Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Nach Afrika eingewandert

Paläontologie. - Dass die Wiege der Menschheit in Afrika gestanden haben muss, vermutete schon Charles Darwin. Doch wo sich die gemeinsamen Vorfahren von Affen und Menschen entwickelt haben, darüber streiten Paläontologen seit Jahrzehnten. Heute berichten französische Forscher im britischen Fachblatt "Nature", dass sie in Libyen 39 Millionen Jahre alte Fossilienfunde gemacht haben, die zwar alte Fragen beantworten können, jedoch eine Reihe neuer aufwerfen.

Von Michael Stang | 28.10.2010
    Jean-Jacques Jaeger ist seinem großen Ziel einen Schritt näher gekommen. Er will den stammesgeschichtlichen und geographischen Ursprung der Affen und damit die Entwicklung der Menschheit klären. In Nordafrika entdeckte der Paläontologe von der französischen Université de Poitiers nun die Fossilien von drei Primatenarten, alle rund 39 Millionen Jahre alt.

    "Wir haben winzige Zähne von kleinen Primaten gefunden, inmitten der Wüste in Libyen. Diese Spezies gehören zu den ersten Primaten. Sie sind die ältesten und primitivsten Vertreter der Affen, die je in Afrika gefunden wurden. Damit haben wir uns an den ganz frühen Beginn der Menschwerdung in Afrika herangetastet."

    Erstaunlich sei auch, dass die nun entdeckten Spezies zu drei verschiedenen Primatenfamilien gehören. Einen solchen Artenreichtum vor knapp 40 Millionen Jahren in Afrika hatte er nicht erwartet, so Jean-Jacques Jaeger.
    "Das ist eine große Überraschung. Zudem sind die Tiere so unglaublich klein. Das bedeutet, dass die ersten Affen alle sehr klein gewesen sein müssen. Erst später, als sie sich in Afrika etabliert hatten, wurden sie allmählich größer."

    Die erwachsenen Vertreter dieser Affen hatten vermutlich ein Körpergewicht von gerade einmal 120 bis 470 Gramm. Peter Andrews haben diese Ergebnisse, die heute im britischen Fachblatt "Nature" vorgestellt werden, nicht überrascht. Der Primatenforscher vom Natural History Museum in London sieht sich damit in seiner seit Jahren gehegten Vermutung bestätigt, welche Lebensweisen diese frühen Affen einst an den Tag legten.

    "Es hängt immer davon ab, welche Nahrung ein Tier zu sich nimmt. Insektenfresser sind immer relativ klein, einfach weil die Nahrung nicht viel Energie hergibt. Von daher deutet alles darauf hin, dass die ersten Affen kleine Insektenfresser waren. Erst später haben sie sich spezialisiert und wurden Früchte- und Pflanzenfresser."

    Zwar wissen die Forscher nun, welche ökologische Nische die ersten Affen besetzten, jedoch bleibt die große Frage, ob deren Ursprung tatsächlich in Afrika liegt. Paläontologe Christophe Soligo vom University College London bezweifelt dies.

    "Ich bin nicht wirklich überrascht. Zwar gibt es nun auch in Afrika langsam immer ältere Funde mit denen wir uns langsam weiter an die Anfänge der Affen herantasten. Vergessen dürfen wir jedoch in dieser Debatte nicht, dass es in Asien Fossilien gibt, die aus dem Beginn des Eozäns stammen."

    Damit klafft zwischen den alten Funden in Asien und den neuen in Afrika eine Fundlücke von mehr als 15 Millionen Jahren. Dadurch wird die Hypothese zunehmend unwahrscheinlicher, dass die Wiege der Affen in Afrika stand. Zwar vermuten einige Forscher, dass es im Norden des schwarzen Kontinents eine große Lücke in der Fossiliengeschichte gegeben haben könnte, die die Abwesenheit dieser Versteinerungen zu klären vermag, wirklich Gehör finden diese Argumente aber jedoch kaum noch. Die Wurzeln der Affen liegen vermutlich in Asien. Dies würden auch die großen Unterschiede im Körperbau der neuen Arten erklären. Die Abspaltung der drei Spezies muss den anatomischen Untersuchungen zufolge schon lange zurückliegen. Daher gehen zunehmend viele Paläontologen wie Soligo davon aus, dass sich diese Primaten erst in Asien entwickelten haben und dann nach Afrika einwanderten. Von dieser Diskussion unberührt bleibt die Frage, ob damit auch die Wiege der Menschheit in Asien gestanden haben könnte, sagt der Co-Autor der Studie Michel Brunet vom College de France in Paris.

    "Eine direkte Ahnenlinie gibt es nicht, wir finden immer nur Hinweise auf stark verzweigte Stammbäume. Vielleicht stammen unsere Funde aus Libyen von den ältesten Vorfahren der Affen, aber sicher ist es kein direkter Vorfahr von uns."

    Bei der ganzen Diskussion dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass solche frühen Entwicklungen der Affen in Bezug auf die Menschwerdung reine Spekulation seien: schließlich lebten auch 20 Millionen Jahre später noch immer die gemeinsamen Vorfahren von Orang-Utan, Schimpanse, Gorilla und Mensch.