" Also, der fährt 200, das habe ich gesehen ..."
Februar 2007, Pressetermin auf dem Fichtelberg.
Ministerpräsident Georg Milbradt auf dem Gipfel - geographisch und politisch. Zum zweiten Mal in Folge ist er soeben von einer privaten Initiative mit dem Titel "bester Ministerpräsident Deutschlands" ausgezeichnet worden. Die Große Koalition in Sachsen, die er als Regierungschef seit Ende 2004 führt, arbeitet weitgehend geräuschlos. Die innenpolitische Lage ist unspektakulär, fast langweilig.
An diesem Tag im Februar dreht sich alles um die Zukunft des Erzgebirges. Vor allem um die Frage, wie es dort weitergehen soll, wenn der Schnee ausbleiben wird in den deutschen Mittelgebirgen.
Nun, nach der halbtägigen Konferenz steht eine kurze Schlittenfahrt für den Regierungschef auf dem Programm. Ein reizvolles Bildmotiv. Doch erfahrenen Presseleuten treibt ein solcher Fototermin eher den Angstschweiß auf die Stirn - denn wer will schon die Nachricht vermitteln, dass sich mit dem Ministerpräsidenten Schlitten fahren lässt.
" Ja, kommen Sie ... (lacht) ... habt Ihr den Erste-Hilfe- Koffer dabei? Gut?"
Prof. Georg Milbradt, Jahrgang 1945, seit knapp fünf Jahren Ministerpräsident in Sachsen braust davon.
Auf einem gelben Motorschlitten der Bergwacht Johanngeorgenstadt, ohne Mütze, ohne Schal. Kein Zweifel: er ist scharfen Gegenwind gewöhnt. Keine leichten Jahre liegen hinter ihm. Erfolgreiche Jahre als Finanzminister, dann der Kampf um die Nachfolge seines einstigen Förderers und Duz-Freundes Kurt Biedenkopf und ein beispielloses politisches Comeback gegen alle Widerstände.
Im Februar 2007 zählen vor allem die Zahlen. Sachsen steht gut da, gilt als Musterknabe unter den ostdeutschen Bundesländern und als Primus, da es jüngst mit den "reichen" westdeutschen Bundesländern in kleiner Runde am Tegernsee über die Zukunft des Länderfinanzausgleichs diskutieren durfte - auf Augenhöhe - wie gern betont wird. Sachsen liegt in der Pro-Kopf-Verschuldung bundesweit an zweiter Stelle, nur die Bayern sind noch besser.
Zudem ist es gelungen, neben dem Barock auch High-Tech- und die Automobilindustrie zu neuer Blüte zu führen. Der Aufschwung ist überall zu sehen und zu spüren.
Schon wenige Wochen später gerät der Freistaat in die Schlagzeilen. Berichte, nach denen der Verfassungsschutz rechtswidrig Daten und Informationen gesammelt hat, machen die Runde. Es geht um ein angeblich weit gespanntes Netzwerk aus korrupten Politikern, Immobilienhändlern, Justizbediensteten und Polizisten.
Zunächst steht die Frage im Mittelpunkt, ob diese Akten vernichtet werden müssen. Eigentlich hätten sie nie erhoben werden dürfen.
Eine Protestnote des Datenschutzbeauftragten an das Innenministerium ist der Auslöser für den Streit. Doch Innenminister Albrecht Buttolo, CDU, weigert sich, die 15.600 Seiten schreddern zu lassen.
Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages wird eingeschaltet. Sie soll die Akten prüfen und das weitere Vorgehen festlegen.
Was dann folgt, ist beispiellos. Die Geschichte vom mutmaßlichen "Sachsen-Sumpf" nimmt an Fahrt auf, zieht ihre Kraft offenbar allein schon aus dem Umfang der Aktenmenge. Obwohl der Inhalt hochgeheim ist, gelangen fortwährend brisante Details nach draußen, werden im Internet veröffentlicht. Offensichtlich gibt es ein Leck im sächsischen Amt für Verfassungsschutz. Davon profitiert der Frankfurter Publizist und Autor Jürgen Roth. In unzähligen Interviews in Funk, Fernsehen und Printmedien, gibt er - der bereits mehrere Bücher zum Thema Korruption veröffentlicht hat - Auskunft über die angeblichen hoch korrupten Netzwerke im ostdeutschen Musterland. Roth hat Kenntnis von geheimen Unterlagen, lange vor den anderen Journalisten.
Immer mehr Zeitungen berichten im Juni über angeblich korrupte Staatsanwälte und Richter und zwielichtige Immobilienhändler. Es geht um Vorteilsnahme im Amt, um Kinderprostitution und sogar um Mord. Zeitungen und Magazine berichten stets aufs Neue, Sachsen versinke in einem Sumpf von Skandalen.
Derweil agiert die sächsische Staatsregierung hilflos. Da keiner über den Inhalt der Akten sprechen darf und nur einige wenige Landtagsabgeordnete den tatsächlichen Gehalt kennen, blühen die Gerüchte und Verdächtigungen.
Alles scheint irgendwie mit allem zusammen zu hängen. Diesen Eindruck schürt kräftig die Fraktion der Linken. Deren Fraktionschef André Hahn, der auch Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission ist, und somit den Inhalt der Akten kennt, erklärt im Landtag:
" Der Sumpf in Sachsen ist offenbar tiefer und breiter, als sich wohl die allermeisten von uns vorstellen konnten. Es ist unser aller Aufgabe dazu beizutragen, diesen Sumpf schnellstens trocken zu legen."
Verstärkt und bundesweit relevant wird der Skandal im Freistaat erst mit der Brandrede des sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo, CDU. Im Juni sorgt er im Landtag für Aufsehen, als er sich zu Informationen des Landesamtes für Verfassungsschutz, kurz LfV äußert:
" Als ich Näheres von den Kenntnissen des LfV erfuhr, war ich in der Tat schockiert. Ich kann ebenso wie sie, Herr Hahn, hier keine Einzelheiten sagen, dies wäre strafbarer Geheimnisverrat. Mein Gewissen jedenfalls verlangt, den einzelnen Vorwürfen nachzugehen."
Die Generalbundesanwältin in Karlsruhe hatte es kurz zuvor abgelehnt, die Ermittlungen an sich zu ziehen. Monika Harms hegte als eine der Ersten erhebliche Zweifel, ob sich aus den ominösen Akten überhaupt ein Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung im Freistaat ableiten ließe.
Doch man werde den Kampf mit dem Netzwerk aufnehmen, erklärt Innenminister Albrecht Buttolo. Man wolle es zerschlagen.
Die Linksfraktion nutzt die Gunst der Stunde und fordert die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Er soll die Rolle der Regierung in diesem vermuteten Geflecht aus Amtsträgern, Glückrittern und Kriminellen aufklären. André Hahn:
" Manche der Straftatvorwürfe sind verschiedenen Institutionen in Sachsen offenbar seit Jahren bekannt, ohne dass dagegen ernsthaft vorgegangen wurde. Jetzt ist es allerhöchste Zeit, aufzuräumen und auszumisten."
Erst im zweiten Anlauf gelingt es, den Untersuchungsausschuss einzusetzen. Auch FDP und Bündnisgrüne fordern rückhaltlose Aufklärung.
Ausschussvorsitzender wird schließlich der Linke Klaus Bartl. Der frühere DDR-Staatsanwalt aus Chemnitz hat Anfang des Jahres 2007 zwei zentrale Zeugen der "Sumpf-Geschichte" anwaltlich vertreten. Bartl tritt auch gemeinsam mit dem Frankfurter Buchautor Jürgen Roth bei einer Lesung aus dessen neuem Buch zum "Sachsen-Sumpf" auf. Rückblickend meint die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau:
" Natürlich war diese Akten- und Korruptionsaffäre ein gefundenes Fressen für die Linke. Das ist ganz verständlich. Die Linke hat ja jahrzehntelang damit leben müssen, dass sie ja stigmatisiert worden ist, dafür dass sie eben genau solche Sachen sich hat zu Schulden kommen lassen. Die DDR hatte ja auch den Ruf, dass da alles gemauschelt wird, und jetzt war eben die Möglichkeit zu beweisen, dass die Demokratie auch nicht viel besser ist."
Der neue Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos meldet im Juli ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer der zentralen Quellen des Landesverfassungsschutzes an. Und zwar für den Aktenkomplex, der Leipzig betrifft.
Es besteht zudem der Verdacht, dass Akten manipuliert sein könnten. Entgegen den Vorschriften soll ein aktiver Polizeibeamter als Quelle genutzt worden sein, der seine bereits bekannten Erkenntnisse aus Ermittlungsverfahren vertraulich an den Verfassungsschutz übergeben hatte.
In anderen Worten: die Akten wurden aufgepeppt und spannend gemacht, obwohl die Inhalte bereits in früheren Ermittlungsverfahren ausgewertet worden waren.
Als Hauptverantwortliche für dieses Vorgehen wird die frühere Leiterin des inzwischen aufgelösten "Referates zur Beobachtung der organisierten Kriminalität in Sachsen" ausgemacht.
Eine aus dem Osten stammende frühere Staatsanwältin - und "charismatische Dame, die begeistern konnte", wie auch Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo bekennt. Er ist ihr in Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leim gegangen.
" Ich muss offen gestehen, ich bedaure es, dass wir hier nicht die notwendige Kritik angesetzt haben."
Eine unabhängige Prüfungskommission aus renommierten westdeutschen Richtern und Verfassungsschutzexperten kommt wenig später, im August, zu dem Ergebnis, Kontrollmechanismen und die Fachaufsicht des Ministeriums hätten komplett versagt. Prüfkommissions-Mitglied Dietrich Beyer, ein ehemaliger Bundesrichter resümiert:
" Dass es eine Verkettung von unglücklichen Umständen gewesen ist. Ich will es damit nicht verharmlosen, ich will nur damit sagen, dass von diesen mehreren Faktoren, angefangen von der Personalsituation über die internen und externen Kontrollmechanismen, bis hin zu den Vorschriften, die wir uns angesehen haben: Alles hat zusammengewirkt."
"Schlapphüte außer Kontrolle" titelt eine überregionale Tageszeitung. Der Sumpf entpuppt sich als handfeste Krise des Verfassungsschutzes, doch der angeschlagene Innenminister bleibt im Amt.
Die Folgen der monatelangen Gerüchte und Mutmaßungen sind damit nicht getilgt. Antje Hermenau von den Bündnisgrünen:
" Was mich sehr stört an der Politik der Linken, wie sie gerade läuft, ist, dass sie den Eindruck erweckt, dass alle an der Regierung nur Versager und Betrüger seien. Das führt dazu, dass die Leute nicht etwa sagen, die Linke hat die guten Leute, sondern es führt dazu, dass die Leute sagen, alle in der Politik sind korrupt oder Versager, und das wird ein großes Misstrauen bedeuten. Es gibt einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die politische Klasse schlichtweg, und der wird durch das Theater, das die Linke oft veranstaltet, natürlich verstärkt."
Um Vertrauen und Glaubwürdigkeit geht es auch in den anderen drei Bereichen, die - allen voran - den Regierungchef und die CDU belasten.
Geradezu grotesk hat sich der Streit um die inzwischen weltbekannte, aber nicht existierende Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal entwickelt.
Wird sie gebaut, verliert Dresden aller Voraussicht nach den begehrten Unesco-Welterbe-Titel. Eine Blamage wäre das wohl nicht nur für die Sachsen, sondern auch für die Bundesregierung.
Die hatte eine entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung unterschrieben, diese aber nicht in nationales Recht umgesetzt.
Sachsens Regierungschef Milbradt zeigt sich kompromisslos. Er will die Brücke bauen, weil sich im Februar 2005 knapp zwei Drittel der Dresdner Bürger in einem Bürgerentscheid für die umstrittene Elbquerung ausgesprochen hätten:
" Es gibt einen Bürgerentscheid und nach unserer Rechtslage ist der Bürgerentscheid bindend, und es gibt niemanden, der diesen Bürgerentscheid außer Kraft setzen kann. Und das was von mir ständig gefordert wird, ist schlichter Rechtsbruch."
Das stimmt zwar einerseits, ist aber andererseits nicht die ganze Wahrheit.
Zahlreichen Bürgern, die einst für die Brücke stimmten, ist nun daran gelegen, den Welterbe-Titel nicht zu verlieren. Sie wünschen sich eine "Unesco-verträgliche Brücke" im Elbtal.
Doch Milbradt bleibt stur, sucht weder die Vermittlung noch einen Kompromiss:
" Ich finde es auch nicht sehr gut, wenn ich mit Taliban verglichen werde und verunglimpft werde. Ich glaube, das ist auch kein guter Beitrag, aber ich rege mich nicht auf darüber, und wer austeilt, der muss auch einstecken."
In die Kritik geriet Georg Milbradt auch nach dem fremdenfeindlich motivierten Übergriff auf acht Inder im sächsischen Mügeln. Er habe zu spät reagiert, den Vorgang verharmlost, und die Regierung habe kein Konzept gegen den Rechtsextremismus im Freistaat, heißt es. Milbradt geht in die Offensive:
" Auch wenn es keinen rechtsradikalen Hintergrund hätte: die Tatsache, dass Menschen verfolgt werden, dass es zu Körperverletzung, zu Landfriedensbruch kommt, ist etwas, das in unserem Land nicht passieren darf."
Mügeln macht indessen weiter bundesweit Negativ-Schlagzeilen.
Im Vorzimmer von Bürgermeister Gotthard Deuse laufen die Telefone heiß.
Immer wieder müssen sich die Sekretärinnen beschimpfen lassen, als "Nazis" und Schlimmeres. Deuse selbst gießt mehrfach Öl ins Feuer, obwohl er eigentlich seine Stadt nur in Schutz nehmen will:
" Die Stadt Mügeln ist keine organisierte rechtsextreme Szene, und ich denke das mit Recht auch sagen zu können. Eigentlich in jedem Dorf, in jeder Stadt in Gesamtdeutschland gibt es Rechte, die man nicht vermeiden kann.
Deshalb sage ich noch mal, wir sind nicht ausländerfeindlich, sondern wir leben mit den Ausländern und das wollen wir auch weiterhin tun."
Die Diskussion um die Vorgänge von Mügeln überdeckt zunächst die schlechten Nachrichten des US-amerikanischen Immobilien- und Hypothekenmarktes.
Ein Bericht vom 10. August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über größere risikoreiche Engagements der sächsischen Landesbank im krisengebeutelten Hypothekenmarkt wird umgehend dementiert. Doch just in diesem Moment beginnt der erste Akt in dem wohl größten Drama der Amtszeit des Volkswirtschafts-Professors Georg Milbradt als Landesvater.
Die kleinste und zudem einzige ostdeutsche Landesbank gilt schon länger als Sorgenkind. Sie ist überdies "das Baby" Milbradts. Der hatte einst davon geträumt, sie zu einer machtvollen und einflussreichen Landesbank für alle fünf ostdeutschen Bundesländer auszubauen. Doch daraus wurde nichts.
Statt dessen bleibt ihr Geschäftsbereich nur sächsisch.
Für Schlagzeilen sorgt lediglich der damalige Vorstand mit zahlreichen Affären und Skandalen. Dennoch hält Milbradt in einer Art Nibelungentreue an ihm fest. Inzwischen ist die alte Führungsriege in der Versenkung verschwunden, bis heute werden die Hinterlassenschaften durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet.
Das Jahr 2005 markiert einen Neuanfang in der kleinen, aber feinen Landesbank. Neue Köpfe suchen neue Ziele und Märkte, und setzen dabei auf Dublin, wo gleich mehrere Zweckgesellschaften gegründet werden, um den Handel mit internationalen Schuldverschreibungen einfacher und effektiver abwickeln zu können.
Das geht lange gut, so gut, dass alle Kritiker verstummen. Auch die Aufsichtsgremien lassen die Bankmanager gewähren. Schließlich kommen vor allem die Kommunen in den Genuss der Überschüsse, die die SachsenLB erwirtschaftet. Vielleicht hat auch mancher im Verwaltungsrat gar nicht verstanden, was schwarz auf weiß zu prüfen ist. Der Bank-Bilanz allein jedenfalls ist der volle Umfang des Risiko-Geschäfts nicht zu entnehmen.
Das US-amerikanische Hypothekengeschäft hätte die Bank nun um ein Haar in den Ruin getrieben. Nur durch einen blitzschnellen Notverkauf am 26. August an die Landesbank Baden-Württemberg konnte das Schlimmste abgewendet werden. Doch der Image-Schaden bleibt.
" Na ja, es gibt ein ganz ordentliche Vertrauenskrise in diesem Land, das hat zum einen damit zu tun, dass die sächsische Union in zwei ihrer Markenkerne, wo man ihr also Vertrauen entgegen gebracht hat, versagt hat. Das ist die innere Sicherheit und das ist vor allem die Frage Wirtschaft und Finanzen."
Die Opposition wittert Morgenluft. Linksfraktion, FDP und Bündnisgrüne fordern den Rücktritt Georg Milbradts und einen Neuanfang in Sachsen. Wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären käme die CDU nach einer aktuellen Forsa-Umfrage auf nur noch 37 Prozent, das sind vier weniger als noch vor knapp drei Jahren. Das wirft alte Fragen auf und stellt die politische Zukunft Georgs Milbradts an der Spitze der sächsischen CDU in Frage.
An diesem Samstag müssen die Delegierten des CDU-Landesparteitages in Mittweida entscheiden, ob Milbradt weiter machen darf oder nicht. Sollte sein Ergebnis unter 70 Prozent liegen, wäre dies wohl das Ende seiner Amtszeit.
Zwar hat ihn der Landesvorstand einstimmig nominiert, haben CDU-Kreisvorsitzende und sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Treueschwüre abgelegt, dennoch bleibt die Anspannung. Das sagt auch sein hiesiger Hauptrivale, der aus dem Erzgebirge stammende Kutusminister Steffen Flath:
" Anspannung ist normal. Das ist vor jedem Parteitag so, denn die Wahlen sind geheim."
Der andere Rivale sitzt im Bundeskanzleramt Berlin, gibt sich zurückhaltend. Er kann warten:
" Mein Platz ist in Berlin und bleibt es auch."
Dennoch gilt Thomas de Maizière, der frühere sächsische Finanz-, Innen- und Justizminister als Geheimwaffe der Bundes-CDU. Die beobachtet mit Grausen, wie die einstige CDU-Bastion in Sachsen wankt. Besorgnis erregen dürfte hierbei noch ein weiterer Befund: Nach einer aktuellen Umfrage der Sächsischen Zeitung halten zwei Drittel aller Sachsen den Sozialismus im Prinzip für eine gute Idee. Und selbst bei konservativen Mitgliedern der CDU gibt es hierzu eine klare Mehrheit. 48 Prozent stimmen zu.
Ein "Weiter so!" dürfte es also nicht geben, egal, wie die Delegierten an diesem Wochenende entscheiden. Ob Neuwahlen - wie von der Opposition gefordert - eine gute Lösung wären, darf bezweifelt werden. Derzeit wären CDU und SPD nicht in der Lage, allein eine Mehrheit zu bilden.
Statt dessen wachsen nur die Ränder. Die Linkspartei legt zu auf 29 Prozent, die rechtsextreme NPD liegt aktuell bei 9 Prozent. In der Summe wählt demnach gut ein Drittel extrem links oder rechts im Freistaat.
Februar 2007, Pressetermin auf dem Fichtelberg.
Ministerpräsident Georg Milbradt auf dem Gipfel - geographisch und politisch. Zum zweiten Mal in Folge ist er soeben von einer privaten Initiative mit dem Titel "bester Ministerpräsident Deutschlands" ausgezeichnet worden. Die Große Koalition in Sachsen, die er als Regierungschef seit Ende 2004 führt, arbeitet weitgehend geräuschlos. Die innenpolitische Lage ist unspektakulär, fast langweilig.
An diesem Tag im Februar dreht sich alles um die Zukunft des Erzgebirges. Vor allem um die Frage, wie es dort weitergehen soll, wenn der Schnee ausbleiben wird in den deutschen Mittelgebirgen.
Nun, nach der halbtägigen Konferenz steht eine kurze Schlittenfahrt für den Regierungschef auf dem Programm. Ein reizvolles Bildmotiv. Doch erfahrenen Presseleuten treibt ein solcher Fototermin eher den Angstschweiß auf die Stirn - denn wer will schon die Nachricht vermitteln, dass sich mit dem Ministerpräsidenten Schlitten fahren lässt.
" Ja, kommen Sie ... (lacht) ... habt Ihr den Erste-Hilfe- Koffer dabei? Gut?"
Prof. Georg Milbradt, Jahrgang 1945, seit knapp fünf Jahren Ministerpräsident in Sachsen braust davon.
Auf einem gelben Motorschlitten der Bergwacht Johanngeorgenstadt, ohne Mütze, ohne Schal. Kein Zweifel: er ist scharfen Gegenwind gewöhnt. Keine leichten Jahre liegen hinter ihm. Erfolgreiche Jahre als Finanzminister, dann der Kampf um die Nachfolge seines einstigen Förderers und Duz-Freundes Kurt Biedenkopf und ein beispielloses politisches Comeback gegen alle Widerstände.
Im Februar 2007 zählen vor allem die Zahlen. Sachsen steht gut da, gilt als Musterknabe unter den ostdeutschen Bundesländern und als Primus, da es jüngst mit den "reichen" westdeutschen Bundesländern in kleiner Runde am Tegernsee über die Zukunft des Länderfinanzausgleichs diskutieren durfte - auf Augenhöhe - wie gern betont wird. Sachsen liegt in der Pro-Kopf-Verschuldung bundesweit an zweiter Stelle, nur die Bayern sind noch besser.
Zudem ist es gelungen, neben dem Barock auch High-Tech- und die Automobilindustrie zu neuer Blüte zu führen. Der Aufschwung ist überall zu sehen und zu spüren.
Schon wenige Wochen später gerät der Freistaat in die Schlagzeilen. Berichte, nach denen der Verfassungsschutz rechtswidrig Daten und Informationen gesammelt hat, machen die Runde. Es geht um ein angeblich weit gespanntes Netzwerk aus korrupten Politikern, Immobilienhändlern, Justizbediensteten und Polizisten.
Zunächst steht die Frage im Mittelpunkt, ob diese Akten vernichtet werden müssen. Eigentlich hätten sie nie erhoben werden dürfen.
Eine Protestnote des Datenschutzbeauftragten an das Innenministerium ist der Auslöser für den Streit. Doch Innenminister Albrecht Buttolo, CDU, weigert sich, die 15.600 Seiten schreddern zu lassen.
Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages wird eingeschaltet. Sie soll die Akten prüfen und das weitere Vorgehen festlegen.
Was dann folgt, ist beispiellos. Die Geschichte vom mutmaßlichen "Sachsen-Sumpf" nimmt an Fahrt auf, zieht ihre Kraft offenbar allein schon aus dem Umfang der Aktenmenge. Obwohl der Inhalt hochgeheim ist, gelangen fortwährend brisante Details nach draußen, werden im Internet veröffentlicht. Offensichtlich gibt es ein Leck im sächsischen Amt für Verfassungsschutz. Davon profitiert der Frankfurter Publizist und Autor Jürgen Roth. In unzähligen Interviews in Funk, Fernsehen und Printmedien, gibt er - der bereits mehrere Bücher zum Thema Korruption veröffentlicht hat - Auskunft über die angeblichen hoch korrupten Netzwerke im ostdeutschen Musterland. Roth hat Kenntnis von geheimen Unterlagen, lange vor den anderen Journalisten.
Immer mehr Zeitungen berichten im Juni über angeblich korrupte Staatsanwälte und Richter und zwielichtige Immobilienhändler. Es geht um Vorteilsnahme im Amt, um Kinderprostitution und sogar um Mord. Zeitungen und Magazine berichten stets aufs Neue, Sachsen versinke in einem Sumpf von Skandalen.
Derweil agiert die sächsische Staatsregierung hilflos. Da keiner über den Inhalt der Akten sprechen darf und nur einige wenige Landtagsabgeordnete den tatsächlichen Gehalt kennen, blühen die Gerüchte und Verdächtigungen.
Alles scheint irgendwie mit allem zusammen zu hängen. Diesen Eindruck schürt kräftig die Fraktion der Linken. Deren Fraktionschef André Hahn, der auch Mitglied der parlamentarischen Kontrollkommission ist, und somit den Inhalt der Akten kennt, erklärt im Landtag:
" Der Sumpf in Sachsen ist offenbar tiefer und breiter, als sich wohl die allermeisten von uns vorstellen konnten. Es ist unser aller Aufgabe dazu beizutragen, diesen Sumpf schnellstens trocken zu legen."
Verstärkt und bundesweit relevant wird der Skandal im Freistaat erst mit der Brandrede des sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo, CDU. Im Juni sorgt er im Landtag für Aufsehen, als er sich zu Informationen des Landesamtes für Verfassungsschutz, kurz LfV äußert:
" Als ich Näheres von den Kenntnissen des LfV erfuhr, war ich in der Tat schockiert. Ich kann ebenso wie sie, Herr Hahn, hier keine Einzelheiten sagen, dies wäre strafbarer Geheimnisverrat. Mein Gewissen jedenfalls verlangt, den einzelnen Vorwürfen nachzugehen."
Die Generalbundesanwältin in Karlsruhe hatte es kurz zuvor abgelehnt, die Ermittlungen an sich zu ziehen. Monika Harms hegte als eine der Ersten erhebliche Zweifel, ob sich aus den ominösen Akten überhaupt ein Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung im Freistaat ableiten ließe.
Doch man werde den Kampf mit dem Netzwerk aufnehmen, erklärt Innenminister Albrecht Buttolo. Man wolle es zerschlagen.
Die Linksfraktion nutzt die Gunst der Stunde und fordert die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Er soll die Rolle der Regierung in diesem vermuteten Geflecht aus Amtsträgern, Glückrittern und Kriminellen aufklären. André Hahn:
" Manche der Straftatvorwürfe sind verschiedenen Institutionen in Sachsen offenbar seit Jahren bekannt, ohne dass dagegen ernsthaft vorgegangen wurde. Jetzt ist es allerhöchste Zeit, aufzuräumen und auszumisten."
Erst im zweiten Anlauf gelingt es, den Untersuchungsausschuss einzusetzen. Auch FDP und Bündnisgrüne fordern rückhaltlose Aufklärung.
Ausschussvorsitzender wird schließlich der Linke Klaus Bartl. Der frühere DDR-Staatsanwalt aus Chemnitz hat Anfang des Jahres 2007 zwei zentrale Zeugen der "Sumpf-Geschichte" anwaltlich vertreten. Bartl tritt auch gemeinsam mit dem Frankfurter Buchautor Jürgen Roth bei einer Lesung aus dessen neuem Buch zum "Sachsen-Sumpf" auf. Rückblickend meint die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau:
" Natürlich war diese Akten- und Korruptionsaffäre ein gefundenes Fressen für die Linke. Das ist ganz verständlich. Die Linke hat ja jahrzehntelang damit leben müssen, dass sie ja stigmatisiert worden ist, dafür dass sie eben genau solche Sachen sich hat zu Schulden kommen lassen. Die DDR hatte ja auch den Ruf, dass da alles gemauschelt wird, und jetzt war eben die Möglichkeit zu beweisen, dass die Demokratie auch nicht viel besser ist."
Der neue Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos meldet im Juli ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer der zentralen Quellen des Landesverfassungsschutzes an. Und zwar für den Aktenkomplex, der Leipzig betrifft.
Es besteht zudem der Verdacht, dass Akten manipuliert sein könnten. Entgegen den Vorschriften soll ein aktiver Polizeibeamter als Quelle genutzt worden sein, der seine bereits bekannten Erkenntnisse aus Ermittlungsverfahren vertraulich an den Verfassungsschutz übergeben hatte.
In anderen Worten: die Akten wurden aufgepeppt und spannend gemacht, obwohl die Inhalte bereits in früheren Ermittlungsverfahren ausgewertet worden waren.
Als Hauptverantwortliche für dieses Vorgehen wird die frühere Leiterin des inzwischen aufgelösten "Referates zur Beobachtung der organisierten Kriminalität in Sachsen" ausgemacht.
Eine aus dem Osten stammende frühere Staatsanwältin - und "charismatische Dame, die begeistern konnte", wie auch Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo bekennt. Er ist ihr in Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leim gegangen.
" Ich muss offen gestehen, ich bedaure es, dass wir hier nicht die notwendige Kritik angesetzt haben."
Eine unabhängige Prüfungskommission aus renommierten westdeutschen Richtern und Verfassungsschutzexperten kommt wenig später, im August, zu dem Ergebnis, Kontrollmechanismen und die Fachaufsicht des Ministeriums hätten komplett versagt. Prüfkommissions-Mitglied Dietrich Beyer, ein ehemaliger Bundesrichter resümiert:
" Dass es eine Verkettung von unglücklichen Umständen gewesen ist. Ich will es damit nicht verharmlosen, ich will nur damit sagen, dass von diesen mehreren Faktoren, angefangen von der Personalsituation über die internen und externen Kontrollmechanismen, bis hin zu den Vorschriften, die wir uns angesehen haben: Alles hat zusammengewirkt."
"Schlapphüte außer Kontrolle" titelt eine überregionale Tageszeitung. Der Sumpf entpuppt sich als handfeste Krise des Verfassungsschutzes, doch der angeschlagene Innenminister bleibt im Amt.
Die Folgen der monatelangen Gerüchte und Mutmaßungen sind damit nicht getilgt. Antje Hermenau von den Bündnisgrünen:
" Was mich sehr stört an der Politik der Linken, wie sie gerade läuft, ist, dass sie den Eindruck erweckt, dass alle an der Regierung nur Versager und Betrüger seien. Das führt dazu, dass die Leute nicht etwa sagen, die Linke hat die guten Leute, sondern es führt dazu, dass die Leute sagen, alle in der Politik sind korrupt oder Versager, und das wird ein großes Misstrauen bedeuten. Es gibt einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die politische Klasse schlichtweg, und der wird durch das Theater, das die Linke oft veranstaltet, natürlich verstärkt."
Um Vertrauen und Glaubwürdigkeit geht es auch in den anderen drei Bereichen, die - allen voran - den Regierungchef und die CDU belasten.
Geradezu grotesk hat sich der Streit um die inzwischen weltbekannte, aber nicht existierende Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal entwickelt.
Wird sie gebaut, verliert Dresden aller Voraussicht nach den begehrten Unesco-Welterbe-Titel. Eine Blamage wäre das wohl nicht nur für die Sachsen, sondern auch für die Bundesregierung.
Die hatte eine entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung unterschrieben, diese aber nicht in nationales Recht umgesetzt.
Sachsens Regierungschef Milbradt zeigt sich kompromisslos. Er will die Brücke bauen, weil sich im Februar 2005 knapp zwei Drittel der Dresdner Bürger in einem Bürgerentscheid für die umstrittene Elbquerung ausgesprochen hätten:
" Es gibt einen Bürgerentscheid und nach unserer Rechtslage ist der Bürgerentscheid bindend, und es gibt niemanden, der diesen Bürgerentscheid außer Kraft setzen kann. Und das was von mir ständig gefordert wird, ist schlichter Rechtsbruch."
Das stimmt zwar einerseits, ist aber andererseits nicht die ganze Wahrheit.
Zahlreichen Bürgern, die einst für die Brücke stimmten, ist nun daran gelegen, den Welterbe-Titel nicht zu verlieren. Sie wünschen sich eine "Unesco-verträgliche Brücke" im Elbtal.
Doch Milbradt bleibt stur, sucht weder die Vermittlung noch einen Kompromiss:
" Ich finde es auch nicht sehr gut, wenn ich mit Taliban verglichen werde und verunglimpft werde. Ich glaube, das ist auch kein guter Beitrag, aber ich rege mich nicht auf darüber, und wer austeilt, der muss auch einstecken."
In die Kritik geriet Georg Milbradt auch nach dem fremdenfeindlich motivierten Übergriff auf acht Inder im sächsischen Mügeln. Er habe zu spät reagiert, den Vorgang verharmlost, und die Regierung habe kein Konzept gegen den Rechtsextremismus im Freistaat, heißt es. Milbradt geht in die Offensive:
" Auch wenn es keinen rechtsradikalen Hintergrund hätte: die Tatsache, dass Menschen verfolgt werden, dass es zu Körperverletzung, zu Landfriedensbruch kommt, ist etwas, das in unserem Land nicht passieren darf."
Mügeln macht indessen weiter bundesweit Negativ-Schlagzeilen.
Im Vorzimmer von Bürgermeister Gotthard Deuse laufen die Telefone heiß.
Immer wieder müssen sich die Sekretärinnen beschimpfen lassen, als "Nazis" und Schlimmeres. Deuse selbst gießt mehrfach Öl ins Feuer, obwohl er eigentlich seine Stadt nur in Schutz nehmen will:
" Die Stadt Mügeln ist keine organisierte rechtsextreme Szene, und ich denke das mit Recht auch sagen zu können. Eigentlich in jedem Dorf, in jeder Stadt in Gesamtdeutschland gibt es Rechte, die man nicht vermeiden kann.
Deshalb sage ich noch mal, wir sind nicht ausländerfeindlich, sondern wir leben mit den Ausländern und das wollen wir auch weiterhin tun."
Die Diskussion um die Vorgänge von Mügeln überdeckt zunächst die schlechten Nachrichten des US-amerikanischen Immobilien- und Hypothekenmarktes.
Ein Bericht vom 10. August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über größere risikoreiche Engagements der sächsischen Landesbank im krisengebeutelten Hypothekenmarkt wird umgehend dementiert. Doch just in diesem Moment beginnt der erste Akt in dem wohl größten Drama der Amtszeit des Volkswirtschafts-Professors Georg Milbradt als Landesvater.
Die kleinste und zudem einzige ostdeutsche Landesbank gilt schon länger als Sorgenkind. Sie ist überdies "das Baby" Milbradts. Der hatte einst davon geträumt, sie zu einer machtvollen und einflussreichen Landesbank für alle fünf ostdeutschen Bundesländer auszubauen. Doch daraus wurde nichts.
Statt dessen bleibt ihr Geschäftsbereich nur sächsisch.
Für Schlagzeilen sorgt lediglich der damalige Vorstand mit zahlreichen Affären und Skandalen. Dennoch hält Milbradt in einer Art Nibelungentreue an ihm fest. Inzwischen ist die alte Führungsriege in der Versenkung verschwunden, bis heute werden die Hinterlassenschaften durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet.
Das Jahr 2005 markiert einen Neuanfang in der kleinen, aber feinen Landesbank. Neue Köpfe suchen neue Ziele und Märkte, und setzen dabei auf Dublin, wo gleich mehrere Zweckgesellschaften gegründet werden, um den Handel mit internationalen Schuldverschreibungen einfacher und effektiver abwickeln zu können.
Das geht lange gut, so gut, dass alle Kritiker verstummen. Auch die Aufsichtsgremien lassen die Bankmanager gewähren. Schließlich kommen vor allem die Kommunen in den Genuss der Überschüsse, die die SachsenLB erwirtschaftet. Vielleicht hat auch mancher im Verwaltungsrat gar nicht verstanden, was schwarz auf weiß zu prüfen ist. Der Bank-Bilanz allein jedenfalls ist der volle Umfang des Risiko-Geschäfts nicht zu entnehmen.
Das US-amerikanische Hypothekengeschäft hätte die Bank nun um ein Haar in den Ruin getrieben. Nur durch einen blitzschnellen Notverkauf am 26. August an die Landesbank Baden-Württemberg konnte das Schlimmste abgewendet werden. Doch der Image-Schaden bleibt.
" Na ja, es gibt ein ganz ordentliche Vertrauenskrise in diesem Land, das hat zum einen damit zu tun, dass die sächsische Union in zwei ihrer Markenkerne, wo man ihr also Vertrauen entgegen gebracht hat, versagt hat. Das ist die innere Sicherheit und das ist vor allem die Frage Wirtschaft und Finanzen."
Die Opposition wittert Morgenluft. Linksfraktion, FDP und Bündnisgrüne fordern den Rücktritt Georg Milbradts und einen Neuanfang in Sachsen. Wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären käme die CDU nach einer aktuellen Forsa-Umfrage auf nur noch 37 Prozent, das sind vier weniger als noch vor knapp drei Jahren. Das wirft alte Fragen auf und stellt die politische Zukunft Georgs Milbradts an der Spitze der sächsischen CDU in Frage.
An diesem Samstag müssen die Delegierten des CDU-Landesparteitages in Mittweida entscheiden, ob Milbradt weiter machen darf oder nicht. Sollte sein Ergebnis unter 70 Prozent liegen, wäre dies wohl das Ende seiner Amtszeit.
Zwar hat ihn der Landesvorstand einstimmig nominiert, haben CDU-Kreisvorsitzende und sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Treueschwüre abgelegt, dennoch bleibt die Anspannung. Das sagt auch sein hiesiger Hauptrivale, der aus dem Erzgebirge stammende Kutusminister Steffen Flath:
" Anspannung ist normal. Das ist vor jedem Parteitag so, denn die Wahlen sind geheim."
Der andere Rivale sitzt im Bundeskanzleramt Berlin, gibt sich zurückhaltend. Er kann warten:
" Mein Platz ist in Berlin und bleibt es auch."
Dennoch gilt Thomas de Maizière, der frühere sächsische Finanz-, Innen- und Justizminister als Geheimwaffe der Bundes-CDU. Die beobachtet mit Grausen, wie die einstige CDU-Bastion in Sachsen wankt. Besorgnis erregen dürfte hierbei noch ein weiterer Befund: Nach einer aktuellen Umfrage der Sächsischen Zeitung halten zwei Drittel aller Sachsen den Sozialismus im Prinzip für eine gute Idee. Und selbst bei konservativen Mitgliedern der CDU gibt es hierzu eine klare Mehrheit. 48 Prozent stimmen zu.
Ein "Weiter so!" dürfte es also nicht geben, egal, wie die Delegierten an diesem Wochenende entscheiden. Ob Neuwahlen - wie von der Opposition gefordert - eine gute Lösung wären, darf bezweifelt werden. Derzeit wären CDU und SPD nicht in der Lage, allein eine Mehrheit zu bilden.
Statt dessen wachsen nur die Ränder. Die Linkspartei legt zu auf 29 Prozent, die rechtsextreme NPD liegt aktuell bei 9 Prozent. In der Summe wählt demnach gut ein Drittel extrem links oder rechts im Freistaat.