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Nach der Plagiatsaffäre ist vor der Plagiatsaffäre

Ausgerechnet bei der "Badischen Zeitung", die sich sehr kritisch mit den Plagiatsvorwürfen gegen den Ex-Verteidigungsminister Guttenberg auseinandergesetzt hatte, macht jetzt ein Copy-and-Paste-Skandal die Runde.

Von Thomas Wagner | 05.03.2011
    Es zahlt sich eben aus, nicht nur eine, sondern mehrerer Tageszeitungen zu lesen:

    "Also letzten Endes war es so, dass ich vor vier Jahren eine Geschichte in der 'Süddeutschen' gelesen habe, die mir dann in der 'Badischen Zeitung' zwei Tage später sehr bekannt vor kam. Jetzt, vier Jahre später, war es ein Zufallsfund, muss ich ganz offen sagen, weil das Thema 'Guttenberg-Plagiate‘ ein Thema war. Und ich hab‘ mich einfach dafür interessiert, was die Redakteurin, die damals vor vier Jahren abgeschrieben hat, heute so publiziert. Und dabei bin ich dann `drauf gestoßen."

    Für den 41-jährigen Blogger und Journalisten Rudi Raschke aus Freiburg war 's ein Volltreffer.

    "Ich hab‘ mich mit vier Geschichten eingehender beschäftigt, wo sehr viele Stellen drin liegen, die abgekupfert sind, verniedlicht ausgedrückt. Es sind absatzweise wortgleiche Stellen, was die Übernahme angeht von Satzzeichen. Da muss man wirklich davon ausgehen, dass sie am Rechner ausgeschnitten und eingefügt wurden. Tatsächlich ist es so, dass der erste Text, mit dem ich mich beschäftigt habe, nahezu zu 100 Prozent eine Collage war aus mehren schon bestehenden Geschichten zum Thema."

    Rudi Raschke veröffentlichte die Vorwürfe in seinem eigenen kleinen Blog - und erzielte damit große Wirkung: Denn die Chefredaktion der "Badischen Zeitung" ging der Angelegenheit nach - und musste zähneknirschend erkennen: Die Vorwürfe stimmen. Chefredakteur Thomas Hauser:

    "Es war leider nicht übertrieben. Wir sind auf eine ganze Reihe von Fällen gestoßen, über zehn, ein paar kamen noch hinzu. Es ist natürlich ein Schock für ein Haus wie das unsrige."

    Vor allem deshalb, weil die Kollegin, gegen die sich die Plagiatsvorwürfe richten, als engagierte Autorin lebendiger Reportagen galt. Sie hat sich derzeit krank gemeldet. Sicher ist, dass die "Badische Zeitung" gegen sie disziplinarrechtliche Schritte einleiten wird. Welche genau, will Chefredakteur Thomas Hauser zum derzeitigen Zeitpunkt nicht sagen. Ansonsten hat das Blatt, das seit Jahrzehnten wegen seiner liberalen Grundhaltung und seiner Bereitschaft zum kritischen Umgang mit Themen aller Art über einen guten Ruf in der Region verfügt, die Flucht nach vorne angetreten: Nachdem Raschke-Blog informierte die "Badische Zeitung" ihre Leser selbst über die Plagiatsvorwürfe. Intern diskutieren die Redakteure derweil über die Frage: Wie konnte das passieren? Vor allem aber: Wie konnte das so unbemerkt passieren?

    "Es ist schon so eine Geschichte, wo man merkt, dass so eine schleichende Enthemmung in einem längerfristigen Prozess stattgefunden hat. Und das ist natürlich eine Geschichte, die man nicht einfach wegdrücken kann."

    "Schleichender Prozess" - das heißt: Erst wird nur ein Zitat aus einem anderen Medium übernommen, dann ein paar Sätze, schließlich, unverändert ganze Textpassagen. Neben persönlichen Gründen der Autorin möchte Chefredakteur Thomas Hauser nicht ausschließen, dass dabei auch der zunehmende Arbeits- und Leistungsdruck mitspielt, dem sich gerade die Redakteure einer Regionalzeitung ausgesetzt sehen:

    "Es ist sicher auch so Dinge, dass dann auch der wachsende Druck in den Redaktionen mitspielt, dieser Zwang, manchmal halt auch Dinge schnell machen zu sollen, solche Dinge begünstigen kann."

    Wachsender Druck in den Redaktionen einer Regionalzeitung - dem sehen sich aber nicht nur die Mitarbeiter der Badischen Zeitung ausgesetzt. Gerade Regionalzeitungen haben in den vergangenen Jahren die Zahl ihrer Redakteure deutlich reduziert. Die müssen heute zudem in erheblich höherem Umfang auch technische Aufgaben wahrnehmen - eine Entwicklung, die die jüngsten Plagiatsvorwürfe in keiner Weise entschuldigt, nach Ansicht des Freiburger Bloggers und Journalisten Rudi Raschke aber ähnliche Fälle bei anderen Zeitungen nicht ausschließt.

    "Tatsächlich glaube ich aber schon, dass die Dinge wie Zeitdruck, Leistungsdruck, Publikationsdruck, wer schreibt der bleibt, dass das dann schon dazu führt, dass bei immer weniger Spesen, die zur Verfügung stehen, auch, um Termine wahrzunehmen, dass letzten Endes sehr, sehr viel abgeschrieben wird. Nur, ich sag‘ ganz offen: Mir ist kein ähnlicher Fall bei der Badischen Zeitung in Freiburg bekannt."

    Dort diskutieren die Redakteure intensiv darüber, wie sie Plagiate zukünftig ausschließen können - eine Diskussion, die noch läuft und die sich schwierig gestaltet. Chefredakteur Thomas Hauser:

    "Und wenn ich jetzt jeden Kollegen unter Generalverdacht nehme, dann muss ich einen Überprüfungsapparat aufbauen, der mit meinem Selbstverständnis über Zeitungsmachen nicht zusammen passt."

    Allerdings müssten zukünftig alle redaktionellen Mitarbeiter eine Art "Frühwarnsystem" entwickeln, um Plagiate zu erkennen.
    "Da, denke ich, ist auch die Redaktion gefordert. Dass, wenn Verdachtsmomente da sind, man die auch schneller publik macht, um intern darüber reden zu können und sie abzustellen."