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Musterknabe unter den Beitrittsländer: Slowenien

Heinlein: Ein Kandidat mit Bestnoten. Slowenien ist ohne Zweifel der Musterknabe unter den EU-Beitrittskandidaten. Das kleine Land von der Größe Hessens gilt als wirtschaftlich und politisch stabil, die Mehrheit der rund zwei Millionen Einwohner stimmte im Frühjahr für den EU-Beitritt. Zielstrebig marschierte der Balkanstaat seit seiner Unabhängigkeit 1991 in Richtung Brüssel. Heute hat Slowenien Länder wie Griechenland oder Portugal wirtschaftlich bereits überholt. Als Brücke zum Balkan will die Regierung in Ljubljana ab dem kommenden Jahr innerhalb der EU seine Rolle finden, über die ich jetzt mit dem slowenischen Botschafter in Deutschland, Ivo Vajgl, sprechen will. Guten Morgen nach Berlin!

    Vajgl: Guten Morgen!

    Heinlein: Herr Botschafter, ist der EU-Beitritt für Ihr Land eine Selbstverständlichkeit?

    Vajgl: Es ist eine Selbstverständlichkeit. Wir haben uns seit vielen Jahren darauf vorbereitet. Und wir fühlen uns eigentlich schon, als ob wir volle Mitglieder der EU wären.

    Heinlein: Wie europäisch ist Slowenien?

    Vajgl: Ich würde sagen, wir sind vollkommen europäisch. Wir sind seit eh und je kulturell total in Westeuropa integriert gewesen. Und wir sind auch wirtschaftlich integriert worden. Wir hatten schon im ehemaligen Jugoslawien eine bescheidene Freiheit, um unsere eigenen Charakteristika zu entwickeln, besonders im wirtschaftlichen Bereich. So haben wir beim Zerfall Jugoslawiens 1991 schon zwischen 60 und 70 Prozent unseres Außenhandels mit der EU gehabt.

    Heinlein: Wie stark grenzt denn der EU-Beitritt Ihres Landes Slowenien von den anderen Balkanländern ab, etwa von Kroatien, das ja vorerst nicht zur Europäischen Union gehören wird?

    Vajgl: Wir sind natürlich daran interessiert, dass alle Länder des ehemaligen Jugoslawien so bald wie möglich in die EU eintreten können und sich völlig im euro-atlantischen Raum integrieren. Natürlich muss jeder für sich seine Hausaufgaben machen, das heißt dem Acquis communautaire entsprechen. Da sind die Unterschiede natürlich schon wesentlich, besonders im wirtschaftlichen Bereich.

    Heinlein: Könnte Slowenien so etwas wie der Geburtshelfer für einen EU-Beitritt Kroatiens sein?

    Vajgl: Auf alle Fälle werden wir Kroatien hundertprozentig unterstützen. Das ist unser guter Nachbar. Das ist unser höchstes wirtschaftliches, politisches, sicherheitspolitisches und sonstiges Interesse. Ja, wir werden uns als Kroatiens Anwalt zeigen. Und ich bin auch persönlich überzeugt, dass Kroatien vielleicht sogar mehr als einige Länder, die schon ihr Beitrittsdatum gekriegt haben, darauf einen Anspruch hat.

    Heinlein: Sie haben es erwähnt, Herr Botschafter. Slowenien war schon immer recht wohlhabend, auch zu jugoslawischen Zeiten. Glauben Sie denn, dass nun in der EU ab dem kommenden Jahr Ihr Land diesen Wohlstand auch in Zukunft wird halten können?

    Vajgl: Da bin ich mir sicher. Wir erleben in den letzten paar Jahren eine Umstrukturierung der Wirtschaft, die manchmal aussieht wie ein kleines Wunder, nämlich eine Umstellung im Sinne eines stärkeren Mittelstands und stärkeren Services. Wir haben schon jetzt nur etwa dreißig Prozent von unserem Bruttosozialprodukt aus der Industrie, sonst sind das Dienstleistungen. Und es geht weiter so. Wir haben nur drei Prozent Landwirtschaft. Wir haben keine großen Firmen, die umzustrukturieren sind. Wir haben eine lebendige Wirtschaft, ein ständiges Wirtschaftswachstum von über drei Prozent über eine Periode von zehn Jahren. Wir haben derzeit ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent, eine Arbeitslosenquote von sechs Prozent, also eine durchaus dynamische Wirtschaft. Wir sind aber natürlich abhängig davon, wie es in Europa steht, besonders in Deutschland.

    Heinlein: Dennoch diese Umstrukturierungen, die Sie erwähnt haben, gehen ja manchen in der EU-Kommission zu langsam. Slowenien behindere ausländische Investoren, so heißt es ja in Brüssel, und privatisiere zu langsam. Ist das eine bewusste Strategie Ihrer Regierung?

    Vajgl: Das war durchaus eine bewusste Strategie. Und es sind mehr und mehr Experten, die uns Recht geben. Wir hatten in diesen zehn Jahren eigentlich keine Turbulenzen gehabt, keine großen ausländischen Fehlinvestitionen. Wir haben nicht mit spekulativem Kapital gelockt. Es hat sich gelohnt, ein bisschen geduldig zu sein. Und letzten Endes haben uns die Experten und Politiker den großen Vorwurf gemacht, die aus Ländern kommen, die eigentlich schon jetzt einen größeren Anteil an staatlicher Wirtschaft haben als wir.

    Heinlein: Haben Sie Sorge vor dem Ausverkauf der heimischen Wirtschaft?

    Vajgl: Nicht mehr. Wir haben jetzt schon ziemlich starke einheimische kapitalfähige und investitionsfähige Unternehmen. Und deswegen ist jetzt jede ausländische Investition willkommen. Wir würden uns mehr wünschen, wir würden uns auch mehr deutsche Investitionen wünschen.

    Heinlein: Das war der slowenische Botschafter in Deutschland, Ivo Vajgl. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!

    Vajgl: Auf Wiederhören! Danke Ihnen!

    Link: Interview als RealAudio