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Nach der Qimonda-Insolvenz

Kein Staubkörnchen schafft es durch die zischende Sicherheitsschleuse - aber trotzdem herrscht dicke Luft in den Reinräumen des Qimonda-Werkes in Vila do Conde. Noch stehen am Lastenaufzug die Paletten mit der Vorproduktion aus Dresden, noch testen die Ingenieure Chips unter Vollast, noch werden hier neun von zehn Speichereinheiten für die Computer dieser Welt gebaut.

Von Marc Koch | 27.01.2009
    Aber keiner der knapp 2000 Mitarbeiter weiß, wie lange das noch so sein wird. Von den Problemen des Mutterkonzerns in Deutschland haben sie natürlich gehört - doch was das für ihre eigene Zukunft bedeutet, sagt ihnen niemand, klagt Wartungsarbeiter Tiago Salgueiro.

    "Wir haben keine Informationen über die Lage. Wir sehen, dass es nicht gut läuft, dass es sogar ziemlich schlecht läuft. Aber mehr wissen wir nicht."

    Die portugiesische Metaller-Gewerkschaft fürchtet, dass bei Qimonda 1100 Jobs auf dem Spiel stehen - wenn das Werk nicht ganz geschlossen wird. Das wäre eine Katastrophe für die Region: Arbeitsplätze sind ohnehin Mangelware, außer ein paar Werften, ein bisschen Tourismus und Textilindustrie gibt es hier, südlich der Hafenstadt Porto, nicht viel. Wie das Symbol einer großartigen Zukunft steht dagegen der futuristische Firmenneubau von Qimonda im Industriegebiet Mindelo zwischen alten Fabriken.

    Nicht wirklich absichtlich sei der Halbleiterhersteller Portugals größtes Exportunternehmen geworden, kokettierte Qimonda-Chef Armando Tavares noch vor ein paar Monaten:

    "Unser Ziel war es, zu wachsen und wettbewerbsfähig zu sein, weltweit zu den besten Unternehmen in dieser Branche zu gehören. Dass wir dann zum größten Exporteur Portugals geworden sind, war eher Zufall."

    Heute sagt Armando Tavares gar nichts mehr: Qimonda droht, vom Wirtschaftsmotor zum Pflegefall zu werden. Und das, obwohl Staat und Steuerzahler Millionen in den Standort Vila do Conde gepumpt haben, schimpft Gewerkschaftssprecher Miguel Moreira:

    "Dieses Unternehmen hat in den vergangenen Jahren immer wieder Zuschüsse vom Staat und von der Europäischen Union bekommen, um die Zukunft zu sichern und Arbeitsplätze zu schaffen."

    700 Millionen Euro sind so in den letzten zehn Jahren in das Werk geflossen. Trotzdem haben die meisten Mitarbeiter nur Zeitverträge, die selten länger als ein paar Monate laufen. Für ihre 12-Stunden-Schichten bekommen sie im Schnitt 600 Euro - das ist nicht üppig, aber Alternativen gibt es kaum. Die Zeitarbeiter-Jobs könnten die ersten sein, die wegfallen: Wenn es keine Rettung für Qimonda gibt, werden diese Verträge einfach nicht verlängert, fürchtet Tiago Salgueiro.

    Es herrscht ein Klima der Unsicherheit. Die Leute sind total verunsichert und fragen sich, ob Qimonda jetzt bleibt oder zumacht. Vielleicht können sie noch einmal auf den Staat hoffen: Nach dem Hilfskredit, zu dem Portugal im vergangenen Dezember 100 Millionen Euro beigesteuert hat, signalisiert Regierungschef José Socrates, Qimonda werde nicht im Stich gelassen:

    "Ab sofort wird es darum gehen, die Aktivitäten des Unternehmens in Vila do Conde zu garantieren. Wir müssen in dieser Situation alles tun und prüfen, um den Betrieb von Qimonda Portugal sicherzustellen."

    Schon jetzt ist jeder Vierte in der kleinen Küstenstadt arbeitslos, wenn Qimonda schließt, würde das den Ort um Jahre zurückwerfen. Die Fabrik kooperiert mit den großen portugiesischen Universitäten in Lissabon, Porto und Aveiro, und hat neben ihren direkten noch weitere 2000 Jobs für Zulieferer und Spezialfirmen geschaffen. Viele Mitarbeiter nehmen lange Anfahrtswege in Kauf - eine Stelle bei Qimonda galt mal als sichere Bank, erklärt Wartungsarbeiter Tiago Salgueiro:

    "Alls ich hier angefangen habe, war es mein Ziel, eine gute Karriere in einem guten Unternehmen zu machen."

    Mittlerweile zweifelt nicht nur er an der Qualität seiner Firma: Mitarbeiter erzählen, die Produktion sei um 20 Prozent eingebrochen - wer nach den Gründen frage, bekomme aber keine Antwort. Ohne Qimonda würde die Lage in diesem Teil Portugals noch kritischer werden, als sie es ohnehin schon ist, meint Gewerkschafter Moreira:

    "Die ganzen Firmenpleiten hier in der Gegend. Der Norden wird eine deprimierende Region werden, ohne Perspektiven und ohne Zukunft."

    Sollte es aber wirklich zum Schlimmsten kommen, müsse Qimonda wenigstens die kassierten Fördergelder zurückzahlen, verlangt Gewerkschafter Moreira:
    "Wir wollen hoffen, dass diese Firma hier in Portugal bleibt. Wenn sie das allerdings nicht tut, muss der Wirtschaftsminister natürlich die Verantwortung übernehmen. Und es muss erreicht werden, dass diese Firma alle Zuschüsse wieder zurückgibt."

    Erstmal aber bekommt Qimonda weiter Geld: Das Unternehmen baut nebenan eine Fabrik für Fotovoltaik-Zellen. Wenn die Halbleiterproduktion wirklich dichtmacht, gäbe es da vielleicht ein paar neue Jobs - mit ein bisschen Glück für die Hälfte der heutigen Mitarbeiter.