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Musterbetrieb in Sachen Mitarbeiterführung

Die Auszeichnung "Arbeitgeber des Jahres 2010" erhält in diesem Jahr ein Mittelständler aus dem Schwarzwald. Vergeben wird diese Ehrung vom Unternehmen Compamedia, das sich auf die Organisation von Vergleichsstudien über und für den Mittelstand spezialisiert. Die Auszeichnung wird wissenschaftlich begleitet von der Universität Sankt Gallen. Kontrastprogramm zu Bespitzelungsaffären und Dumpinglöhnen in der Unternehmenswelt KBS-Spritztechnik in Schonach, den "Arbeitgeber des Jahres 2010", und stieß auf ein Unternehmen, in dem Kuckucksuhren, viel Technik und einige Schafe eine Rolle spielen.

Von Thomas Wagner |
    Ein modernes Fabrikgebäude auf einer schneebedeckten Anhöhe in der Schwarzwaldgemeinde Schonach: Ein Förderband transportiert kleine, aufrecht stehende Stifte in eine Maschine.

    "Wir haben hier ein Einlegeteil. Und das Einlegeteil wird vollautomatisch in die Spritzgussmaschine eingelegt und dann mit Kunststoff umspritzt, wird dann rausgenommen und als Fertigteil wieder abgesetzt. Eine Küchenmaschine würde daraus werden, solche Sachen."

    Denny Wandke arbeitet als Einrichter bei KBS-Spritztechnik in Schonach. Das heißt: Er richtet die Maschinen auf die jeweiligen Aufgaben ein: Mal werden Komponenten für Küchenmaschinen, mal für Staubsauger, mal für elektrische Auto-Fenster entwickelt. Häufig besteht das Endprodukt aus kleinen Elektromotoren, einem eigens dafür entwickelten Kleingetriebe und einem elektronischen Steuerungselement. Darauf hat sich die Burger-Gruppe in Schonach spezialisiert, zu der neben der KBS-Spritztechnik auch die SBS-Feintechnik GmbH & Co. KG gehört. Während SBS die mechanischen Teile fertigt, geht es bei KBS-Spritztechnik um die Kunststoffkomponenten. Ganz wichtig in beiden Betrieben: die Unternehmenskultur: Die über 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Schonach sind nicht nur an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen gefragt. Einrichter Frank Gedammi:

    "Also die Burger-Akademie hat ja die unterschiedlichsten Angebote, vieles davon im Bereich Sport. Aber es gibt zum Beispiel auch Fahrsicherheitstraining. Ich war jetzt erst im Fahrsicherheitstraining mit dabei. Und das Unternehmen ist ja auch im privaten Bereich sehr fürsorglich."

    Die Burger-Gruppe und die Burger-Akademie: Das ist eine Art unternehmenseigene Volkshochschule für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mathias Fehrenbach ist bei KBS-Spritztechnik für Instandhaltung und Anlagenplanung zuständig. Nach Feierabend nimmt er gerne das umfangreiche Freizeit- und Schulungsprogramm des Unternehmens wahr.

    "Ich koche gerne. Und da liegt es ja nahe, wenn das Angebot da ist, dass man an Kochkursen teilnimmt. Einmal waren es Partygerichte. Da sind immer verschiedene Themen dran. Ein anderes Mal ging's um Fisch zum Beispiel. Also das steigert hier im Betrieb definitiv den Zusammenhalt."

    Und genau dies ist das Ziel des umfangreichen Freizeitangebotes, das das Unternehmen organisiert. Silke Burger leitet den eigens gegründeten Bereich Human Ressources:

    "Wir bezeichnen uns auch als die große Burger-Familie. Ich denke, das macht es einfach aus für uns. Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen. Wir leben den Slogan: Der Mitarbeiter steht im Mittelpunkt. Das ist bei uns etwas ganz Wichtiges. Wir wissen, dass jeder, egal welche Funktionen er wahrnimmt, enorm wichtig ist für uns. Und das macht die Burger-Familie einfach aus."

    Ein ungewöhnlicher Weg der Mitarbeiterführung für ein mittelständisches Unternehmen, der sich aber rechnet:

    "Das motiviert ja jeden Einzelnen. Ich brauche die persönliche Leistungen, gute Leistungen. Was beflügelt denn mehr, wenn ich das persönliche Gespräch zu den Mitarbeitern suche. Wenn ich weis, was in der Familie gerade für Probleme auftreten. Dann fühlt sich doch der Mitarbeiter motiviert. Das macht doch eine Familie aus."

    Vor allem das umfangreiche Sportangebot wird gerne wahrgenommen. Dabei geht es nicht nur um Motivation. Stephanie Kern hat Sportwissenschaften studiert - und organisiert nun als feste Mitarbeiterin der Burgergruppe unter anderem das Fitness-Programm für die Belegschaft.

    "Allerdings gibt es viele Studien, die langfristig belegen, dass Ausfallzeiten minimiert werden können. Produktiver gearbeitet wird, die Zusammenarbeit besser ist, das Teamwork besser ist und es dann auch wirtschaftlich wirklich lukrativ ist für die Firma."

    So innovativ diese Elemente auch sein mögen, so traditionsbehaftet ist die Unternehmensgeschichte der Burger-Gruppe. Alles begann vor 154 Jahren als typische Firmengründung im Schwarzwald.

    "Das Unternehmen wurde 1856 gegründet im Keller eines Bauernhauses in Schonach. Wir haben Uhrenbestandteile im Sandguss hergestellt. Das sind zum einen die Schottenuhren und zum anderen natürlich die Kuckucksuhren."

    Insofern, weiß Thoma Burger als geschäftsführender Gesellschafter, begann die Geschichte des Unternehmens wie die vieler traditioneller Schwarzwälder Betriebe. Thomas Burger führt das Familienunternehmen bereits in der sechsten Generation. Bereits seine Vorfahren hatten rechtzeitig erkannt, dass dem Kuckucksuhrenbau an sich irgendwann einmal das Stündlein schlagen würde. Rechtzeitig weitete die Familie die Produktpalette aus. Heute verlassen Getriebekomponenten aus Stahl und Kunststoff für alle nur denkbaren Anwendungen die Schonacher Werkhallen: Burger-Entwicklungen finden sich in Kaffeemaschinen ebenso wie in Staubsaugern; 40 Prozent des Jahresumsatzes von rund 80 Millionen Euro entfallen auf Komponenten für den Automobilbau. Auch Werke für Kuckuksuhren verlassen bis heute das Unternehmen. Dass sich die Unternehmensleitung so sehr um die Mitarbeiter sorgt, hat neben der Motivation noch einen weiteren Grund. Schon in zehn Jahren werde man von einem Mangel an zuverlässigen, gut ausgebildeten Arbeitskräften sprechen, glaubt der Unternehmenschef. Er sorgt deshalb vor,

    "indem wir mit einer hohen Ausbildungsquote von 15 Prozent im Rahmen des kommenden demografischen Wandels hier rechtzeitig schauen, dass unsere Belegschaft in Zukunft gesichert ist."

    Nur wenn sich die Mitarbeiter wohlfühlen, bleiben sie dem Unternehmen über Jahre hinweg erhalten. Das ist Burgers Unternehmensphilosophie.

    Das wirkt auch in das Ausbildungskonzept hinein. Vom ersten Tag an lernen die Auszubildenden, sich selbstständig zu organisieren - nicht nur im Werk selbst, sondern auch in einem Holzschopf gleich nebenan. Tobias Haberstroh, Auszubildender für Kunststoff- und Kautschuktechnik, streichelt eines der zehn Schafe, die hier untergebracht sind:

    "Wir sind hier im eigenen Schafstall zurzeit. Wir kümmern uns um die Schafe, wir füttern sie, wie besorgen das Heu, wie sorgen, dass die Zäune intakt sind, wir streicheln sie natürlich, wir pflegen sie natürlich, dass es denen einfach an nichts fehlt hier."

    Das sind eigentlich ungewöhnliche Tätigkeiten für einen Auszubildenden, der normalerweise an Plastikzahnrädern und Kunststoffgehäusen arbeitet. Und dennoch: Die Azubis lernen so manches im Umgang mit den Schafen:

    "Erstens der Gruppenzusammenhalt, sich um ein anderes Lebewesen zu kümmern. Ich denke, es ist einfach mal der Zusammenhalt sich um etwas anderes zu kümmern."

    Fertigkeiten, die später auch im Berufsalltag wichtig sind. Trotz eines krisenbedingten Umsatzrückgangs um rund 25 Prozent im vergangenen Jahr sieht sich die Burger-Gruppe gut aufgestellt. Das wichtigste Kapital, heißt es, seien die Mitarbeiter. Und die sollen auch in Zukunft motiviert bleiben. Deshalb sind an dem umfangreichen Sport- und Freizeitprogramm keinerlei Abstriche geplant.