Dienstag, 19. März 2024

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Nach dem Hochwasser
Wie bekommen die Katastrophengebiete wieder Handyempfang?

In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben Wasser und Schlamm hunderte Mobilfunk-Basisstationen weggerissen, Elektronik beschädigt und Telefonverbindungen gekappt. Noch immer gibt es große Funklöcher. Ein Grund ist auch die Privatisierung des Telekommunikationssektors. Was ist jetzt nötig und sinnvoll?

Von Peter Welchering | 23.07.2021
Rheinland-Pfalz, Bad Neuenahr: Ein Einsatzwagen der Feuerwehr fährt durch eine Straße, die mit Sperrmüll gesäumt ist.
Nach dem Unwetter in Rheinland-Pfalz (dpa-Bildfunk / Thomas Frey)

Wie sieht die aktuelle Situation aus?

Gut 150 Mobilfunk-Basisstationen sind weiterhin außer Betrieb. Noch immer müssen mehr als 200 Kabelverzweiger - die grauen Kästen am Straßenrand - neu installiert werden. Die meisten Vermittlungsstellen allerdings sind im Laufe dieser Woche wieder in Betrieb gegangen. Das heißt aber auch, dass es in den Katastrophengebieten immer noch große Funklöcher gibt und das Internet für viele tausend Menschen nicht verfügbar ist. Das betrifft ungefähr ein Drittel der Menschen dort. Und das wird auch noch einige Tage dauern.

Rheinland-Pfalz hat zwölf Starlink-Satellitenschüsseln aufgestellt. Helfen die weiter?

Nur sehr bedingt. Die Satellitenschüsseln stehen in elf Ortsgemeinden im Ahrtal. In der Umgebung sollen noch weitere 23 Stationen aufgestellt werden. Das sind im Prinzip beheizbare Antennen mit angeschlossenen Routern. Die Zugangskosten zum Satelliten-Internet der Firma SpaceX trägt das Land. Gerade wird aber noch diskutiert, ob es technische Hilfe für die Betroffenen geben soll, um ihre Endgeräte an den Router anzuschließen. Für den reinen Internetzugang ist das nicht so problematisch. Aber beim Telefon ist es eine offene Frage, ob jeder ohne Hilfe auf WLAN umstellen kann. Denn Internettelefonie kann ihre Tücken haben. Wie das Satelliten-Internet dann funktioniert, müssen wir abwarten. Es ist schmalbandiger als Mobilfunk, hat also weniger Übertragungskapazität. Und wenn Wolken die Signale stören, kann die Verbindungsleistung noch einmal drastisch in den Keller gehen.

Gibt es denn noch andere mobile Übergangslösungen?

Telefonica hat vier mobile Stationen im Einsatz. Das ist natürlich viel zu wenig. Vodafone und die Telekom haben auch mobile Stationen hingeschickt, allerdings erst einige Tage nach der Hochwasserkatastrophe. Dabei haben Sicherheitswissenschaftler schon vor einigen Jahren in mehreren Studien darauf hingewiesen, dass die schnelle Wiederherstellung von Kommunikationsverbindungen ganz wesentlich ist - nicht nur für die Schadensbeseitigung, sondern auch, um Gefahren für Leib und Leben der Menschen zu vermeiden. Die Deutsche Bundespost, Abteilung Fernmeldedienst, hatte dafür früher einen eigenen Katastrophenschutz. Den gibt es so seit der Privatisierung des Telekommunikationsbereichs nicht mehr. Die Provider wie die Telekom haben zwar ein Desaster Recovery Management. Aber das reicht nicht. Der Katastrophenschutz selbst muss mit entsprechenden mobilen Stationen vor Ort sein, die einen großen Akku oder ein Notstromaggregat haben und mit einer Richtfunkstrecke ausgestattet sind. Das Konzept Weitverkehr-Funkdienste wird im Katastrophenschutz seit 20 Jahren diskutiert. Da hat sich aber nichts getan.

Hat man das verschlafen?

Ja, das wurde tatsächlich bei der Privatisierung des Telekommunikationssektors völlig verschlafen. Das Technische Hilfswerk hat zwar fünf sogenannte Weitverkehrsfunktrupps aufstellen können, und zwar bundesweit. Die sollen aber mit ihren Teleskopantennen in erster Linie dafür sorgen, dass im Katastrophengebiet die Behördenkommunikation abgewickelt werden kann, also Rettungskräfte, Feuerwehr, Polizei und Aufbauteams mobil kommunizieren können und Internet haben. Da müsste massiv aufgestockt werden. Die Bundeswehr könnte hier helfen. Sie verfügt über ausreichend viele mobile Basisstationen. Im Hochwassergebiet hat die Bundeswehr bisher allerdings nur Satellitenkommunikationsanlagen aufgestellt.

Was muss jetzt dringend passieren?

Pläne von Sicherheitswissenschaftlern liegen schon auf dem Tisch. Im Prinzip gibt es zwei Szenarien: Entweder der Katastrophenschutz wird mit entsprechend vielen mobilen Basisstationen ausgestattet. Oder die Telekommunikationsprovider, also Vodafone, Telefonica, Deutsche Telekom AG müssen Kräfte und solche Stationen für den Katastrophenschutz abstellen. Bisher gibt es Vorschriften zum Desaster Recovery Management. Die sind aber völlig unzureichend. Eins der beiden Szenarien, am besten beide, müssen wir relativ schnell umsetzen. Denn solche Schadensfälle werden häufiger. Und wir können Naturkatastrophen nur dann wirkungsvoll begegnen, wenn auch die Kommunikationsverbindungen vorhanden sind.