Ein beherrschendes Thema dort derzeit – der Rücktritt einer Parteivorsitzenden. Gesine Lötzsch von der Partei Die Linke.
"Ich kann Ihnen versichern, das Ziel der Linken ist der demokratische Sozialismus."
Diesen Satz hat Gesine Lötzsch gerne wiederholt und dabei diesen demokratischen Sozialismus immer von einem autoritären Sozialismus abgegrenzt, dessen Opfer sie nicht vergessen habe. Eine kleine theoretische Unterscheidung, die für die Opfer des Regimes in der Deutschen Demokratischen Republik wohl keinen Unterschied machen dürfte. Demokratie- und Verfassungsferne wurden Lötzsch oft von ihren Gegnern vorgeworfen. Und auch wenn ihr Rücktritt private Gründe hatte, ihre Entscheidung wird nun allgemein begrüßt, die Argumente ihrer Gegner häufig zitiert. Wie sieht das Meinungsbild in den politischen Zeitschriften und Blogs aus? Hören Sie dazu Norbert Seitz:
"Glücklos" ist dieser Tage das noch freundlichste Attribut, mit dem die Zeit der Ko-Vorsitzenden Gesine Lötzsch an der Spitze der Partei "Die Linke" bilanziert wird. Eine Kette peinlicher Debatten trübt ihre Jahre, von den "neuen Wegen zum Kommunismus" über die Relativierung des Mauerbaus bis zu den Solidaritätsbekundungen an die Machthaber im Iran und in Syrien.
"Tschüss, Gesine, Tschüss, SED!" wird denn auch der scheidenden Vorsitzenden hinterhergespottet. So in einem bissigen Kommentar im WordpressBlog, wo André Freud der Partei auch künftig nichts Gutes wünscht:
"Im Osten stirbt die Partei aus. Im Westen ist sie intellektuell verquast. Und im Süden erkennen sogar die, die anderswo ihr Lied singen, dass mit dieser roten Drückerkolonne nichts zu gewinnen ist. Deswegen freut es mich, dass von Wechsel zu Wechsel das Führungspersonal dieser Partei unfähiger und erfolgloser und unseriöser wird. Es steht zu hoffen, dass wir dieses gefährliche Experiment, aus einer stalinistischen, menschenverachtenden Kaderpartei einen Teilnehmer im demokratischen Kräftespiel zu machen, hinter uns haben."
Nunmehr schauen alle wie gebannt auf Oskar Lafontaine, der bislang seine Karrierebrüche, die Demissionen und Comebacks, die Spaltungsvolten und Neuerfindungsversuche wie nach einem geheimen Drehbuch zu inszenieren verstand. Doch nicht alle sehen in dem political animal von der Saar den erneuten Retter der Partei. Auf Cicero-Online machen Cordula Eubel und Matthias Meisner Lafontaine für die oppositionelle Erstarrung der Linken verantwortlich:
"Politisch ist die Linke zunehmend isoliert – wegen des von Lafontaine geprägten Oppositionskurses und den persönlichen Animositäten zwischen ihm und den führenden Sozialdemokraten. Das schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen nieder: Im November vergangenen Jahres wurden 70 000 gemeldet, rund 8000 weniger als zwei Jahre zuvor."
Auf der Suche nach einem neuen Führungsduo scheinen die Zeichen auf einen Flügelausgleich zu stehen. Er ist derzeit wichtiger als eine Besetzung nach dem gängigen Ost-West-Schema. Michael Jäger empfiehlt in der Online-Ausgabe des "Freitag" den früheren Generalsekretär Dietmar Bartsch und die talkshowerprobte Jungikone Sahra Wagenknecht:
"In der gegenwärtigen Phase würde ein Ko-Vorsitz Bartsch – Wagenknecht die Partei ehrlich repräsentieren. Weil die beiden in ihrem jeweiligen Parteiflügel anerkannt sind, hätte er auch Autorität. Und Wagenknecht könnte zeigen, dass sie die eigentliche Nachfolgerin der Altvorderen Bisky, Gysi und Lafontaine werden kann. Sie scheint dazu qualifiziert, seit sie sich auf ihre Weise zur Marktwirtschaft bekannt hat. Dass sie hauptsächlich Wege zu einer anderen Gesellschaft ausprobieren würde, in Regierung und Opposition, ist sicher."
Aber selbst wenn die Partei sich personell berappeln sollte, werden ihre Zukunftschancen nicht sehr rosig eingeschätzt. Die Fusion aus ostdeutschen Altkadern und frustrierten Gewerkschaftsfundis aus dem Westen trug nur vorübergehend Früchte. Dazu nochmals Cordula Eubel und Matthias Meisner auf Cicero-Online:
"Der politische Höhenflug der Linkspartei ist vorbei. In bundesweiten Umfragen ist die Linke weit von den 11,9 Prozent entfernt, mit denen sie 2009 in den Bundestag einzog. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein droht der Partei, aus den Landtagen herauszufliegen – das erste Mal seit der Parteigründung. Schlagzeilen macht die Linke seit fast zwei Jahren vor allem mit Personalquerelen. Ein politisches Thema zum Mobilisieren fehlt der Partei, die von der Finanzkrise nicht profitieren konnte."
Auf der Suche nach neuen publikumswirksamen Themen fischt die ratlose Partei im Trüben. So lamentiert Werner Pirker im Blog der parteinahen "Jungen Welt", die Linke habe die Chance verpasst, "sich in die Grass-Debatte als Antikriegspartei laut und vernehmlich einzubringen":
"Der klaren Positionierung »Grass hat recht« folgte beredtes Schweigen. Ein, wie anzunehmen ist, von oben orchestriertes Schweigen. In die Friedensoffensive kommt man so aber nicht."
Und an die Regierung auf Bundesebene erst recht nicht! Denn dort gilt für 2013 Rot-Grün-Rot als ausgeschlossen. In seinem Blog äußert der frühere "Vorwärts"-Redakteur Wolfgang Michal darüber sein Unbehagen. Eine gevierteilte linke Opposition im Lande sichere nur der "zementharten und innovationsresistenten Rumpf-SPD" – so Michal - die "Ausgangslage für eine immerwährende Große Koalition". Doch er sieht kaum Chancen, dass sich die Blockaden im linken Lager auflösen könnten:
"Die Linken werden weiter die Unberührbaren bleiben. Sie sind erstens unwählbar – wegen SED, zweitens nicht regierungsfähig – wegen Afghanistan – und drittens abgrundtief böse – wegen Lafontaine ( ... ) Sie reiben sich auf im kalten Ost-West-Konflikt und treiben ihre Jungwähler zuverlässig zu den Piraten."
wordpressBlog
Cicero Online
Freitag-Online
Neue Welt Online
Blog Wolfgang Michal
"Ich kann Ihnen versichern, das Ziel der Linken ist der demokratische Sozialismus."
Diesen Satz hat Gesine Lötzsch gerne wiederholt und dabei diesen demokratischen Sozialismus immer von einem autoritären Sozialismus abgegrenzt, dessen Opfer sie nicht vergessen habe. Eine kleine theoretische Unterscheidung, die für die Opfer des Regimes in der Deutschen Demokratischen Republik wohl keinen Unterschied machen dürfte. Demokratie- und Verfassungsferne wurden Lötzsch oft von ihren Gegnern vorgeworfen. Und auch wenn ihr Rücktritt private Gründe hatte, ihre Entscheidung wird nun allgemein begrüßt, die Argumente ihrer Gegner häufig zitiert. Wie sieht das Meinungsbild in den politischen Zeitschriften und Blogs aus? Hören Sie dazu Norbert Seitz:
"Glücklos" ist dieser Tage das noch freundlichste Attribut, mit dem die Zeit der Ko-Vorsitzenden Gesine Lötzsch an der Spitze der Partei "Die Linke" bilanziert wird. Eine Kette peinlicher Debatten trübt ihre Jahre, von den "neuen Wegen zum Kommunismus" über die Relativierung des Mauerbaus bis zu den Solidaritätsbekundungen an die Machthaber im Iran und in Syrien.
"Tschüss, Gesine, Tschüss, SED!" wird denn auch der scheidenden Vorsitzenden hinterhergespottet. So in einem bissigen Kommentar im WordpressBlog, wo André Freud der Partei auch künftig nichts Gutes wünscht:
"Im Osten stirbt die Partei aus. Im Westen ist sie intellektuell verquast. Und im Süden erkennen sogar die, die anderswo ihr Lied singen, dass mit dieser roten Drückerkolonne nichts zu gewinnen ist. Deswegen freut es mich, dass von Wechsel zu Wechsel das Führungspersonal dieser Partei unfähiger und erfolgloser und unseriöser wird. Es steht zu hoffen, dass wir dieses gefährliche Experiment, aus einer stalinistischen, menschenverachtenden Kaderpartei einen Teilnehmer im demokratischen Kräftespiel zu machen, hinter uns haben."
Nunmehr schauen alle wie gebannt auf Oskar Lafontaine, der bislang seine Karrierebrüche, die Demissionen und Comebacks, die Spaltungsvolten und Neuerfindungsversuche wie nach einem geheimen Drehbuch zu inszenieren verstand. Doch nicht alle sehen in dem political animal von der Saar den erneuten Retter der Partei. Auf Cicero-Online machen Cordula Eubel und Matthias Meisner Lafontaine für die oppositionelle Erstarrung der Linken verantwortlich:
"Politisch ist die Linke zunehmend isoliert – wegen des von Lafontaine geprägten Oppositionskurses und den persönlichen Animositäten zwischen ihm und den führenden Sozialdemokraten. Das schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen nieder: Im November vergangenen Jahres wurden 70 000 gemeldet, rund 8000 weniger als zwei Jahre zuvor."
Auf der Suche nach einem neuen Führungsduo scheinen die Zeichen auf einen Flügelausgleich zu stehen. Er ist derzeit wichtiger als eine Besetzung nach dem gängigen Ost-West-Schema. Michael Jäger empfiehlt in der Online-Ausgabe des "Freitag" den früheren Generalsekretär Dietmar Bartsch und die talkshowerprobte Jungikone Sahra Wagenknecht:
"In der gegenwärtigen Phase würde ein Ko-Vorsitz Bartsch – Wagenknecht die Partei ehrlich repräsentieren. Weil die beiden in ihrem jeweiligen Parteiflügel anerkannt sind, hätte er auch Autorität. Und Wagenknecht könnte zeigen, dass sie die eigentliche Nachfolgerin der Altvorderen Bisky, Gysi und Lafontaine werden kann. Sie scheint dazu qualifiziert, seit sie sich auf ihre Weise zur Marktwirtschaft bekannt hat. Dass sie hauptsächlich Wege zu einer anderen Gesellschaft ausprobieren würde, in Regierung und Opposition, ist sicher."
Aber selbst wenn die Partei sich personell berappeln sollte, werden ihre Zukunftschancen nicht sehr rosig eingeschätzt. Die Fusion aus ostdeutschen Altkadern und frustrierten Gewerkschaftsfundis aus dem Westen trug nur vorübergehend Früchte. Dazu nochmals Cordula Eubel und Matthias Meisner auf Cicero-Online:
"Der politische Höhenflug der Linkspartei ist vorbei. In bundesweiten Umfragen ist die Linke weit von den 11,9 Prozent entfernt, mit denen sie 2009 in den Bundestag einzog. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein droht der Partei, aus den Landtagen herauszufliegen – das erste Mal seit der Parteigründung. Schlagzeilen macht die Linke seit fast zwei Jahren vor allem mit Personalquerelen. Ein politisches Thema zum Mobilisieren fehlt der Partei, die von der Finanzkrise nicht profitieren konnte."
Auf der Suche nach neuen publikumswirksamen Themen fischt die ratlose Partei im Trüben. So lamentiert Werner Pirker im Blog der parteinahen "Jungen Welt", die Linke habe die Chance verpasst, "sich in die Grass-Debatte als Antikriegspartei laut und vernehmlich einzubringen":
"Der klaren Positionierung »Grass hat recht« folgte beredtes Schweigen. Ein, wie anzunehmen ist, von oben orchestriertes Schweigen. In die Friedensoffensive kommt man so aber nicht."
Und an die Regierung auf Bundesebene erst recht nicht! Denn dort gilt für 2013 Rot-Grün-Rot als ausgeschlossen. In seinem Blog äußert der frühere "Vorwärts"-Redakteur Wolfgang Michal darüber sein Unbehagen. Eine gevierteilte linke Opposition im Lande sichere nur der "zementharten und innovationsresistenten Rumpf-SPD" – so Michal - die "Ausgangslage für eine immerwährende Große Koalition". Doch er sieht kaum Chancen, dass sich die Blockaden im linken Lager auflösen könnten:
"Die Linken werden weiter die Unberührbaren bleiben. Sie sind erstens unwählbar – wegen SED, zweitens nicht regierungsfähig – wegen Afghanistan – und drittens abgrundtief böse – wegen Lafontaine ( ... ) Sie reiben sich auf im kalten Ost-West-Konflikt und treiben ihre Jungwähler zuverlässig zu den Piraten."
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