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Nach dem Nein zum Lissabon-Vertrag

Das Scheitern des Lissabon-Vertrags liegt bekanntlich am Nein Irlands. Wie geht es dort weiter? Wenn es nach dem irischen Europaminister Dick Roche ginge, dann sollte bald ein zweites Referendum zum Lissabon-Vertrag durchgeführt werden. Doch diese Meinung finden nicht überall auf der grünen Insel auf Zustimmung. Martin Zagatta, DLR-Studio London.

    An dem Sondergipfel in Brüssel nimmt der irische Premierminister heute auch teil. Doch zur Aussage des französischen Präsidenten Sarkozy, die EU wäre handlungsfähiger, wäre der Lissabon-Vertrag schon in Kraft, hat Brian Cowen hat keine Stellung bezogen.

    Kein Wunder auch. Die Regierung in Dublin steckt in einer Zwickmühle, seit ihre Landsleute im Juni diesen Vertrag abgelehnt und damit blockiert haben. Nun muss sie den Eindruck vermeiden, sich über dieses Votum schlichtweg hinwegsetzen zu wollen. So hat Europaminister Dick Roche sein Drängen auf eine nochmalige Abstimmung, auf ein neuerliches Referendum, umgehend zu seiner "persönlichen" Meinung erklären müssen.

    "Meine persönliche Meinung ist, dass letzten Endes ein Referendum die am besten geeignete Antwort auf die Situation ist, in der wir uns befinden."

    So hat der Minister inzwischen im irischen Rundfunk zurückgerudert. Dublins offizielle Position bleibt: noch sei alles offen. Das Außenministerium hat eine Studie in Auftrag gegeben, eine Auswertung des Referendums. Frühestens beim EU-Gipfel im Oktober sollten dann mögliche Konsequenzen erörtert werden. Dabei gilt es laut Medienberichten längst als ausgemachte Sache, dass die EU den Iren in einer Art Zusatzprotokoll zusichern soll, ihr Steuer- und Abtreibungsrecht nicht anzutasten. Auch ihre Neutralität nicht. Irland ist kein Mitglied der NATO. Zudem wird demnach erwogen, Irland einen ständigen EU-Kommissar zu garantieren, von der vorgesehenen Verkleinerung der EU-Kommission abzurücken, als Gegenleistung für die Ansetzung eines zweiten Referendums. Den Forderungen, das Dokument neu auszuhandeln, so wie die Vertragsgegner das wünschen, ist die Regierung nicht nachgekommen.

    ""Die irische Regierung muss sich wohl erst noch klar darüber werden, dass das Nein-Lager das Referendum gewonnen hat","

    so Patricia McKenna, eine ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen. Und der Unternehmer Declan Ganley, der zur prominentesten Figur der Vertragsgegner geworden ist, weist auch Vergleiche mit dem EU-Vertrag 2001 von Nizza zurück, den die Iren zunächst auch abgelehnt und dann in einer zweiten Abstimmung gebilligt hatten. Im Gegensatz zu damals sei die Beteiligung an dem Referendum diesmal sehr hoch gewesen.

    ""Das Ergebnis war ein klares Nein, und wenn es ein weitere Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag geben sollte","

    dann, so sagt er bei Diskussionsveranstaltungen jetzt voraus,

    ""dann wird es noch mehr Nein-Stimmen geben"."

    Declan Ganley kann sich dabei auf eine in der Sommerpause durchgeführte Umfrage berufen. Der zufolge ist eine deutliche Mehrheit gegen eine zweite Befragung. Sollte es dennoch dazu kommen, würden dann gar zwei von drei Iren mit Nein stimmen - im Juni waren es nur 53 Prozent.

    Damit wird auf Premierminister Cowen eine schwere Entscheidung zukommen. Europäische Partner drängen ihn, möglichst schnell zu handeln. Ein zweites Referendum, eine nochmalige Abstimmungsniederlage könnte Irlands Regierungschef aber durchaus sein Amt kosten.

    Und auf Zeit zu spielen, stößt schon deshalb auf Widerstand, weil im Juni nächsten Jahres Europawahlen anstehen. Befürworter des Lissabon-Vertrages halten Eile auch mit Blick auf Großbritannien geboten. Sie befürchten, dass die EU-skeptischen britischen Konservativen die Regierung übernehmen noch bevor die Iren sich entschieden haben, noch bevor das umstrittene Dokument in Kraft treten kann. Dann nämlich könnte es gut sein, dass London die britische Ratifizierung wieder rückgängig macht und dem Lissabon-Vertrag den endgültigen Todesstoß versetzt. Eine Entwicklung, die allerdings die irische Regierung aus ihrer Zwickmühle befreien würde.