Aus dem geöffneten Geschirrspüler dringt warmer Wasserdampf. Das Mittagessen ist beendet, die Kinder in der Kita Niehler Straße sind zurück in ihren Gruppenräumen, die jüngsten unter drei halten Mittagsschlaf. Rund hundert Kinder werden hier in sechs Gruppen von halb acht morgens bis halb fünf am Nachmittag betreut. Die Maschine ist durchgelaufen, die Teller vom Mittagessen sind sauber. Mit beiden Händen hebt Barbara Boden den voll beladenen Plastikkorb mit dem Geschirr heraus, stellt ihn auf die Anrichte. Der Blick der Erzieherin fällt auf die Küchenwagen, beladen mit schmutzigen Tellern, die als nächstes gespült werden müssen:
"Hier sehen wir drei von sechs Küchenwagen, die wir eigentlich täglich säubern müssen. Das Problem ist, dass wir die Körbe relativ voll packen können, nur um Zeit zu sparen. Nur nach der Säuberung müssen wir die Körbe dann auch hochstellen Das bedeutet eine enorme Kraftleistung, dann müssen wir sie auch wieder befüllen. Dann fragt man sich: Sind wir Erzieherinnen oder sind wir Reinigungskräfte?"
Doch eine Küchenhilfe gibt es nicht. Und so sortiert die 27-Jährige rund eine halbe Stunde am Tag Teller und Besteck - Zeit, in der ihre Kollegin mit zehn Kleinkindern unter drei Jahren alleine ist. Dabei hat Barbara Boden noch Glück, in ihrer Gruppe sind eben nur zehn Kinder. Andere Erzieherinnen, die Gruppen mit älteren Kindern betreuen, müssen das Geschirr von 25 Kindern wegräumen und dann bleibt manchmal nur eine Erzieherin im Gruppenraum. In dieser Zeit ist an Dinge wie Basteln oder Lernen der Uhr zum Beispiel nicht zu denken. So was funktioniert nur, wenn alle Erzieherinnen dabei sind. In manchen Kitas fällt sogar das Zähneputzen nach dem Mittagessen aus, wenn zu wenig Personal da ist. Wenn Barbara Boden abends nach Hause kommt, merkt die junge Frau, was sie tagsüber getan hat:
"Nach zwei Jahren Berufstätigkeit habe ich mit Rückenschmerzen zu kämpfen gehabt. Das habe ich mit Sport ganz gut in den Griff bekommen. Ich kann nicht sagen, dass ich das im Alltag so einschränken kann, weil ich einfach ganz viel mit den Kindern arbeite, gerade mit den Unter-drei-Jährigen erfordert das viel körperliche Belastung: die Kinder auf den Wickeltisch heben, viel Spielangebote auf dem Teppich. Ich kriege es in den Griff, aber ich frage mich, ob ich diesen Beruf bis zur Rente ausüben kann."
Ein Problem, mit dem Barbara Boden nicht alleine ist. Der Krankenstand in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten liegt bei rund 20 Prozent. In der Kita in Niehl kann es vorkommen, dass auch schon mal sieben von 18 Kolleginnen fehlen, berichtet die Leiterin, Sieglinde Teubner:
"Die meisten Mitarbeiter sind schon etwas älter, und selbst die kleinen Kinder sind nicht wirklich leicht. Dann haben wir das Sitzen auf kleinen Stühlchen. Ich habe eine Mitarbeiterin, die hat so einen Gesundheitsstuhl. Ich habe auch vom eigenen Etat für einige andere Mitarbeiter Hocker gekauft, damit die ein bisschen besser sitzen können. Aber das Problem ist ja: Die Tische sind flach, dann kann man auch wieder nicht am Tisch sitzen. Sondern man muss so quer sitzen. Dann durch unsere artfremden Arbeiten in der Küche, die schweren Körbe mit 25 Tellern aus der Geschirrspülmaschine heben. Das sind alles Dinge, die belasten."
Die Gesundheit war daher auch eines der zentralen Themen, für das Sieglinde Teubner und ihre Kolleginnen im Sommer auf die Straße gegangen sind. Nach 13 Tagen Streik gaben die Arbeitgeber nach und unterzeichneten mit den Gewerkschaften einen neuen Tarifvertrag, der am 1. November in Kraft tritt. Zentraler Punkt darin: der Gesundheitsschutz. Die Beschäftigten haben ab sofort Anspruch auf eine so genannte Gefährdungsanalyse nach dem Arbeitsschutzgesetz. Jede Kita bestimmt eine kleine Gruppe von Kollegen. Die sollen gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Stadt die kritischen Punkte im Arbeitsalltag herausarbeiten, erklärt der Kölner Personalratsvorsitzende Hermann Metzmacher:
"Jeder einzelne Beschäftigte hat jetzt das Recht, dass sein Arbeitsplatz auf Gefährdungen überprüft wird. Wir werden uns mit der Verwaltung über Formblätter oder eine Abfrage verständigen müssen, mit denen so eine Analyse stattfinden kann. Und die Auswertung werden wir dann gemeinsam mit der Verwaltung vornehmen."
Bis es ein verwertbares Ergebnis gibt, werden allerdings Monate vergehen. Und der Personalrat hat bereits jetzt seine Zweifel, dass die die aufgezählten Defizite dann zügig behoben werden. Denn die Kommunen haben bereits erklärt, dass sie noch nicht einmal wissen, wie sie die moderaten Gehaltserhöhungen der Kita-Mitarbeiter finanzieren sollen. Die waren das zweite wichtige Ergebnis des Streiks. Profitiert haben davon vor allem junge Erzieherinnen und Erzieher, die nach 2005 eingestellt wurden. Auch Barbara Boden bekam bisher deutlich weniger Geld als ältere Kollegen. Ab November wird sie rund 70 Euro netto mehr im Monat verdienen. Für sie habe sich der Streik zumindest finanziell gelohnt, meint die junge Frau. Was die Verbesserung der Arbeitsbedingungen angeht, bleibt sie allerdings skeptisch.
"Ich denke, für uns ist es gut, Verantwortung zu übernehmen und klar zu definieren, was in unserer Kita fehlt, was verbessert werden muss. Die Frage ist, dass diese Dinge eigentlich schon bei der Stadt deutlich gemacht wurden und bekannt sind. Bauliche Maßnahmen können nicht sofort durchgeführt werden. Wir warten immer noch auf den Umbau unseres Wickeltisches, der in geeigneter Höhe ist und der uns genügend Platz bietet. Wir warten immer noch auf eine Küchenkraft, die uns hilft, die großen Geschirrberge mittags zu bewältigen. Und das sind alles so Dinge, bei denen wir uns fragen, kann das von heute auf morgen umgesetzt werden. Aber wann kann es? Und wie lange können wir dem noch standhalten?"
Inzwischen sind die Kinder in Barbara Bodens Gruppe aus dem Mittagsschlaf aufgewacht. Die Erzieherin hat die zweijährige Leni aus dem Bett gehoben und legt sie auf den kleinen, zu hohen Wickeltisch. Liebevoll streicht sie dem verschlafenen Mädchen über den Kopf. Dass sie diesen Beruf gewählt hat, bereut sie trotz der Widrigkeiten und der Rückenschmerzen nicht. Und vielleicht hat der Streik ja doch mehr gebracht, als 70 Euro im Monat, meint die 27-Jährige:
"Der Streik hat mir insofern was gebracht, dass die Erzieherinnen mal auf die Straße gegangen sind und von ihren Arbeitsbedingungen berichtet haben. Ich fühle mich durch das Gemeinschaftsgefühl bestätigt, dass wir Erzieherinnen noch mehr Selbstbewusstsein zeigen müssen, was unseren Beruf angeht."
"Hier sehen wir drei von sechs Küchenwagen, die wir eigentlich täglich säubern müssen. Das Problem ist, dass wir die Körbe relativ voll packen können, nur um Zeit zu sparen. Nur nach der Säuberung müssen wir die Körbe dann auch hochstellen Das bedeutet eine enorme Kraftleistung, dann müssen wir sie auch wieder befüllen. Dann fragt man sich: Sind wir Erzieherinnen oder sind wir Reinigungskräfte?"
Doch eine Küchenhilfe gibt es nicht. Und so sortiert die 27-Jährige rund eine halbe Stunde am Tag Teller und Besteck - Zeit, in der ihre Kollegin mit zehn Kleinkindern unter drei Jahren alleine ist. Dabei hat Barbara Boden noch Glück, in ihrer Gruppe sind eben nur zehn Kinder. Andere Erzieherinnen, die Gruppen mit älteren Kindern betreuen, müssen das Geschirr von 25 Kindern wegräumen und dann bleibt manchmal nur eine Erzieherin im Gruppenraum. In dieser Zeit ist an Dinge wie Basteln oder Lernen der Uhr zum Beispiel nicht zu denken. So was funktioniert nur, wenn alle Erzieherinnen dabei sind. In manchen Kitas fällt sogar das Zähneputzen nach dem Mittagessen aus, wenn zu wenig Personal da ist. Wenn Barbara Boden abends nach Hause kommt, merkt die junge Frau, was sie tagsüber getan hat:
"Nach zwei Jahren Berufstätigkeit habe ich mit Rückenschmerzen zu kämpfen gehabt. Das habe ich mit Sport ganz gut in den Griff bekommen. Ich kann nicht sagen, dass ich das im Alltag so einschränken kann, weil ich einfach ganz viel mit den Kindern arbeite, gerade mit den Unter-drei-Jährigen erfordert das viel körperliche Belastung: die Kinder auf den Wickeltisch heben, viel Spielangebote auf dem Teppich. Ich kriege es in den Griff, aber ich frage mich, ob ich diesen Beruf bis zur Rente ausüben kann."
Ein Problem, mit dem Barbara Boden nicht alleine ist. Der Krankenstand in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten liegt bei rund 20 Prozent. In der Kita in Niehl kann es vorkommen, dass auch schon mal sieben von 18 Kolleginnen fehlen, berichtet die Leiterin, Sieglinde Teubner:
"Die meisten Mitarbeiter sind schon etwas älter, und selbst die kleinen Kinder sind nicht wirklich leicht. Dann haben wir das Sitzen auf kleinen Stühlchen. Ich habe eine Mitarbeiterin, die hat so einen Gesundheitsstuhl. Ich habe auch vom eigenen Etat für einige andere Mitarbeiter Hocker gekauft, damit die ein bisschen besser sitzen können. Aber das Problem ist ja: Die Tische sind flach, dann kann man auch wieder nicht am Tisch sitzen. Sondern man muss so quer sitzen. Dann durch unsere artfremden Arbeiten in der Küche, die schweren Körbe mit 25 Tellern aus der Geschirrspülmaschine heben. Das sind alles Dinge, die belasten."
Die Gesundheit war daher auch eines der zentralen Themen, für das Sieglinde Teubner und ihre Kolleginnen im Sommer auf die Straße gegangen sind. Nach 13 Tagen Streik gaben die Arbeitgeber nach und unterzeichneten mit den Gewerkschaften einen neuen Tarifvertrag, der am 1. November in Kraft tritt. Zentraler Punkt darin: der Gesundheitsschutz. Die Beschäftigten haben ab sofort Anspruch auf eine so genannte Gefährdungsanalyse nach dem Arbeitsschutzgesetz. Jede Kita bestimmt eine kleine Gruppe von Kollegen. Die sollen gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Stadt die kritischen Punkte im Arbeitsalltag herausarbeiten, erklärt der Kölner Personalratsvorsitzende Hermann Metzmacher:
"Jeder einzelne Beschäftigte hat jetzt das Recht, dass sein Arbeitsplatz auf Gefährdungen überprüft wird. Wir werden uns mit der Verwaltung über Formblätter oder eine Abfrage verständigen müssen, mit denen so eine Analyse stattfinden kann. Und die Auswertung werden wir dann gemeinsam mit der Verwaltung vornehmen."
Bis es ein verwertbares Ergebnis gibt, werden allerdings Monate vergehen. Und der Personalrat hat bereits jetzt seine Zweifel, dass die die aufgezählten Defizite dann zügig behoben werden. Denn die Kommunen haben bereits erklärt, dass sie noch nicht einmal wissen, wie sie die moderaten Gehaltserhöhungen der Kita-Mitarbeiter finanzieren sollen. Die waren das zweite wichtige Ergebnis des Streiks. Profitiert haben davon vor allem junge Erzieherinnen und Erzieher, die nach 2005 eingestellt wurden. Auch Barbara Boden bekam bisher deutlich weniger Geld als ältere Kollegen. Ab November wird sie rund 70 Euro netto mehr im Monat verdienen. Für sie habe sich der Streik zumindest finanziell gelohnt, meint die junge Frau. Was die Verbesserung der Arbeitsbedingungen angeht, bleibt sie allerdings skeptisch.
"Ich denke, für uns ist es gut, Verantwortung zu übernehmen und klar zu definieren, was in unserer Kita fehlt, was verbessert werden muss. Die Frage ist, dass diese Dinge eigentlich schon bei der Stadt deutlich gemacht wurden und bekannt sind. Bauliche Maßnahmen können nicht sofort durchgeführt werden. Wir warten immer noch auf den Umbau unseres Wickeltisches, der in geeigneter Höhe ist und der uns genügend Platz bietet. Wir warten immer noch auf eine Küchenkraft, die uns hilft, die großen Geschirrberge mittags zu bewältigen. Und das sind alles so Dinge, bei denen wir uns fragen, kann das von heute auf morgen umgesetzt werden. Aber wann kann es? Und wie lange können wir dem noch standhalten?"
Inzwischen sind die Kinder in Barbara Bodens Gruppe aus dem Mittagsschlaf aufgewacht. Die Erzieherin hat die zweijährige Leni aus dem Bett gehoben und legt sie auf den kleinen, zu hohen Wickeltisch. Liebevoll streicht sie dem verschlafenen Mädchen über den Kopf. Dass sie diesen Beruf gewählt hat, bereut sie trotz der Widrigkeiten und der Rückenschmerzen nicht. Und vielleicht hat der Streik ja doch mehr gebracht, als 70 Euro im Monat, meint die 27-Jährige:
"Der Streik hat mir insofern was gebracht, dass die Erzieherinnen mal auf die Straße gegangen sind und von ihren Arbeitsbedingungen berichtet haben. Ich fühle mich durch das Gemeinschaftsgefühl bestätigt, dass wir Erzieherinnen noch mehr Selbstbewusstsein zeigen müssen, was unseren Beruf angeht."