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Nach Brüssels Pfeife? - Teil 5
Wie der Sport seine Interessen in der EU vertritt

Der Sport fällt unter EU-Recht, sobald er wirtschaftlich ausgeübt wird. Deswegen betreffen viele EU-Regelungen die Welt des Sports. Doch bisweilen verbitten sich große Sportverbände eine Einmischung von außen.

Von Christian Bartlau | 24.05.2014
    Flaggen wehen vor dem Europaparlament in Straßburg
    Flaggen wehen vor dem Europaparlament in Straßburg (Bild: EP)
    UEFA-Boss Michel Platini pflegt offenbar beste Kontakte nach Brüssel. Wie ein Poesiealbum zeigt die Homepage der Europäischen Fußball-Union Bilder von Platini mit EU-Spitzenpolitikern wie Kommissionpräsident Jose Manuel Barroso. Ein Foto mit Barbara Lochbihler fehlt. Die Grünen-Politikerin ist die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments. Sie lud Platini im Februar dieses Jahres zu einer Anhörung ein. Es sollte um Menschenrechtsverletzungen in Katar gehen, dem Gastgeberland der Fußballweltmeisterschaft 2022. Lochbihler erinnert sich:
    "Da wir ein europäisches Parlament sind, habe ich geschaut, wer das entsprechende Gegenüber ist. Und da bin ich auf Herrn Platini gekommen, der als erster mitgeteilt hat, dass er für die Vergabe der Spiele nach Katar war."
    Doch Platini lehnte die Einladung des Menschenrechtsausschusses ab – offiziell aus Termingründen, aber in aller Deutlichkeit.
    "Die Art der Absage war doch sehr von Arroganz gekennzeichnet."
    Die Grünen-Politikerin beschwerte sich in der Presse, ließ sich mit den Worten zitieren, die UEFA fühle sich offenbar gestört von einer Einrichtung wie dem Europäischen Parlament.
    Wenn große Sportverbände sich solche Einmischung von außen verbitten, tun sie das meist mit dem Hinweis auf die Autonomie des Sports – der Sport könne sich sehr gut selbst um seine Probleme kümmern.
    Die EU erkennt diese Autonomie prinzipiell an – allerdings fällt der Sport unter EU-Recht, sobald er wirtschaftlich ausgeübt wird. Deswegen betreffen viele EU-Regelungen die Welt des Sports, erklärt Folker Hellmund:
    "Wenn ich das Thema Datenschutz nehme, gibt es gerade eine große Initiative mit Gesetzgebungsvorschlägen. Sie könnte großen Einfluss auf den Sport haben im Bereich Datenübermittlung im Kampf gegen Spielmanipulation. Welche Daten können ausgetauscht werden zwischen Wettanbietern, Sportverbänden, Polizei, Staatsanwaltschaften und so weiter?"
    Hellmunds Job ist es, sämtliche EU-Vorhaben zu beobachten, die Auswirkungen auf den organisierten Sport haben könnten. Er leitet das EOC-EU-Büro, die wichtigste Lobbyinstitution des Sports in Brüssel. Hellmund und die anderen fünf Mitarbeiter sitzen nur wenige hundert Meter vom Hauptgebäude der Europäischen Kommission entfernt. Sie vertreten die Interessen der 49 nationalen olympischen Komitees Europas und weiterer Verbände wie zum Beispiel dem Welt-Eishockeyverband. Allein der Deutsche Olympische Sportbund lässt sich seinen Anteil am Büro rund 150.000 Euro pro Jahr kosten. Dafür bekommt er einen Zugang zur Kommission und zu den EU-Expertengruppen, die wichtige sportliche Themen beraten.
    "Wir sind das einzige Büro, das einen regelmäßigen Austausch mit der Sport Unit der Kommission hat, wo wir informell uns über Sportpolitik austauschen. Unser Büro war als einziger Vertreter des Sports in allen Expertengruppen registriert. Das zeigt, dass das Büro eine Schlüsselrolle für die Institutionen hat."
    Wenn der Sport von der EU-Politik betroffen ist, will er wenigstens mitreden. Die Zusammenarbeit mit den Sportverbänden ist von EU-Seite auch ausdrücklich gewünscht. In einer Mitteilung der Kommission von 2011 heißt es:
    "Im Dialog mit den Akteuren des Sports wird sich die Kommission auch weiterhin darum bemühen, die Beziehungen zwischen dem EU-Recht und den Sportregeln im Profi- und Amateursport Thema für Thema zu erläutern."
    Eine direkte Gesetzgebungskompetenz auf den Sport hat Brüssel nicht – ein EU-weites Anti-Doping-Gesetz etwa erlaubt der Vertrag von Lissabon nicht. Aber laut Artikel 165 soll die EU zur "Förderung einer europäischen Dimension des Sports" beitragen. Das bedeutet auch, dass sie Empfehlungen zur Demokratie und Transparenz in Sportverbänden geben darf. Für Folker Hellmund kein Problem:
    "Wir reden gerne über Verbesserungen des Good Governance. Wo gibt es Defizite im Bereich der Transparenz, im Demokratieverständnis? Da waren und sind wir bereit, diesen Dialog fortzusetzen. Aber wir lehnen es ab, dass die Europäische Union direkt in die Sportverbände reinregiert und ihnen vorschreibt, wie sie sich selbst zu organisieren haben."
    In der Brüsseler Expertengruppe zu Good Governance arbeitete nicht nur das EOC-Büro mit, sondern auch die UEFA. Wenn die sich dem Dialog mit der EU also nicht verweigert, warum wollte ihr Boss Michel Platini dann nicht vor dem Menschenrechtsausschuss über Katar reden? Die Vorsitzende Barbara Lochbihler:
    "Im Menschenrechtsausschuss ist die Diskussion natürlich etwas härter. Die Fragen sind nicht so: Was könnten sie noch tun, dass es noch besser wird, sondern eher in dem Stil: Was haben sie unterlassen, dass es so schlecht wurde?"
    Seit dem 21. Mai gilt der neue Arbeitsplan von 2014 bis 2017. Ganz oben auf der Agenda: Die Erarbeitung von Good-Governance-Leitlinien für die Vergabe von Sportveranstaltungen. Katar lässt grüßen. Dann wird sich Michel Platini vielleicht mit dem Thema Menschenrechte auseinandersetzen müssen. Und vielleicht bekommt Barbara Lochbihler dann auch ein Foto mit dem UEFA-Boss.