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Mythen über München

Regelmäßig führt Christopher Weidner Menschen durch München und erzählt dabei die unbekannten Geschichten, die hinter mancher Häuserfassade stecken. Hin und wieder müssen seine Zuhörer einfach die Augen schließen und dem Klang der Stadt lauschen.

Von Andi Hörmann |
    Vor der grau schattierten Rathausfassade mit überbordenden, orange-roten Geranienkästen spielen südländische Straßenmusiker - Kontrabass, Klarinette, Akkordeon. Musik und Architektur - Klangharmonie und Farbkontrast.

    19:20 Uhr, 100 Meter weiter unter dem Torbogen am Alten Rathaus steht Christopher Weidner und befestigt an sein kariertes Hemd einen Clip mit seinem Namen drauf. Allmählich bildet sich eine Menschentraube um ihn herum - Jung und Alt, überwiegend Münchner.

    25 Menschen flanieren an diesem lauen Sommerabend gemeinsam durch die Münchner Altstadt - es wird gelauscht und gestaunt. Seit 2009 erzählt Christopher Weidner bei Wind und Wetter Geschichten über die Geschichte der Stadt.

    ""Irgendwann mal macht man die Augen auf und stellt fest: Hoppla, da sind Symbole, da sind Zeichen. Warum ist da auf einmal der Gott Hermes, warum ist da die Aphrodite auf dem Brunnen? Und auf einmal steht man da und stellt fest, dass es ja wahnsinnig spannend ist, durch die Stadt zu laufen und sie wie ein Bilderbuch zu betrachten."

    Die Dekoration wird zum Symbol. Der Götterbote Hermes gilt als Gott der Kaufleute aber auch der Diebe und findet sich oftmals an Bankgebäuden. Christopher Weidner verwebt historische Fakten mit fantasievollen Storys: Sagen, Märchen, Legenden beziehen sich auf Skulpturen, Ornamente und Wandbilder. Seine Rundgänge nennt er "Mystisches München - Unterwegs zu den Geheimnissen der Stadt".

    "Vom Wortlaut her heißt ´mystisch` ja eigentlich ´mit geschlossenen Augen sehen` - so kann man das ungefähr übersetzen. Etwas wahrnehmen, ohne dem Bewusstsein wirklich hinzublicken."

    Mit geschlossen Augen weckt der Klang der Münchner Altstadt profane Bilder des Alltags: Rikschas stehen am Straßenrand, Touristen schlendern durch die Fußgängerzone, Stadtbusse bahnen sich im Schritttempo einen Weg durch die Menschenmassen.

    In einem Puzzlespiel der Fantasie verschmelzen Topografie und Emotion. Vielleicht schafft aber schon jeder Stadtspaziergang mit Musik eine mystische Verbindung von Geschichte und Geschichten, Architektur und Biografie. Kopfhörer auf die Ohren - die Augen auf, die Sinne geschärft.

    "Auf alle Fälle ging es dem Löwen gar nicht gut, denn der Drache, mit seinen spitzen Klauen, hatte ihm schon ordentlich zugesetzt. Und was hat Heinrich der Löwe gemacht..."

    Christopher Weidner deutet auf Steinskulpturen an einer Hausfassaden: Heinrich der Löwe, der mit seiner Handelsroute den Grundstein für den Standort der Stadt legte. Neugierig und erstaunt folgen die Leute seinen Mythen über München - auf den Gesichtern und in den Augen spiegelt sich ihre lebendige Fantasie.

    "Der Teufel hatte natürlich die Münchner besonders gerne, weil die andauernd Kirchen gebaut haben..."

    Hier ein Teufel, da ein Drache. Etwas Augenzwinkern, etwas Effekthascherei. Humor und Esoterik. Das "mystische München" von Christopher Weidner ist mal rätselhaft, mal spirituell, immer aber geheimnisvoll.

    "Es gibt ein paar Häuser in München, deren Symbolik ich bis heute noch nicht komplett entschlüsseln konnte, weil einfach nicht klar ist, wer das gebaut hat. Das hängt immer ganz eng damit zusammen. Das bezieht sich vor allem auf Symbolik in Richtung Geheimgesellschaften."