Kirchgeßner berichtet.

    Die neue Ware ist eingetroffen, ein blaues Tee-Service aus Keramik und Glas. Vorsichtig packt Mimi Lan die Tassen und Teller aus und stellt sie auf den Logenplatz in ihrer Boutique, ein kleines Regal gleich am Eingang.

    "Das ist japanisches Design, ganz minimalistisch gehalten", sagt sie und ergänzt: "Häufig kaufen das Tschechen als Tischdekoration, aber viel geht auch an die Prager Teestuben. Die sind fast allesamt unsere Kunden."

    Auf etwa 40 Quadratmetern drängen sich bei Mimi Lan asiatisch anmutende Töpferwaren, Seidenkimonos und elegante Sonnenschirme, von der Decke hängen gleich Dutzende Lampen mit kunstvoll bemalten Schirmen. Vier solcher Geschäfte hat die 28-jährige Vietnamesin. Sie sind über Prag verteilt und liegen in bevorzugten Einkaufsstraßen. Acht Mitarbeiter beschäftigt Mimi Lan. Ihre Boutiquen haben sich seit der Gründung vor vier Jahren längst etabliert. Junge vietnamesische Unternehmer wie sie gibt in Tschechien zu Hauf. Ihre Eltern wanderten meistens in den 50er Jahren ein. Inzwischen übernimmt vielerorts die zweite Generation der Vietnamesen das Steuer. Die meisten von ihnen starten sehr erfolgreich in ihre Karrieren. Marcel Winter von der tschechisch-vietnamesischen Gesellschaft:

    "Kaum einer bei uns weiß, dass die Kinder von Vietnamesen hier in Tschechien sehr gut lernen. In den Grundschulen und den weiterführenden Schulen haben sie Notendurchschnitte im Einser-Bereich. Und 80 Prozent aller vietnamesischen Studenten machen einen Abschluss mit Auszeichnung. Im vergangenen Jahr hat sogar eine Vietnamesin den landesweiten Schülerwettbewerb in tschechischer Sprache gewonnen."

    Tatsächlich gelten die Vietnamesen als Musterbeispiel für eine gelungene Integration. Gleich nach den Ukrainern stellen sie in Tschechien die zweitgrößte Gruppe von Ausländern aus Nicht-EU-Staaten. Sie haben es geschafft, sich weitgehend ohne fremde Hilfe im Land zurechtzufinden. Staatlich verordnete Sprachkurse oder auch nur ein Konzept zur Integration gab es in Tschechien lange Jahre nicht, die Regierung sah dafür keinen Bedarf, weil das Land bis heute im europaweiten Vergleich eine der niedrigsten Ausländerquoten hat. Sie liegt bei etwa 2,8 Prozent. In Sachen Integration lerne Tschechien derzeit noch, sagt Katerina Berankova vom zuständigen Sozialministerium. Die Vietnamesen führt sie als positives Beispiel an.

    "Sie sind eine stolze Nation, und wahrscheinlich trägt auch ihre Mentalität dazu bei, dass sie es hier schaffen wollen. Hinzu kommt, dass die vietnamesischen Bürger zum Teil schon sehr lange hier sind. Sie haben einfach einen großen Vorsprung. Die meisten ihrer Kinder, die hier geboren wurden, betrachten längst Tschechien als ihr Heimatland. Sie haben damit überhaupt kein Problem."

    Eine solche Erfolgsgeschichte war die Integration der Vietnamesen aber nicht immer. Viele Familien ernähren sich bis heute als ganz einfache Händler: In Prag etwa betreiben sie häufig kleine Tante-Emma-Läden, die von morgens sieben bis abends zehn geöffnet haben. Andere Vietnamesen verkaufen Gartenzwerge und kitschige Souvenirs. Genau darin liegt die Wurzel für den Integrationserfolg der zweiten Generation, sagen Wissenschaftler: Die Eltern wollen, dass ihre Kinder es eines Tages besser haben und investierten viel Zeit und Geld in deren Ausbildung. So war es auch bei Mimi Lan, der jungen Unternehmerin aus Prag:

    "Am Anfang wollte ich eigentlich gar nicht lernen, aber meine Mutter hat mich dazu gedrängt. Sie sagte, jeder Mensch brauche irgendeine Ausbildung. So habe ich es bis zur Karls-Universität hier in Prag geschafft."

    Ihren Einsatz hat Mimi Lan bis heute nicht bereut. In ihrem Geschäft geht sie auf. Sie arbeitet viel und häufig bis in die Nacht hinein. Schließlich warten große Aufgaben auf sie, verrät Mimi Lan:

    "Das nächste Projekt ist unsere Expansion nach Polen und auch nach Ungarn. In Polen suchen wir gerade Gesellschafter. In Ungarn sind wir schon weiter: Es sieht so aus, als hätten wir bald eine Filiale in Budapest."