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Mutprobe Vater

Burgwinkel: "Kluge Frauen kriegen keine Kinder", das war einmal Thema einer Samstagssendung bei uns mit ausgesprochen vielen interessanten Höreranrufen, vorwiegend Frauen, die sich bewusst für oder gegen Kinder entschieden hatten. Die Männer, also die potenziellen Väter, die blieben außen vor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat genau diese wieder hereingeholt in die Diskussion. Leiter der Väterstudie des DIW ist der Diplompsychologe Christian Schmitt. Guten Tag nach Berlin.

Moderation: Ulrike Burgwinkel |
    Schmitt: Hallo!

    Burgwinkel: Zum Kinderkriegen gehören ja immer noch zwei, also wo bleiben denn die Väter?

    Schmitt: Bei den Männern haben wir uns unter anderem verschiedene sozialstrukturelle Variablen angeguckt, auch das Bildungsniveau. Und da sieht es auch ähnlich aus, nämlich dass Männer mit einem höheren Bildungsniveau eher seltener, beziehungsweise auch deutlich später Kinder bekommen. Das liegt zum einen daran, dass ja die Ausbildung länger dauert und dass erst diese Ausbildungsposition in den Beruf übertragen werden muss, sprich: Häufig wollen dann die Väter erst eine berufliche Etablierung haben, um dann später eine Familie gründen zu können. Wir haben uns aber auch die Männer über 45 angeguckt. Dazu eine kurze Exkursion. Diese Trennung zwischen 45 haben wir deswegen vorgenommen, weil wir gesehen haben, nach dem Alter von 45 werden kaum noch Kinder geboren. Das gilt sowohl für die Frauen als auch für die Männer. Das fanden wir insofern etwas überraschend, als ja dieses Klischee gilt, dass Männer auch bis ins hohe Alter Kinder zeugen können. Aber tatsächlich ist es so, dass ja diese Männer auch in den meisten Fällen eine Partnerin haben, und die ist in den meisten Fällen nur wenige Jahre jünger bis genauso alt. Also ist es auch an die Reproduktionsfähigkeit der Partnerin geknüpft. Soviel zu dieser Trennung zwischen den Jungen und den Alten. Wir haben uns dann die Jungen wie die Alten angeguckt und da gilt es nach wie vor, dass Männer mit höherem Bildungsniveau eher seltener Väter werden.

    Burgwinkel: Das kann man eindeutig als Tendenz feststellen?

    Schmitt: Das kann man als Tendenz feststellen. Wobei wir das sehr überraschend fanden, wenn es um sehr hohes Bildungsniveau geht, also Hochschulabschluss, dann unterscheiden sich die zumindest heute Älteren kaum von den anderen.

    Burgwinkel: Wir haben jetzt schon gesprochen, Sie haben gesprochen vom Alter, vom Ausbildungsstand. Wie sieht es denn aus mit dem ökonomischen Status?

    Schmitt: Da haben wir einen ähnlichen Zusammenhang wie bei der Bildung festgestellt, dass nämlich Personen aus Haushalten mit einem sehr hohen Einkommen eher seltener zu den Eltern gehören. Das heißt: Je höher das Einkommen, um es mal auf eine einfache Formel zu bringen, desto seltener sind Kinder im Haushalt vorhanden. Das deutet zum einen darauf hin, dass wir erst mal eine grundsätzliche ökonomische Absicherung brauchen, um überhaupt eine Familie zu gründen. Es ist so relativ nahe liegend, aber die Zahlen sind schon sehr deutlich bei den Personen mit sehr niedrigem Einkommen. Das liegt aber natürlich auch daran, dass wir hier vielfach Personen finden, die einfach noch sehr jung sind und in der Ausbildung stecken, deswegen kein Einkommen haben. Wenn wir uns den anderen Rand angucken, dann haben wir Leute, die natürlich eine sehr gute Ausbildung haben, deswegen sehr gut verdienen und deswegen auch unter Umständen noch keine Kinder bekommen haben.

    Burgwinkel: Wenn man jetzt unsere Rentendiskussion im Hinterkopf hat und die ganzen Werbesprüche von wegen Deutschland braucht wieder mehr Kinder, können Sie aufgrund Ihrer Ergebnisse vielleicht Vorschläge machen, wie man die Männer dazu kriegen könnte?

    Schmitt: Aufgrund unserer Zahlen da etwas abzuleiten, ist natürlich sehr schwer. Vielleicht ein Hinweis: Wir konnten sehen, dass zwischen Ost und West sich die Geburtenrate offensichtlich langsam angleicht. Das heißt, wir hatten ja im Osten bis zur Wende eine sehr hohe Geburtenrate und auch eine relativ niedrige Kinderlosigkeit bei den Vätern, also im Vergleich zu den Vätern im Westen vorher. Die hat sich nach der Wende jetzt in den letzten Jahren angeglichen, bei den Älteren merkt man das kaum, bei den Jüngeren, insbesondere bei der Altersgruppe zwischen 20 und 25 und 25 und 30 merken wir, dass eine praktisch identische Angleichung zwischen Ost und West stattfindet was den Anteil an kinderlosen Männer angeht. Da ist es natürlich nahe liegend, dass wir auf der einen Seite generell die ökonomische Situation betrachten, also wir haben gerade im Osten einen sehr angespannten Arbeitsmarkt, das heißt, es fällt den Vätern, ja insbesondere den Vätern, sehr schwer, irgendwie sich für eine Familie zu entscheiden, einfach weil die ökonomische Absicherung unsicher ist. Das ist eine Sache, da kann die Politik, denke ich, direkt wenig machen, denn ein unsicherer Arbeitsmarkt, das ist eine Lage, die haben wir seit Jahren. Und erst einmal direkt da anzusetzen ist sehr schwierig, das kann nur über Umwege erfolgen. Zum anderen hatten wir natürlich bis zur Wende im Osten, um dieses Beispiel weiter aufzugreifen, auch einen sehr hohen Anteil an Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Vermutung liegt nahe, dass das auch ein Grund ist, warum sich dann immer weniger Paare für Kinder entscheiden.

    Burgwinkel: Vielen Dank für die Informationen. Christian Schmitt war das, Leiter der Väterstudie des Deutschen Wirtschaftsinstitutes in Berlin.