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Mystisches Verständnis von Gottesgnadentum

Im Oktober 1840 trat Friedrich Wilhelm IV. sein Amt als preußischer König an. Er war maßgeblich an dem Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft beteiligt. Den deutschen Einigungs- und Demokratiebestrebungen im Zuge der Märzrevolution 1848 wurde er jedoch nicht gerecht. Am 2. Januar 1861 starb er in Potsdam.

Von Manuel Erbenich | 02.01.2011
    "Die Revolution ist das Aufheben der göttlichen Ordnung, das Verachten, das Beseitigen der rechten Obrigkeit, sie lebt und atmet ihren Todeshauch, so lange unten oben und oben unten ist",

    schrieb Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen 1849. Die blutige Niederschlagung der Märzrevolution im Vorjahr durch das preußische Militär und die damit verbundenen politischen Unruhen waren Friedrich Wilhelm zuwider. Zum einen versetzte ihn das Ereignis zurück in seine Kindheit. Nach der schweren Niederlage gegen Napoleon in Jena und Auerstedt musste die königliche Familie 1806 nach Memel in Ostpreußen fliehen. Für den jungen Thronfolger ein Erlebnis, das eine lebenslange Abscheu gegen Politik und alles Militärische zur Folge haben sollte. Zum anderen sah er in der revolutionären Bewegung einen direkten Angriff auf sein "Gottesgnadentum", denn er verstand sich in geradezu mystischer Weise als ein von Gott eingesetzter Herrscher. Kurz vor seiner Inthronisation 1840 sprach er zu den Ständen der Ritterschaft:

    "Ich weiß zwar, und ich bekenne es, dass ich meine Krone von Gott allein habe, und dass es mir wohl ansteht zu sprechen: Wehe dem, der sie anrührt!"

    Friedrich Wilhelm wurde am 15. Oktober 1795 als ältester Sohn des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm III. von Preußen in Berlin geboren. Schon als Kind neigte er zu starken Emotionsschwankungen und ließ sich nur widerwillig belehren. Sein Erzieher, der konservative Theologe und Philosoph Jean Pierre Frédéric Ancillon, der sein politisches und religiöses Denken entscheidend beeinflusste, ermahnte ihn in einem Brief:

    "Sie haben die Neigung, sich ausschließlich, wenn Sie sich selbst bestimmen, nur mit der Kunst und namentlich mit dem ewigen Zeichnen zu beschäftigen."

    Friedrich Wilhelm beherrschte mehrere Fremdsprachen fließend und zeigte ein leidenschaftliches Interesse an Kunst und Architektur. Er zeichnete und schwärmte für die Literatur der Romantik, schrieb selbst einen eigenen autobiografischen Briefroman und trieb den Bau des Kölner Doms entschieden voran.

    Mit seinem Amtsantritt waren große Erwartungen verbunden: Die Bevölkerung hoffte auf eine der Zeit angemessene Liberalisierung. Anfangs schien der König diese Hoffnung auch zu erfüllen. 1847 berief er erstmals nach langem Zögern den "Vereinigten Landtag", um gemeinsam über den Bau einer überregionalen Eisenbahnstrecke abzustimmen. Die versammelten Landesstände sahen ihre Chance, betrachteten sich als neue konstitutionelle Versammlung und forderten ein regelmäßiges Versammlungsrecht. Doch Friedrich Wilhelm ließ die Delegierten bereits in seiner Eröffnungsrede wissen:

    "dass ich es nun und nimmermehr zugeben werde, dass sich zwischen unsern Herr Gott im Himmel und dieses Land ein beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung eindränge, um uns mit seinen Paragrafen zu regieren und durch sie die alte, heilige Treue zu ersetzen."

    Doch die Forderungen nach politischer Mitbestimmung, einer Verfassung und einem einheitlichen Nationalstaat wurden in den Folgemonaten lauter und gipfelten auch in Berlin in den blutigen Aufständen der Märzrevolution. Danach verstrich ein halbes Jahr bis Friedrich Wilhelm IV. dem Volk die geforderte Verfassung gewährte – eine gemeinsam mit konservativen preußischen Regierungsvertretern oktroyierte Konstitution. Inhaltlich eher ein Rückschritt zu dem ursprünglich von der Frankfurter Nationalversammlung geforderten Entwurf, wies sie dennoch fortschrittliche Elemente, wie etwa die Verankerung der Bürgerrechte, auf. Die politische Vormachtstellung Friedrich Wilhelms blieb darin nahezu unangetastet, dennoch verabscheute er sie zutiefst. In einem Brief an Kaiser Franz Joseph schrieb er:

    "eine miserable, französisch moderne Constituzion zu beschwören Nun; es ist geschehen und mein Wort ist mir heilig und ich brech´ es nicht."

    Nach langer Krankheit starb Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen am 2. Januar 1861 in Potsdam. Als sein Bruder Wilhelm I., der spätere erste deutsche Kaiser, die Regentschaft übernahm, leistete er einen Eid auf diese Verfassung. Bis zum Ende des Deutschen Kaiserreiches 1918 sollte sie in Kraft bleiben.