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Mythos heute

Für die sommerlichen Festspiele der Bayerischen Staatsoper hat der amerikanische Komponist Jay Schwarz eine Tondichtung nach Ovid vorgelegt: "Narcissus und Echo". Die mythische Geschichte vom schönen Jüngling Narziss, der auch das Werben der Nymphe Echo ausschlägt, sich zur Strafe in sein eigenes Spiegelbild verliebt, stand auf dem Programm der Münchner Bühne.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Es "mythelt" wieder mal im zeitgenössischen Musiktheater, diesmal bei den sommerlichen Festspielen der Bayerischen Staatsoper. Selbige bestellte beim amerikanischen Tonschöpfer Jay Schwartz eine Ovid-Oper, das Ergebnis heißt "Narcissus und Echo".

    Die Geschichte ist so alt wie bekannt: es geht um den hübschen Jüngling, den Männlein wie Weiblein begehren und der, nach einem eher tragisch-tristen Beinahe-Intermezzo mit der Nymphe Echo, seinem Spiegelbild anheim fällt. Naturgemäß scheitert auch diese radikale Selbstbeziehung, am Ende vergeht, verweht Narcissus und wird stracks zur hübschen Blume, zur Narzisse.

    Jay Schwartz, der seit langem in Köln lebt und regelmäßiger Gast auf den Neue-Musik-Festivals ist, hat keine Oper im eigentlichen Sinne geschrieben, sondern eher eine Klangcollage für Countertenor, Viola, Schlagwerk, Orgel und Glasharmonika. Da wird viel gehaucht, mal melancholisch-zart, mal klagend und dräuend gesungen.

    Immer wieder rumpeln dazu ein paar Schlagzeugakkorde und der Komponist höchst selbst haut in die Orgeltasten. Man hört barocke Zitate, ein wenig Bach und eine zu starke Prise Minimal Music nordamerikanischer Provenienz. Da iteriert die Viola Lamento-Phrasen à la Steve Reich und es gibt auch etwas Autoplay-Rhythmik im Stile von Nancarrow. Meist ist das recht gut gemacht, manchmal indes zu lang und langatmig. Man merkt, dass da ein Komponist sehr von sich und seinem Material überzeugt ist. Richtig übel wird es allerdings bei einer Umtata-Passage, die sich an eine Passacaglia anschließt und doch sehr ans Requiem des Musicalfürsten Andrew Lloyd Webber gemahnt.

    Im Programmheft führt ein kluger Text des Dramaturgen Olaf A. Schmitt durchs Dickicht der Partitur und schlüsselt zahlreiche Zitate, Spiegelungen und Motive auf. Würde man das rund eineinhalbstündige Stück auf die Hälfte eindampfen und konzertant aufführen, es wäre richtig gut. In dieser abendfüllenden Version jedoch enervieren die vielen Wiederholungen und Verkopplungen, daran ändert auch der formidable Countertenor Charles Maxwell wenig.

    Jay Schwartz vertonte nur einige wenige Stellen aus dem Ovid-Original, die oft lang gezogenen, bisweilen regelrecht zerdehnten Kantilenen begleiten meist rau flackernde Viola-Glissandi. Aufgeführt wurde "Narcissus und Echo" in der Allerheiligen Hofkirche, eigentlich ein idealer Ort, könnte man meinen. Leider hat die von jeglicher Musikalität unbeleckte Regisseurin Christiane Pohle eine ebenso unsinnige wie unsinnliche Mischung aus postfeministischer Bedeutungshuberei und hilflosem Herumgestehe inszeniert. Da bewegt ein weiß gekleidetes Frauenensemble große Kästen hin und her, darin allerlei Undurchsichtiges. Man denkt an Putzfrauen, an Krankenschwestern, doch nein, es sind Gärtnerinnen, die dort - weiße - Blumen hegen und pflegen. Zwischenzeitlich konterkarieren sie die Musik durch ein unfassbar dämliches Befindlichkeitsgeschwätz. Und irgendwo rotiert ein mythischer Dichter in seinem Grabe.