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Nach der Merz-Niederlage
Katerstimmung bei der CDU in Baden-Württemberg

Friedrich Merz war Wunschkandidat der CDU in Baden-Württemberg. Nach seinem Scheitern bei der Wahl zum Parteivorsitz ist die Enttäuschung im Südwesten groß. Eine Austrittswelle habe es aber nicht gegeben, beruhigt CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Von Uschi Götz | 11.12.2018
    Der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, Friedrich Merz, spricht auf dem CDU-Bundesparteitag zu den Delegierten.
    Friedrich Merz hat beim CDU-Bundesparteitag die Stichwahl gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verloren (dpa/Christian Charisius)
    Das Wahlergebnis auf dem Bundesparteitag in Hamburg war kaum verkündet, da sah man Delegierte aus Baden-Württemberg mit ernsten Mienen die Köpfe zusammenstecken. Die ersten Reaktionen aus dem Südwesten ließen Schlimmstes befürchten:
    "Also persönlich muss ich Ihnen sagen, habe ich mit vielen Anrufen, auch mit einigen Austritten abzufinden, wo auch einige Mitglieder, die jahrzehntelang dabei waren, mir jetzt geschrieben haben, sie wollen nicht weiter dabei bleiben, wegen der Entscheidung. Das tut weh, weil, das ist auch ein Verlust", sagte Wolfgang Reinhardt, CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, dem SWR. Merz war für viele im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg so etwas wie ein irdischer Messias.
    Coole Party endet im Kater
    Die Regionalkonferenz im schwäbischen Böblingen, bei der sich alle drei Kandidaten für den Parteivorsitz vorstellten, hatte viele CDU-Mitglieder regelrecht aufgeweckt: "Die Meinungsbildung und Meinungsfindung in der CDU Baden-Württemberg, wenn ich Thomas Strobl zitieren darf, war eine Feierstunde der Demokratie. Ich würde es etwas anders ausdrücken: Das war eine richtig coole Party."
    Die Party endete, so Generalsekretär Manuel Hagel, mit typischen Folgen:
    "Hat halt hinterher, der eine oder andere einen Kater. Bin mir aber sicher, dass das ziemlich schnell auch weichen wird, weil wir uns auch um jeden Einzelnen kümmern werden."
    Ob es bloß ein bisschen Katerstimmung, in dem 63.000 Mitglieder zählenden Landesverband war, das wird sich noch zeigen. Noch am Wochenende hieß es, die Austritte nach dem Bundesparteitag lägen im Südwesten im dreistelligen Bereich.
    Am Montagmittag beendete CDU-Landeschef Thomas Strobl die wilden Spekulationen: "Irgendjemand hat das Interesse, wir hätten jetzt da nach dem Bundesparteitag in der Südwest-CDU eine Massenaustrittswelle. Da kann ich Ihnen mal sagen: Das ist wirklich nicht faktenbasiert, sondern das ist Geschwätz."
    Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl während eines Pressestatements.
    Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) (picture alliance / dpa / Lino Mirgeler)
    Gelbe Karten und Aufschwung
    Frei aus dem Schwäbischen übersetzt: Dummes Zeug. Stand gestern waren es genau 13 Parteimitglieder, die ihren Austritt aus der CDU erklärt haben. Der baden-württembergischer Unternehmer Martin Herrenknecht kündigte an, er werde seine Mitgliedschaft ruhen lassen. Seit 36 Jahren ist er Parteimitglied:
    "Das ist das Einzige, was ich machen kann, als Mitglied die Auszeit zu nehmen. Und dann wird das die Gelbe Karte. Wenn es nicht läuft, gibt es dann die Rote Karte", so Herrenknecht gegenüber dem SWR. Sein Unternehmen ist Weltmarktführer für Tunnelbohrmaschinen. Allerdings gibt es auch Neumitglieder, wie der CDU-Landtagsabgeordnete und Kreisverbandsvorsitzende Thomas Blenke berichtet:
    "Die vergangenen Wochen haben unsere Partei unheimlich beflügelt, das hat einen wahninnigen Aufschwung bekommen. Wir haben zahlreiche Neueintritte erfreulicherweise zu verzeichnen gehabt, in den vergangenen Wochen."
    Die abtrünnigen Parteimitglieder nicht verlieren
    Blenkes Kreisverband zählte dabei zu den Unterstützern von Merz. "Insofern ist sicherlich eine gewisse Enttäuschung da, über das Wahlergebnis. Aber, wir sind alle Demokraten und müssen das natürlich akzeptieren."
    Entwarnung also aus dem Südwesten? Friedrich Merz sei nicht weg, "er ist mitten unter uns", betonte Landeschef Strobl derweil und kündigt an: "Wir werden Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützen. Und zwar in der Art und Weise, dass wir uns einbringen, das heißt freilich auch, kein Weiter-so."
    Annegret Kramp-Karrenbauer winkt auf dem Parteitag den Delegierten zu, neben ihr applaudiert Angela Merkel
    Annegret Kramp-Karrenbauer tritt die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende an (AFP)
    Das neue Jahr werde zum "Jahr der sozialen Marktwirtschaft und Mobilität" werden, so Strobl. Bereits Ende Januar treffe man sich zur Klausur, auch die neue Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer habe mündlich ihr Kommen zugesagt.
    Doch hinter den Kulissen ist längst ein Rettungsprogramm für abtrünnige Parteimitglieder angelaufen. "Ich habe die ganze Zeit schon gesagt, es ist wichtig, dass wir jetzt die 49 Prozent der Partei, die auch auf der Seite von Friedrich Merz waren, die mehr wirtschaftsliberal oder auch wertkonservativ ausgerichtet sind, im Mittelstandsland Baden-Württemberg mitnehmen."
    Wer wirklich verloren ist, das zeigt sich erst am Ende des Jahres. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart drückt das allerdings etwas schonender aus:
    "Man kann sicherlich noch gar nicht bilanzieren, das kann man frühestens Ende des Jahres. Das Zweite ist: Wir sprechen mit allen, die ihren Unmut äußern, damit sie nicht austreten"