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Nach dem Download in den Knast?

Oft sind Filme Tage vor dem offiziellen Kinostart im Internet und können dort illegal runtergeladen werden. Wer das tut, steht in Deutschland mit einem Bein im Gefängnis. Doch die Beurteilung des Raubkopierens ist von Land zu Land sehr unterschiedlich.

Von Rüdiger Suchsland |
    Wenn ein normaler Bürger eine DVD für einen Freund kopiert, oder kostenlos von einem der zahlreichen Tauschserver im Internet herunterlädt, steht er schon mit einem Bein im Gefängnis - zumindest wenn es nach den Funktionären der deutschen Filmproduzentenverbände geht.

    "Raubkopierer sind Verbrecher" - da sind sich scheinbar alle einig. Man fragt sich, wozu dann sündteuren Kampagnen überhaupt noch nötig sind, mit denen man die Botschaft in die Kinosäle und Wohnzimmer trägt. Aber offenbar hält sich das Unrechtsbewusstsein bei den normalen Bürgern dann doch in Grenzen.

    Nicht nur Jugendliche tauschen und downloaden, was die Flatrate hergibt. Alles, was von den Konzernen digitalisiert und unters Volk gebracht wird, ist irgendwie, irgendwo, irgendwann auch kostenlos zu haben. Experten sind sich einig: Bald wird es der Filmindustrie ähnlich ergehen, wie vor Jahren bereits der Musikindustrie. Dort verdienen die Künstler heute mehr, weil sie ihre Werke längst direkt an die Kunden verkaufen - eingebrochen sind aber die Gewinne der meisten Vertriebskonzerne, deren Handelsmonopol durch das Internet aufgeweicht wurde.

    In anderen Ländern sieht man die Dinge gelassener als in Deutschland. Etwa in Spanien:

    "Ich verstehe die Leute sehr gut, die jeden Tag auf irgendeiner Tauschbörse einen Film aus dem Internet herunterladen - ich bin selbst der Erste, der das tut. Und selbstverständlich fragt man da nicht immer nach den Rechteinhabern."

    Der das sagt, ist nicht irgendwer, sondern der Vorsitzende der spanischen Regie- und Filmakademie, der ebenso renommierte wie nie um originelle Ideen verlegene Filmemacher Alex de la Iglesia .

    Auch in Spanien diskutiert man derzeit über Fragen des Umgangs mit der Filmpiraterie. Der Anlass ist die im Herbst anstehende Neuordnung der spanischen Filmförderung. In diesem Zusammenhang werden auch neue Auswertungs- und Einnahmewege diskutiert, bei der dem Bereich der Onlinemedien eine Schlüsselrolle zukommt.

    Der finanzielle Schaden durch die Downloads normaler User werde bewusst übertrieben, die Bedrohung der Filmindustrie überschätzt, sagt Iglesia und kritisiert zugleich die Hysterie mancher Produzenten, die ihr Publikum kriminalisierten.

    Gefährlich seien nur die organisierten Banden, die hohe Stückzahlen illegaler Filmkopien in Umlauf bringen, nicht der einzelne private User.
    Denn es ist sehr schwierig, etwas, das lange Zeit frei und erlaubt gewesen ist, wie das Tauschen und Kopieren im Privatbereich, plötzlich zu verbieten. In der Musikindustrie hat es auch nicht funktioniert, die einfachen User zu Verbrechern zu stempeln."

    Noch wesentlich weiter ist man in Fernost. Jeder Tourist hat bereits die Erfahrung gemacht, dass man dort alle möglichen Filme - Klassiker, aber auch die allerneuesten Blockbuster - ganz öffentlich als DVD auf der Straße kaufen kann. Als allenfalls halblegale Kopie.

    "Am Ende respektieren die meisten zwar die Idee des Privateigentums", sagt Jacob Wong, Filmwissenschaftler aus Hongkong und der für China zuständige Fachberater der Berliner Filmfestspiele

    "Aber Freiheit ist nicht nur die des Eigentums, sondern auch die des Zugriffs auf Kunst. Die ist ein öffentliches Gut, nicht einfach Privatbesitz wie jeder andere."

    Die chinesischen Filmemacher profitierten von der Piraterie sagt Wong, schon in ihrer Ausbildung. Nur in Form frei getauschter oder billig erworbener Kopien kommen chinesische Filmemacher mit europäischen Filmen in Kontakt. Piraterie ist ein Mittel der Bildung.

    Fachleute gerade aus China weisen zudem darauf hin, dass dort die großen Konzerne längst inoffiziell ihre eigenen Piratenlabels besitzen, um am großen Geschäft mitzuverdienen. Denn zu den offiziellen Preisen um 20 Euro kann man in China kaum eine DVD verkaufen.

    Andere, wie der Jurist Lawrence Lessig von der kalifornischen Stanford-University gehen noch weiter: Schon der Begriff "Raubkopierer" sei ungemein parteiisch. "Ohne Piraterie keine Kreativität" argumentiert Lessig in seinem auch auf Deutsch erschienenen - und natürlich kostenlos im Internet erhältlichen - Buch "Freie Kultur": Hollywood, die Musikindustrie und das Kabelfernsehen seien alle aus Piraterie entstanden, aus der schöpferischen Nutzung des Eigentums anderer.
    Piraterie sei nicht aufzuhalten, man solle sich stattdessen auf neue Geschäftsmodelle konzentrieren.

    Das tun jetzt die spanischen Filmemacher. Sie setzen darauf, dass sich auch in diesem Fall auf dem Markt das bessere Angebot durchsetzt:

    "Man kann am besten gegen Piraten kämpfen, indem man etwas Besseres anbietet: Bessere Qualität zu angemessenen Preisen", so noch mal Alex de la Iglesia.

    Gegen die Piraterie zu kämpfen bedeute, gegen die zu kämpfen, die von der Piraterie profitierten: "Wer profitiert von Piraterie? Die großen Unternehmen. Die Telekommunikationsgesellschaften, die die großen Bandbreiten verkaufen, durch die Piraterie überhaupt erst möglich wird. Also muss man mit denen reden. Das ist völlig eindeutig."