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Mythos Italienreise

Italien fungierte von jeher als Traumziel der bildenden Künstler. Jetzt zeigt die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Italienbilder von Künstlern auf Reisen. Der Kuratorin Astrid Reuter gelingt es dabei, das Thema gänzlich aus eigenen Beständen der Kunsthalle zu erzählen.

Von Christian Gampert | 13.09.2010
    Die Italienreise gehörte einst zum Ausbildungsprogramm für Künstler, sogar Goethe wollte dort zum Maler werden; andererseits ist die italienische Landschaft mit ihrem milden Klima und ihrem Licht stets Projektions- und Sehnsuchtsort der Deutschen (und der Franzosen!) gewesen. Die Landschaft steht natürlich auch im Mittelpunkt der Ausstellung, als Naturstudie, als "heroische" oder als (aus Versatzstücken komponierte) Ideallandschaft.

    Man eröffnet gleich effektvoll mit dem "Ausbruch des Vesuv" (vom 14.Mai.1771) von Pierre-Jacques Volaire, man bietet einen luftigen römischen Park von Fragonard und ländliche Idyllen mit Weidevieh von Jakob Philipp Hackert.

    Alles, was Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts an arkadischen Wäldern, Felsenhöhlen und sexuell geheimnisvoll aufgeladenen Neptunsgrotten gemalt und gezeichnet wurde, ist aber zunächst nur Vorspiel zu einer hauseigenen Sonderschau. Herzog Leopold, der Gründer der 1846 eröffneten Karlsruher Kunsthalle, war nämlich selbst vom italienischen Virus befallen; er reiste als junger Mann nach Süden, kaufte Italienbilder und schickte seine Architekten dorthin, wo sie Antike, Renaissance und Barock am besten studieren konnten. Die Bildungsreisen der Karlsruher Architekten sind nun mit vielen Zeichenskizzen im wunderbaren Vorlegesaal dokumentiert; Heinrich Hübsch, der Gründungs-Architekt, bezog sich explizit auf die Antike, und am Eingang der Kunsthalle prangen heute noch zwei Allegorien von Franz Xaver Reich: "Germania" und "Italia".

    Die Ausstellung macht dann einen etwas seltsamen Ausflug zu den Nazarenern, um deren religiös inspirierte Malerei und Julius Schnorrs großformatige Kartonskizzen zu Ariosts "Rasendem Roland" zeigen zu können. Auch diese Arbeiten sind natürlich dem Rom-Tourismus des 19. Jahrhunderts geschuldet; wirklich berührend aber ist in diesem Saal vor allem eine an Raffael geschulte Mariendarstellung von Marie Ellenrieder (von 1824), eine der wenigen Malerinnen dieser Zeit.

    Die eher weltlich orientierten Künstler hatten andere Probleme: Die Franzosen, die mit der schon 1666 gegründeten "Académie de France" in Rom ein Schulungszentrum besaßen, malten zunehmend im Freien und waren mit dicken Malkästen und großen Leinwänden unterwegs. Das irritierte die Deutschen, die säuberlich nur den Skizzenblock zückten. Gemeinsam blieben aber die Motive, wie die Ausstellung eindrucksvoll demonstriert: Johann Wilhelm Schirmers Park-Studien aus der Villa Borghese oder seine Szenen aus der römischen Campagna tauchen auch bei anderen auf, oft aus derselben Perspektive und mit ähnlichem Bildausschnitt. Trotz solcher Wahrnehmungsklischees sind die vor Ort entstandenen Arbeitsskizzen dann oft überzeugender als die Nachbearbeitungen im Atelier.

    Eine schöne Vergleichsreihe gelingt der Ausstellung bei den Porträts: das Modell Nanna Risi wird bei Anselm Feuerbach 1861 erwartungsgemäß zu einer antikisch überhöhten Frauengestalt, während Ferdinand Keller sie als kühlen Rückenakt zeigt und Nathanael Schmitt sie kurz darauf als Frau aus dem Volk sieht. Ein Kabinett mit bunten Genreszenen rundet die von Astrid Reuter kenntnisreich kuratierte Schau ab, die das Kunststück vollbringt, das Thema gänzlich aus eigenen Beständen der Kunsthalle zu erzählen. Das ist keine Verlegenheitslösung, sondern zeigt, welche Schätze in den Depots unserer Museen schlummern. In Zeiten horrender Versicherungssummen werden die handelsüblichen Groß-Retrospektiven immer unerschwinglicher; vielleicht ist die Rückbesinnung auf den eigenen Besitz ganz lehrreich.

    Die Karlsruher Schau jedenfalls macht Lust auf Italien und Carl Blechens "Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco", das zum Coverbild des Katalogs erkoren wurde, vereint mit seiner fast obszön gespreizten und bewaldeten Bergschlucht und einem vor Felsbrocken Reisig sammelnden Männlein fast alle Themen der Ausstellung: das Religiöse, das Sexuelle, die Landschaft und das Soziale.

    Informationen:
    Staatliche Kunsthalle Karlsruhe