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Myanmar vor der Parlamentswahl
Hoffnung und Verzweiflung

Rund 30 Millionen Menschen in Myanmar sind aufgerufen, am 8. November ein neues Parlament zu wählen. Beobachter rechnen mit einem Sieg von Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die für ein gerechteres Myanmar eintritt. Für eine Gruppe gelten ihre Versprechen jedoch nicht: die muslimische Minderheit.

Von Udo Schmidt | 07.11.2015
    Aung San Suu Kyi steht vor vielen Mikrofonen.
    Aung San Suu Kyi gilt als Favoritin bei der morgigen Parlamentswahl in Myanmar. (picture alliance / dpa / Saw Phoe Kwar)
    Rikschafahrer suchen Kunden, Zigarrenverkäufer bieten Selbstgerolltes an, Gemüse und Obst werden verkauft. Am Fähranleger von Rangun spielt sich das laute und bunte Leben der Metropole Myanmars ab, das auch während der Jahrzehnte der Militärdiktatur nie aufhörte und sich bisher nicht groß geändert hat.
    Jeden Morgen wechseln Tausende mit der Fähre die Flussseiten, um in der Metropole Rangun zu arbeiten – in der zu wohnen sie sich nicht leisten können. Sameth verkauft Zeitungen auf der Fähre, die Titelseite des Wochenmagazins "7 Days News" ist voll mit Fotos von Wahlkundgebungen – grüne Kleidung tragen die Unterstützer der Regierungspartei – rot die Anhänger Aung San Suu Kyis. Rot überwiegt auf allen Titelblättern. Aber die Zeitungen verkaufen sich nicht sehr gut, klagt der 27-Jährige:
    "Es geht meistens um Aung San Suu Kyi, aber es steht im Moment jeden Tag das Gleiche in der Zeitung."
    Erwarteter Wahlsieg
    Die Nationale Liga für Demokratie, die Partei Aung San Suu Kyis, wird gewinnen, das erwarten alle in Myanmar, die Frage ist nur noch, wie deutlich der Wahlsieg ausfallen wird.
    Die NLD braucht 67 Prozent der Wählerstimmen, um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen, denn in diesem Parlament sind 25 Prozent der Mandate automatisch an das Militär vergeben. Daher auch ist die – noch - regierende Union für Solidarität und Entwicklung von Präsident Thein Sein weniger verzweifelt, als sie eigentlich sein müsste. Die Regierungs-Anhänger feiern:
    "Die USDP hat dem Land bisher so gutgetan, es gab so viel Entwicklung, es wird so weitergehen."
    Und USDP-Parlamentskandidat U Soe Min Than gibt sich zuversichtlich:
    "Natürlich mögen alle Aung San Suu Kyi, deswegen haben wir die Nachwahlen 2012 verloren, aber jetzt haben die Menschen gemerkt, was wir schon alles für das Land getan haben, das sagen uns Umfragen, die wir gemacht haben."
    Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin, Oppositionsführerin und die unangefochtene Lichtgestalt der Demokratisierung Myanmars ficht das nicht an. Sie sieht sich mit viel Rückenwind ausgestattet – und dass die Verfassung ihr verbietet, Präsidentin zu werden, macht sie nicht zu ihrem Problem:
    "Ich werde die Regierung führen und wir werden einen Präsidenten haben, der im Sinne der Nationalen Liga für Demokratie entscheidet."
    Ein bedenkliches Zeichen
    Sie wird die Fäden ziehen, erklärt Daw Suu, in welchem Amt auch immer. Und sie wird niemand über sich dulden – auch keinen Präsidenten.
    Dann soll alles anders werden im Land, verspricht die 70-Jährige. Das Stadt-Land-Gefälle etwa müsse sich wieder ändern, das U Eh Thei, ihr Büroleiter in ihrem Wahlbezirk Khawmu beschreibt:
    "Rangun ist entwickelt worden, weil dort alle Entscheidungsträger leben. Wir werden an alle Menschen im Land denken und Politik machen."
    Nur bei einem Problem Myanmars, derzeit das für die Demokratisierung des Landes vielleicht größte Problem, gibt sich Aung San Suu Kyi ungewöhnlich zurückhaltend. Wenn es um die Unterdrückung der muslimischen Minderheit im Land geht, dann wird die Lady, wie sie in Myanmar genannt wird, schmallippig.
    Muslimische Listenkandidaten ihrer Nationalen Liga mussten zurücktreten, um die Wahlchancen ihrer Partei nicht zu schmälern. Die Friedensnobelpreisträgerin setzt damit das bedenkliche Zeichen, Verständnis für die radikalen Buddhisten zu haben, die gewalttätig gegen Muslime im Land vorgehen. Trotzdem haben Ex-Kandidaten wie etwa der Muslim Si Thu Mg Verständnis:
    "Aung San Suu Kyi hat viele Probleme im Wahlkampf, würde sie sich für die Muslime einsetzen, dann würden sich viele Buddhisten geradezu auf sie stürzen. Aber nach der Wahl wird eine NLD-Regierung nicht zulassen, dass wir Muslime weiter verfolgt werden."
    Ein besorgniserregendes Bild
    Gerade wenn es um die Rohingyas geht, die staatenlose und massiv verfolgte muslimische Minderheit im Westen des Landes, gibt die Oppositionsführerin, die doch als Kämpferin für die Menschenrechte gilt, ein besorgniserregendes Bild ab:
    "Wir sollten unsere Probleme nicht übertreiben, auch nicht das Problem der Rohingyas. Ich will damit nicht sagen, dass es ein kleines Problem ist. Ich verspreche, dass nach der Wahl alle im Land gemäß der Menschenrechtsbestimmungen werden leben können."
    Die Aussöhnung im Land bringt Aung San Siu Kyi, die Demokratie-Ikone, so nicht voran, wohl aber ihren Wahlsieg.
    Also wird gefeiert, während der vielen Demonstrationen für die Nationale Liga, immer mit überlebensgroßen Figuren Aung San Suu Kyis und ihres Vaters, General Aung San, der vielleicht die Garantie dafür darstellt, dass die Armee bei einer Wahlniederlage der Regierung des jetzigen Präsidenten Thein Seins in den Kasernen bleibt und der neuen Frau an der Spitze folgt.