Donnerstag, 16. Mai 2024

Archiv


Nach dem Spiel ist vor der Uni

Im Hauptberuf Fußballprofi, Handballer oder Leichtathlet und nebenbei studieren, das ist an der Universität Oldenburg möglich. Dort ist der Studiengang BWL speziell auf die Bedürfnisse und die knappe Freizeit Leistungssportlern abgestimmt. Statt im Hörsaal lernen sie auf dem virtuellen Campus.

Von Patric Seibel | 02.12.2011
    "Also wenn ich wirklich nach 'nem verlorenen Spiel keine Lust habe, mich dann noch am freien Tag hinzusetzen und was für die Uni zu machen, dann mach ich's auch nicht."

    Florian Bruns ist kein normaler Student. Im Hauptberuf ist er Fußballprofi beim Zweitligisten FC St. Pauli in Hamburg. Der 32-jährige Mittelfeldspieler kommt vom Vormittagstraining, sitzt frisch geduscht beim Zeugwart - zwischen Waschmaschinen, Trocknern und Fußballklamotten. Bruns studiert im neunten Semester BWL in Oldenburg. Doch den Hörsaal betritt er nicht. Er bekommt seine Lerninhalte per Post und per Internet:

    "Pro Semester kann man sich ganz selber flexibel einteilen, wie viel Module man belegen möchte und pro Modul bekommt man am Anfang der Zeit einen Ordner, der wird durchgearbeitet da gibt es einige Onlineaufgaben, die man beantworten kann. Da gibt's ein Feedback das ist aber nicht Pflicht."

    Daneben gibt es Präsenztage. Dann treffen sich alle Studierenden eines Moduls an der Uni:

    "Und nach vier Wochen ist dann ein fester Termin und da wird 'ne Klausur über das Material geschrieben und da muss man nach Oldenburg hin und im Anschluss der Klausuren werden weitere Themen besprochen für Präsentation, für Hausarbeit."

    Ein trüber Herbsttag. Dichter Nebel hängt über dem Campus in Oldenburg. Etwas abseits liegt das Zentrum für lebenslanges Lernen. Heute ist Präsenztag für eine gute Handvoll Studierende. Die Mischung ist bunt: Neben Fußballern studieren Leichtathleten, Segler, Basketballer, Reiter. Und Handballer, wie Tim Grothaus. Er sitzt im Büro des Studiengangmanagers:

    "Wir haben heute das Modul Unternehmensprozesse und haben heute Morgen unsere Klausur geschrieben und jetzt geht's eben noch darum unsere Projektgruppen zu bilden und da ein schönes Projekt zu finden."

    Neben dem Handballer sitzt Dressurreiterin Johanna von Fircks. Sie sucht nach einem Thema für die Bachelorarbeit. Die morgendliche Klausur hat sie gut überstanden:

    "Wir sind als Sportler doch gewohnt, dass wenn man sich vorbereitet, man sich auch exakt vorbereitet und dann fällt so ne Klausur auch leicht."

    Studiengangsmanager Günther Hohlfeld stimmt mit beiden gerade den Studienplan für die kommenden Wochen ab. Er ist beeindruckt vom Elan seiner 40 BWLer:

    "Die sind supernormal aber auch super. Also Leistungssport zu betreiben und dann nebenbei noch so ein Studium zu machen, das ist nicht einfach. Aber die Studierenden, die wir hier haben, nehmen ganz gerne diese Herausforderung an und machen das ganz toll."

    Das Studium kostet Geld: 12.000 bis 13.000 Euro kommen zusammen, sagt Leiterin Birte Henrich. Für Profifußballer wohl weniger ein finanzielles Problem- bei anderen Athleten helfen Sponsoren. Für den Erfolg des Studiums ist das passende Lernprogramm entscheidend, erklärt die Soziologin Doktor Henrich:

    "Wir kucken zunächst welche Themen gehören hinein, wie bekommen wir das gut studierbar? Wir haben die Situation, dass wir zweimal zwei Präsenztage haben. Ansonsten läuft vieles online - wir haben eine sehr ausgereifte Lernumgebung unsere virtuelle Universität und da in dieser virtuellen Universität treffen sich die Studierenden mit Mentoren und Dozenten. Da werden Themen ausgetauscht, Arbeiten besprochen in Foren gearbeitet und das ist 'ne ganz wesentliche Grundlage für den Erfolg der Studierenden."

    Als einer der Nächsten wird der gebürtige Oldenburger Jörg Butt den Abschluss machen. Mit 26 verwandelten Elfmetern ist er der torgefährlichste Torhüter der Bundesligageschichte. St. Pauli-Profi Florian Bruns hofft, dass er sich in zwei Semestern an die Bachelorarbeit setzen kann. Für den 32-Jährigen ist das Studium auch aus menschlichen Gründen eine Bereicherung – eine ganz andere Welt als der Fußball:

    "Es geht um entweder gewinnen oder verlieren, es gibt immer nur dieses schwarz und weiß. Es kennen ja, glaub ich, viele das Studentenleben, da geht's nicht immer nur um schwarz und weiß, entweder bin ich der Beste oder der Schlechteste entweder hab ich versagt oder ich bin der Gewinner. Es ist auch viel mehr ein Miteinander."

    Studieren auch ohne tägliches Campusleben – es klappt im BWL-Studiengang für Leistungssportler an der Uni Oldenburg. Nur auf Studentenpartys traut sich Florian Bruns nicht.

    "Nicht mehr, dafür bin ich leider zu alt, glaub ich. Also, dann denken die vielleicht, dass ich ein Dozent bin oder ein Professor sogar in meinem Alter. Aber am Anfang, als ich die ersten Gänge gemacht habe, bin ich auf die ein oder andere Studentenparty gegangen"