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Nach Anschlag in Kaschmir
Krieg der Worte zwischen Indien und Pakistan

Nach dem tödlichen Angriff auf einen indischen Armeestützpunkt in Kaschmir fordern Hardliner in Indien Rache an Pakistan. Die Regierung in Neu-Delhi beschuldigt den Erzrivalen, hinter der Attacke zu stecken. Pakistan weist die Anschuldigungen zurück - doch der Krieg der Worte zwischen den beiden Atommächten hat längst begonnen.

Von Sandra Petersmann | 24.09.2016
    Indische Muslime skandieren Anti-Pakistan-Parolen auf einer Demonstration in Mumbai am 20. September 2016 nach einem Anschlag auf einen indischen Armeestützpunkt in Kaschmir.
    Viele Inder fordern nach dem Anschlag auf einen indischen Militärstützpunkt in Kaschmir einen offenen Gegenschlag gegen Pakistan. (AFP / Indranil Mukherjee)
    Eine Mutter beweint ihren toten Sohn und fordert die Bestrafung seiner Mörder. Der Sohn war Soldat und verbrannte in einem Armeezelt, nachdem ein schwer bewaffnetes Kommando seinen Stützpunkt in Kaschmir in den frühen Morgenstunden des 18. September überfallen hatte.
    "Pakistan ist ein terroristischer Staat"
    Indien verlor durch die Attacke 18 Soldaten. Der Krieg der Worte begann unmittelbar nach dem Anschlag. Die Attentäter sollen pakistanische Waffen benutz haben und aus dem pakistanischen Teil Kaschmirs in den indischen eingesickert sein. Indiens Premierminister Narendra Modi wandte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter an die Bevölkerung:
    "Ich versichere der Nation, dass diejenigen, die hinter dieser verabscheuungswürdigen Attacke stecken, nicht ungestraft davonkommen."
    Sein Innenminister Rajnath Singh wurde ebenfalls über Twitter deutlicher:
    "Pakistan ist ein terroristischer Staat und sollte als solcher identifiziert und isoliert werden."
    "Indiens Armee massakriert Kaschmiris"
    Die Antwort folgte auf dem Fuße. Pakistan wies alle Vorwürfe von sich. Dort twitterte Verteidigungsminister Khawaja Mohammed Asif zurück:
    "Indiens Armee massakriert Kaschmiris. Was du säst, wirst du ernten."
    Am 19. September, einen Tag nach der Attacke, traf sich die Führung der pakistanischen Armee. Die Islamische Republik Pakistan war lange eine Militärdiktatur. Die Generäle bestimmen bis heute die Außen- und Verteidigungspolitik. Nach ihrem Treffen teilten sie schriftlich mit:
    "Pakistans Streitkräfte haben gemeinsam mit unserer widerstandsfähigen Nation jede Herausforderung überwunden, und sie werden jeden teuflischen Plan gegen die Integrität und Souveränität Pakistans vereiteln."
    Indische Forderungen nach einem offenen Gegenschlag
    Es ist die Zeit der Falken. In Indien sind hochrangige Ex-Militärs wie Gagandeep Bakshi in diesen Tagen Dauergäste auf den Bildschirmen der Nation. Es wird viel geschrien – nach der Wiederherstellung der nationalen Ehre und nach einem offenen Gegenschlag:
    "Wir müssen Pakistan mit nicht-terroristischen Mitteln bestrafen. Wir müssen nicht auf pakistanisches Niveau sinken. Wir müssen unseren Leuten offen sagen: Das hat Pakistan gemacht und das war unsere Antwort. Wir brauchen das nicht zu verstecken."
    Der indische Teil Kaschmirs erlebt seit mehr als zwei Monaten schlimme Unruhen. Auf den Straßen tobt ein Aufstand der Jugend gegen Indiens Sicherheitskräfte. Auslöser war der Tod des kaschmirischen Kämpfers Burhan Wani. Indische Soldaten hatten ihn am 8. Juli erschossen.
    Unruhen im indischen Teil Kaschmirs nach Tod eines kaschmirischen Kämpfers
    Vor der laufenden Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York machte Pakistans Premierminister Nawaz Sharif Indien für schwere Menschenrechtsverletzungen in Kaschmir verantwortlich. Zum Anschlag auf die indische Armee schwieg er.
    "Burhan Wani, der junge Anführer, den die indischen Truppen ermordet haben, ist zum Symbol der jüngsten Intifada in Kaschmir geworden", sagte Sharif wörtlich. Den spontanen, friedlichen Aufstand des kaschmirischen Volkes würden "die indischen Besatzungstruppen wie immer brutal unterdrücken", ergänzte er.
    Die indische UN-Diplomatin Eenam Gambhir beschuldigte Pakistan daraufhin vor der Generalversammlung, Terror als Mittel der Politik einzusetzen. Das sei die schwerste Verletzung der Menschenrechte und ein Kriegsverbrechen.
    Pakistan und Indien beanspruchen beide Kaschmir für sich
    Beide Länder beanspruchen Kaschmir für sich. Der indische Teil gehört zum Bundesstaat Jammu und Kaschmir. Es ist der einzige mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Indien hat hier über eine halbe Million Soldaten stationiert.
    Seit Indien und Pakistan 1947 aus dem zerfallenen britischen Kolonialreich entstanden sind, haben sie schon dreimal wegen Kaschmir zu den Waffen gegriffen. An der Teilungsgrenze kommt es regelmäßig zu Schusswechseln. Beide Länder sind atomar bewaffnet. Indiens Verteidigungsminister Manohar Parrikar übt sich in diesen Tagen öffentlich in strategischer Zurückhaltung:
    "Ein Gefäß ohne Inhalt macht mehr Krach. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Indien ist eine verantwortungsvolle Macht. Aber das heißt nicht, dass ich schlafe, wenn diese Art des Terrors über die Grenze geschubst wird."
    Indien hofft auf Hilfe der USA, Pakistan such die Nähe Chinas
    Es schwirren viele Gerüchte über versteckte indische Vergeltungsaktionen durch die Medien. Indien will Pakistan international isolieren und hofft dabei vor allem auf die Hilfe der USA. Die beiden Länder sind enger aneinandergerückt, während Pakistan verstärkt die Nähe Chinas sucht. Die Menschen im geteilten Kaschmir sind auf beiden Seiten der Grenze in diesem Konflikt gefangen.