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Mykorrhiza-Pilze
Pilze beeinflussen weit abgelegene Ökosysteme

Um an Wasser und Nährstoffe zu kommen, nehmen viele Pflanzen die Dienste von Pilzen in Anspruch. Mykorrhiza heißt diese Form der Symbiose. In manchen Regionen setzen 90 Prozent aller Pflanzen darauf, auf abgelegenen Inseln dagegen kaum. Ökologische Einwanderer profitieren von diesem Mangel.

Von Lucian Haas | 28.03.2019
Die Biologin Camille Delavaux von der University of Kansas hat ihre Forschung ganz auf eine besondere Symbiose von Pflanzen und Pilzen ausgerichtet: die Mykorrhiza.
"Die einfachste Form Mykorrhiza zu erklären besteht darin, das Wort in seine Bestandteile zu zerlegen. Myko steht für Pilz und Rhiza für Wurzeln. Es handelt sich also um Pilze, die in Wurzeln leben. Bei 80 bis 90 Prozent der Pflanzen auf der Erde ist das so. Die Pilze dienen als eine Art Erweiterung des Wurzelsystems. Sie schaffen Nährstoffe und Wasser heran und bekommt von der Pflanze im Ausgleich Zucker, also Energie."
Dank Pilzen kommen Wurzeln leichter an Nährstoffe
Mykorrhiza-Pilze gibt es in einer großen Vielfalt. Die ist aber, ähnlich wie bei Pflanzen, ungleich auf der Erde verteilt. Das liegt unter anderem am Klima. In den warmen Tropen ist die Vielfalt am größten. Zu den kalten Polen hin nimmt sie dann immer weiter ab. Camille Delavaux fand kürzlich allerdings eine Ausnahme dieser Regel: Auf abgelegenen Inseln, auch in den Tropen, gibt es auffallend wenige Mykorrhiza. Die heimischen Pflanzenarten der Inseln kommen weitgehend ohne die Symbiose aus, erklärt die Forscherin:
"Wenn eine Insel Hunderte Kilometer entfernt vor einer Küste liegt, ist es für die Pilze sehr schwer, dorthin zu gelangen. Die Pflanzen kommen als Samen dorthin, sie werden von Vögeln oder dem Wind verfrachtet. Das geschieht aber ohne Boden und den darin enthaltenen Pilzen. Pflanzen, die normalerweise auf Mykorrhiza angewiesen sind, fehlt dann der Symbiosepartner. So reduziert sich auf den Inseln der Anteil der Pflanzenarten mit Mykorrhiza."
Pflanzensamen reisen oft weit - Pilze nicht
Interessant ist diese Erkenntnis, weil sie klassische Vorstellungen zur biogeographischen Verteilung der Pflanzen erweitert. Bisher haben Biologen vor allem abiotischen Faktoren wie Temperatur, Tageslänge, Feuchtigkeit oder den Breitengrad auf der Erde einen Einfluss auf die Verbreitung von Pflanzenarten in der Welt zugeschrieben. Offenbar spielt aber auch die Anwesenheit von Mykorrhiza-Pilzen eine prägende Rolle. Wo diese Pilze fehlen, kommen auch manche Pflanzenarten gar nicht vor.
Camille Delavaux geht nun in Experimenten der Frage nach: Was passiert auf Inseln, wenn dort Mykorrhiza-Pilze eingeführt werden – etwa durch den Menschen, der Pflanzen mitsamt Erde und enthaltener Pilze importiert, um sie dort anzubauen: "Meine Lieblingsfrage ist, wie die heimische Inselflora auf die Pilze reagiert? Beginnen die lokalen Pflanzenarten, die Vorteile der Pilze für sich nutzen, oder wie sieht ihre Zukunft aus?"
Haben Pflanzen ohne Mykorrhiza das Nachsehen?
Camille Delavaux rechnet damit: Schaffen es heimische Pflanzen nicht, Mykorrhiza-Pilze für sich zu nutzen, könnten sie in Konkurrenz mit eingeführten Pflanzenarten, denen Mykorrhiza Vorteile bringen, den Kürzeren ziehen. Zum Schutz der Inseln vor invasiven Arten wäre es demnach wichtig, auch die Mykorrhiza im Blick zu behalten.