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Nach dem HRE-Debakel

Die Fehlbuchung bei der FMS Wertmanagement, die Bank, in die die verstaatlichte Hypo Real Estate alle ihre schlechten Wertpapiere und Verbindlichkeiten ausgelagert hat, dieser Bilanzfehler gilt als eine der größten Buchungspannen aller Zeiten. Und man kann froh sein, dass die 55,5 Milliarden Euro in diesem Fall ein Plus und nicht etwa ein zusätzliches Minus sind. Doch wie kann so ein gravierender, ja unfassbarer Fehler überhaupt passieren?

Von Michael Braun |
    Eine Frage, zwei Antworten, das kennt man im Alltag. Das Phänomen taucht auch auf, wenn man zwei Fachleute für Bilanztechnik befragt. Wurde bei der FMS Wertmanagement falsch bilanziert? Jörg Rocholl, Inhaber des Ernst & Young Lehrstuhls für Unternehmensführung an der European School of Management and Technology in Berlin, sagt: Ja, es habe Fehler gegeben.

    "Es ist also offensichtlich ein Fehler in der Buchhaltung, vielleicht auch in der Prüfung dieser Zahlen. Denn die Zahlen an sich, die einzelnen Positionen sind korrekt. Sie sind nur nicht korrekt gegeneinander verrechnet worden und es ist offensichtlich so, dass dort Fehler gemacht wurden."

    So Rocholl heute früh im ZDF. Es geht darum, ob die Bad Bank der Hypo Real Estate Forderungen an Geschäftspartner mit Verbindlichkeiten gegenüber diesen Geschäftspartnern verrechnen durfte. Das berufsständische Institut der Wirtschaftsprüfer in Düsseldorf lässt freilich im Gegensatz zu Rocholl wissen, grundsätzlich gebe es im deutschen Handelsrecht ein Saldierungsverbot. Die Bilanz soll zeigen, wie viele und welche Forderungen ein Unternehmen hat und wie viele und welche Verbindlichkeiten. Ausnahme: Wenn Forderung und Verbindlichkeit gegenüber demselben Geschäftspartner bestehen, wenn die Art der Forderung gleich ist, es sich also zum Beispiel in beiden Fällen um eine Geldforderung in derselben Währung handelt, und wenn dann auch noch die Fälligkeit übereinstimmt, Verbindlichkeit und Forderung also zum selben Zeitpunkt fließen müssen, dann ist ein Ausgleich, eine Saldierung möglich. Es könne dann saldiert werden, heißt es in der Branche, es müsse aber auch in solchen gleich gelagerten Fällen nicht saldiert werden. So argumentiert auch Jörg Bätge, der Münsteraner Nestor der Rechnungslegung in Deutschland:

    "Insofern gibt es einerseits ein Saldierungsverbot für Dinge, die eben nicht gleichartig sind. Man kann nicht irgendwelche Forderungen und irgendwelche Verbindlichkeiten einfach gegeneinander aufrechnen. Wenn das gegenüber derselben Person, in der gleichen Währung mit den gleichen Risiken so ist, dann ist es auch nach neuem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz so, dass Bewertungseinheiten gebildet werden sollen und das findet sich eben im § 254."

    Deshalb leiten die Gesprächspartner bisher keine Vorwürfe an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ab, die die Bad Bank der HRE geprüft hat, auch nicht an die Buchhalter. Was vielen unklar ist, ist, wie die Bilanzinformationen einer staatlich gestützten Bank auf der zweiten Ebene weiterverarbeitet werden, auf der Ebene der Staatsfinanzen. Offenbar hat die Bundesrepublik die nicht saldierte lange Passivseite der Bad Bank, also deren ganze Verbindlichkeiten ohne Berücksichtigung auch gleicher Forderungen, als Schuld nach Brüssel gemeldet. Musste sie das? Hätte sie saldieren dürfen? Hätte die EU-Kommission saldieren müssen? Auch dies ein bekanntes Phänomen: Ist eine Frage beantwortet, öffnen sich neue. Und da sehnt man sich nach der einfachen Welt, in der Staaten ordentliche Haushalte haben, Banken ohne gewagte Finanzierungstricks auskommen und sich schon gar nicht verstaatlichen lassen müssen.