Ein mächtiges Fachwerkhaus. Im geöffneten Scheunentor sitzen die Musiker der "Brigachtaler Biergartenmusik" in Kniebundhosen und Trachtenjacken. Davor an Bierbänken mehrere Hundert Zuhörer:
"Wir sind hier in Neuhausen ob Eck. Und das ist eine Veranstaltung, wo es um die solche Werte geht, die konservative Lebensweise, die Musik, das ganze Flair. Es wird gebacken nach alter Väter Sitte. Und da wird man an seine Jugend erinnert, an Werte, die man längst verschüttet geglaubt hat."
Ein Mann, Anfang 60, greift zu seinem halbvollen Bierkrug. Beim Volksmusiktag rund um das baden-württembergische Bauernhausmuseum Neuhausen ob Eck ist für ihn und all die anderen am Biertisch die Welt noch in Ordnung. Doch: Wie lange noch? Als die "Brigtachtaler Biergartenmusik" eine Pause einlegt, darf zwischen dem einen und dem nächsten Bier ein wenig politisiert werden.
"Wir sind nicht ganz so zufrieden. Gut, unsere Angela ist ja schon recht. Aber wie es mit dem Geldverteilen und Geldausgeben gerade läuft – das ist nicht so in meinem Sinne."
Der Mann schaut auf sein Bier. 2 Euro 40 hat das gekostet. Da ist selbst bei einem sparsamen Schwaben noch ein zweites drin. Schön wäre es, findet der Besucher, wenn sich solche Tugenden auch im Bundeskanzleramt herumsprechen würden. Unsere Angela, wie der Mann bemerkt, könne ja als sparsame schwäbische Hausfrau noch durchgehen. Doch für die Regierung insgesamt treffe das nicht mehr zu.
"Ins Ausland wird zu viel abgegeben. Gerade die Eurokrise und so weiter. Da wird einfach zu viel verteilt von der deutschen Seite. Und wo kommt das Geld denn her? Von Baden-Württemberg, von Bayern und von Hessen. Da hat sich’s. Von den anderen kann man ja nichts holen."
Eine ältere Frau gegenüber nickt heftig. Sie trägt eine graue Regenjacke, ist Rentnerin.
"Also ich bin nicht zufrieden. Die Großen werden immer entlastet. Und die Kleinen werden immer belastet. Die Kleinen bittet man immer mehr zur Kasse. Und wenn man sieht, welche großen Industrieunternehmen überhaupt keine Steuern mehr zahlen, ist das eine Unverschämtheit."
Genau dies erfahre sie Monat für Monat - nämlich dann, wenn die kärgliche Rente auf ihr Konto überwiesen wird.
"Auf jeden Fall würde ich sagen, dass die Kleinen, die die kleinen Renten beziehen, bessergestellt werden. Das auf jeden Fall."
Selbst als die Blasmusik wieder zu spielen beginnt, kommt bei der alten Frau keine so rechte Freude auf. Resigniert schaut sie in die Runde, nippt bedächtig an ihrer Apfelschorle. Wenn der Staat nur auf ihre bescheidene Rente noch etwas drauflegen könnte … Ganz anders dagegen jener zupackend wirkende Mann Mitte 40, der in Trachtenjacke und Lederhose vor dem Tisch steht:
"Ich meine, die Kanzlerin find‘ ich schon o.k. Aber das Drumherum – das ist doch unmöglich …"
Der Mann wirkt fast schon zornig, als er fortfährt:
"Nehmen wir als Beispiel die Energiewende. Die Energiewende ist proklamiert worden. Und auf einen Schlag macht man einen Rückzieher. Und das find‘ ich absolut chaotisch. Stromproduktion ist etwas Elementares für unseren Staat, für unsere Gesellschaft. Und wenn man Atomkraftwerke abschaltet, dann muss man Alternativen suchen. Und die Alternativen sind die regenerativen Energien, Sonnenkollektoren, Biogasanlagen, Windkraftanlage, was es sonst noch so gibt. Und wenn man jetzt hört in der Politik, dass die jetzt rückwärts rudern, dann macht mich das unheimlich wütend, auch als Wähler. Und das wird in die Wahlentscheidung irgendwie einfließen."
Längst finden sich auf den Dächern vieler Bauernhöfe im Süden Baden-Württembergs riesige Solarkollektoren; Biogasanlagen brummen munter auch in kleinen Dörfchen vor sich hin. Da können selbst traditionelle CDU-Wähler wie der Mann in der Lederhose nicht verstehen, weshalb die Solarförderung drastisch gekürzt und der weitere Ausbau regenerativer Energien gebremst werden sollen.
"Ich bin eigentlich ein "schwarzer" Wähler. Aber ich bin mit denen nicht verheiratet. Obwohl ich CDU-Mitglied bin, habe ich keine Scheu, nochmals anders zu wählen."
Aus dem geöffneten Scheunentor erklingt volkstümliche Tanzmusik – Anlass genug für die Zuhörer, um sich im Licht der milden Spätsommersonne gegenseitig zuzuprosten. Kirche, Fachwerk, CDU – über Jahrzehnte hinweg waren das für viele im Süden Baden-Württembergs die Steine, aus denen sie ihr Weltbild gebaut haben. Und nun? Für einige hat dieses Weltbild Schrammen abbekommen. Für sie ist die CDU längst nicht mehr konservativ. Schlimm genug, finden viele am Biertisch, dass der Staat gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der traditionellen Ehe in vielen Bereichen gleichstellt. Dass sich etliche CDU-Bundestagsabgeordnete mit Bundesfamilienministerin Schröder an der Spitze nun auch noch für eine steuerliche Gleichstellung starkmachen, schlage dann aber doch dem Fass den Boden aus.
"Für mich ist die Familie immer noch das oberste Maß aller Dinge. Und ich glaube, das macht schon Sinn, das mehr zu stärken als solche Dinge, die jetzt Frau Schröder propagiert. Da halte ich nicht viel davon.
Ich bin derselben Meinung über das Homo. Nicht, dass die nicht zusammenleben dürfen. Aber warum diese Kinder adoptieren können."
Bei diesem Thema redet sich die Frau regelrecht in Rage. Ein Jahr noch bis zur Bundestagswahl: Sollte es bis dahin ernst werden mit der steuerlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und herkömmlichen Paaren, wird sie ihre Konsequenzen daraus ziehen:
"Für mich wär’s dann nicht wählbar."
Trotz des gemeinsamen harmonischen Chorgesangs ein paar Biere später: Viele CDU-Wähler im Süden Baden-Württembergs fürchten um den Verlust klassischer konservativer Werte. Ob sie ihrem Ärger darüber bei der nächsten Bundestagswahl auch auf dem Stimmzettel Luft machen, bleibt die Frage. Denn: Sowohl der Badener als auch der Schwabe gibt sich gerne als "Bruttler". So werden im Süden diejenigen Zeitgenossen genannt, die an allem etwas herumzumäkeln haben. Ob sie deswegen gleich eine andere Partei wählen, ist aber längst noch nicht ausgemacht. Überhaupt, lassen die Besucher an ihren Bierbänken wissen, sei’s dafür ja noch viel zu früh. Und wo ganz harmlos das Röslein auf der Heide besungen wird, sei für Politik ohnehin kein Platz:
"Da darf man richtig mal die Weltpolitik vergessen und Bürger sein und nicht nur immer diese negativen Schlagzeilen hören."
"Wir sind hier in Neuhausen ob Eck. Und das ist eine Veranstaltung, wo es um die solche Werte geht, die konservative Lebensweise, die Musik, das ganze Flair. Es wird gebacken nach alter Väter Sitte. Und da wird man an seine Jugend erinnert, an Werte, die man längst verschüttet geglaubt hat."
Ein Mann, Anfang 60, greift zu seinem halbvollen Bierkrug. Beim Volksmusiktag rund um das baden-württembergische Bauernhausmuseum Neuhausen ob Eck ist für ihn und all die anderen am Biertisch die Welt noch in Ordnung. Doch: Wie lange noch? Als die "Brigtachtaler Biergartenmusik" eine Pause einlegt, darf zwischen dem einen und dem nächsten Bier ein wenig politisiert werden.
"Wir sind nicht ganz so zufrieden. Gut, unsere Angela ist ja schon recht. Aber wie es mit dem Geldverteilen und Geldausgeben gerade läuft – das ist nicht so in meinem Sinne."
Der Mann schaut auf sein Bier. 2 Euro 40 hat das gekostet. Da ist selbst bei einem sparsamen Schwaben noch ein zweites drin. Schön wäre es, findet der Besucher, wenn sich solche Tugenden auch im Bundeskanzleramt herumsprechen würden. Unsere Angela, wie der Mann bemerkt, könne ja als sparsame schwäbische Hausfrau noch durchgehen. Doch für die Regierung insgesamt treffe das nicht mehr zu.
"Ins Ausland wird zu viel abgegeben. Gerade die Eurokrise und so weiter. Da wird einfach zu viel verteilt von der deutschen Seite. Und wo kommt das Geld denn her? Von Baden-Württemberg, von Bayern und von Hessen. Da hat sich’s. Von den anderen kann man ja nichts holen."
Eine ältere Frau gegenüber nickt heftig. Sie trägt eine graue Regenjacke, ist Rentnerin.
"Also ich bin nicht zufrieden. Die Großen werden immer entlastet. Und die Kleinen werden immer belastet. Die Kleinen bittet man immer mehr zur Kasse. Und wenn man sieht, welche großen Industrieunternehmen überhaupt keine Steuern mehr zahlen, ist das eine Unverschämtheit."
Genau dies erfahre sie Monat für Monat - nämlich dann, wenn die kärgliche Rente auf ihr Konto überwiesen wird.
"Auf jeden Fall würde ich sagen, dass die Kleinen, die die kleinen Renten beziehen, bessergestellt werden. Das auf jeden Fall."
Selbst als die Blasmusik wieder zu spielen beginnt, kommt bei der alten Frau keine so rechte Freude auf. Resigniert schaut sie in die Runde, nippt bedächtig an ihrer Apfelschorle. Wenn der Staat nur auf ihre bescheidene Rente noch etwas drauflegen könnte … Ganz anders dagegen jener zupackend wirkende Mann Mitte 40, der in Trachtenjacke und Lederhose vor dem Tisch steht:
"Ich meine, die Kanzlerin find‘ ich schon o.k. Aber das Drumherum – das ist doch unmöglich …"
Der Mann wirkt fast schon zornig, als er fortfährt:
"Nehmen wir als Beispiel die Energiewende. Die Energiewende ist proklamiert worden. Und auf einen Schlag macht man einen Rückzieher. Und das find‘ ich absolut chaotisch. Stromproduktion ist etwas Elementares für unseren Staat, für unsere Gesellschaft. Und wenn man Atomkraftwerke abschaltet, dann muss man Alternativen suchen. Und die Alternativen sind die regenerativen Energien, Sonnenkollektoren, Biogasanlagen, Windkraftanlage, was es sonst noch so gibt. Und wenn man jetzt hört in der Politik, dass die jetzt rückwärts rudern, dann macht mich das unheimlich wütend, auch als Wähler. Und das wird in die Wahlentscheidung irgendwie einfließen."
Längst finden sich auf den Dächern vieler Bauernhöfe im Süden Baden-Württembergs riesige Solarkollektoren; Biogasanlagen brummen munter auch in kleinen Dörfchen vor sich hin. Da können selbst traditionelle CDU-Wähler wie der Mann in der Lederhose nicht verstehen, weshalb die Solarförderung drastisch gekürzt und der weitere Ausbau regenerativer Energien gebremst werden sollen.
"Ich bin eigentlich ein "schwarzer" Wähler. Aber ich bin mit denen nicht verheiratet. Obwohl ich CDU-Mitglied bin, habe ich keine Scheu, nochmals anders zu wählen."
Aus dem geöffneten Scheunentor erklingt volkstümliche Tanzmusik – Anlass genug für die Zuhörer, um sich im Licht der milden Spätsommersonne gegenseitig zuzuprosten. Kirche, Fachwerk, CDU – über Jahrzehnte hinweg waren das für viele im Süden Baden-Württembergs die Steine, aus denen sie ihr Weltbild gebaut haben. Und nun? Für einige hat dieses Weltbild Schrammen abbekommen. Für sie ist die CDU längst nicht mehr konservativ. Schlimm genug, finden viele am Biertisch, dass der Staat gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der traditionellen Ehe in vielen Bereichen gleichstellt. Dass sich etliche CDU-Bundestagsabgeordnete mit Bundesfamilienministerin Schröder an der Spitze nun auch noch für eine steuerliche Gleichstellung starkmachen, schlage dann aber doch dem Fass den Boden aus.
"Für mich ist die Familie immer noch das oberste Maß aller Dinge. Und ich glaube, das macht schon Sinn, das mehr zu stärken als solche Dinge, die jetzt Frau Schröder propagiert. Da halte ich nicht viel davon.
Ich bin derselben Meinung über das Homo. Nicht, dass die nicht zusammenleben dürfen. Aber warum diese Kinder adoptieren können."
Bei diesem Thema redet sich die Frau regelrecht in Rage. Ein Jahr noch bis zur Bundestagswahl: Sollte es bis dahin ernst werden mit der steuerlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und herkömmlichen Paaren, wird sie ihre Konsequenzen daraus ziehen:
"Für mich wär’s dann nicht wählbar."
Trotz des gemeinsamen harmonischen Chorgesangs ein paar Biere später: Viele CDU-Wähler im Süden Baden-Württembergs fürchten um den Verlust klassischer konservativer Werte. Ob sie ihrem Ärger darüber bei der nächsten Bundestagswahl auch auf dem Stimmzettel Luft machen, bleibt die Frage. Denn: Sowohl der Badener als auch der Schwabe gibt sich gerne als "Bruttler". So werden im Süden diejenigen Zeitgenossen genannt, die an allem etwas herumzumäkeln haben. Ob sie deswegen gleich eine andere Partei wählen, ist aber längst noch nicht ausgemacht. Überhaupt, lassen die Besucher an ihren Bierbänken wissen, sei’s dafür ja noch viel zu früh. Und wo ganz harmlos das Röslein auf der Heide besungen wird, sei für Politik ohnehin kein Platz:
"Da darf man richtig mal die Weltpolitik vergessen und Bürger sein und nicht nur immer diese negativen Schlagzeilen hören."