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Nach kritischem Bericht
Landwirte fordern Absetzung von Journalistin

Einige bayerische Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich von der Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks ungerecht behandelt. Wegen eines kritischen Beitrags haben sie eine Petition gestartet - und fordern die Absetzung einer Fachjournalistin des BR.

Von Tobias Krone | 25.11.2019
Traktor mit Protestplakat mit der Aufschrift "Landwirt vom Aussterben bedroht".
Bundesweit haben am 22. Oktober Landwirte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstriert. (AFP / Ina Fassbender)
Es ist der 22. Oktober in München - wie in 15 anderen deutschen Großstädten auch haben sich mehrere tausend Landwirte nach Aufrufen der Bewegung "Land schafft Verbindung" versammelt. Der Frust über die Politik muss raus.
An diesem Abend berichtet auch der Bayerische Rundfunk über die Demonstration. In zwei Filmbeiträgen steht die Sicht der Bauern im Vordergrund. Zunächst im Bericht über den fränkischen Milchviehhalter Michael Heyder:
"Ich rede mit vielen Landwirten und Landwirtinnen, die sagen dasselbe. Sie haben das Gefühl, in Deutschland soll die Tierhaltung und die Landwirtschaft abgeschafft werden."
Nach den Sorgen des Bauern Michael Heyder sind die der Demonstrierenden an diesem Tag dran - in einem weiteren Beitrag:
"Das ist einfach unerträglich, wie man in der Gesellschaft angeschaut wird und sich anmachen lassen muss. Auch bei uns im kleinen Dorf werden wir immer wieder angegriffen."
Erste Kritik nach fünf Minuten Berichterstattung
Weil Reportagen aus der Sicht von Betroffenen geschildert werden, sind die beiden Beiträge eher einseitig. Danach beginnt das Gespräch mit der Landwirtschaftsredakteurin Christine Schneider. Erneut geht es um die Sorgen der Landwirtschaft, die Schneider erklärt.
"Und es stinkt ihnen, dass jeder mitredet. Sie sagen: 'Mensch, wir sind doch die Fachleute, wir haben eine Ausbildung. Und dann kommen da irgendwelche Leute aus der Stadt und sagen uns, wo's langgeht.' Da muss man aber auch wieder als Gegenargument sagen: Diese Leute aus der Stadt, also die Steuerzahler, legen jährlich allein in Deutschland fünf Milliarden Euro auf den Tisch für Flächenprämien für die Landwirte. Und da muss es auch erlaubt sein, dass die Gesellschaft dann sagt: für dieses Geld wollen wir Gegenleistungen."
Die erste konkrete Kritik an den Bauernprotesten nach knapp fünf Minuten Berichterstattung. Anschließend widmet sich Schneider noch dem mächtigen Bauernverband. Der habe wohl verschlafen, dass sich Landwirte nun ohne ihn auf Demos organisierten - in der Bewegung "Land schafft Verbindung", der zwar Bauernverbandsmitglieder angehören, die aber unabhängig wahrgenommen werden will.
Bauern starten Petition gegen Journalistin
Einigen Bauern ist die Kritik zu viel. Kurz darauf fordern sie den Bayerischen Rundfunk auf, Christine Schneider als Mitglied der Landwirtschaftsredaktion abzusetzen. Sie starten eine Petition auf der Internetplattform change.org, die mittlerweile mehr als 5.000 Unterschriften hat. Der Urheber der Petition ist nicht direkt zu erreichen. Die Plattform change.org ermöglicht einen Kontakt nur, wenn man vorher selbst unterschreibt - was sich für einen Journalisten verbietet. Der schriftliche Vorwurf der Petition lautet:
"Frau Schneider, Sie sind anscheinend der Meinung, dass Landwirtschaft nicht nachhaltig ist. Dann ist das eine persönliche Meinung. Wir wollen das erhalten, was uns Generationen vorher überlassen haben. Wir wollen nur unsere Rechte über unser Eigentum einfordern."
Die Bewegung "Land schafft Verbindung" vernetzt sich vor allem über die sozialen Medien - mit immer wieder aufploppender Medienkritik der Mitglieder. Ein Klima, in dem offenbar ein paar kritische Gegenargumente im Bayerischen Fernsehen reichen, um eine Moderatorin feuern zu wollen. Der BR erklärt auf Anfrage schriftlich: "Diese Forderung ist mit der Pressefreiheit nicht vereinbar".
Bauernverband teilt Kritik
Wie stehen dazu die Landwirte? Markus Drexler ist Pressesprecher beim Bayerischen Bauernverband, dem nach eigenen Angaben 90 Prozent der Landwirte angehören.
"Der Bauernverband kann Kritik an der medialen Berichterstattung rund um die Demos nachvollziehen. Der Bayerische Bauernverband hält aber nichts von Aktionen gegen einzelne Personen, insbesondere dann nicht, wenn die Kritik pauschal und nicht auf einer sachlichen Ebene formuliert ist."
Sachliche Kritik am Gespräch mit Christine Schneider sehe aber auch er geboten, sagt Drexler. So habe sie etwa nicht miterwähnt, dass Landwirte auch Steuerzahler seien und nicht nur die Städter.
Schneider will kein Interview geben, äußert sich aber in einer Sondersendung im Bayerischen Rundfunk am vergangenen Freitag zum Subventionsvorwurf:
"Ganz kurz, das ist ja jetzt kein Vorwurf von mir, sondern ich sage als Journalistin das, was ich seit Jahren und Jahrzehnten verfolge. Das ist eine Forderung von diversen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, das ist eine Forderung von ganz vielen Agrarwissenschaftlern, das ist eine Forderung von diversen Verbänden, die sagen: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen."
Beschwerde beim Rundfunkrat
Auch ein anderes Thema sah der Bauernverband falsch berichtet, nämlich dass er sehr wohl bei der Demo in München dabei gewesen sei - nur eben von den Organisatoren von "Land schafft Verbindung" gebeten wurden, keine Rede zu halten. Man schätze gerade den "Rückenwind" durch die Basisbewegung, um bei der Politik Druck zu machen, so Drexler.
Müsste dabei aber der Verband nicht stärker auf die Mitglieder einwirken, das pauschale Medienbashing sein zu lassen?
"Ich möchte nochmal klarstellen: Nach meinem Stand der Kenntnisse hat die Petition gegen die Landwirtschaftsexpertin Christine Schneider weder was zu tun mit führenden Personen der Bewegung 'Land schafft Verbindung' noch mit dem Bayerischen Bauernverband."
Allerdings hat der Bauernverband im Rundfunkrat des BR gegen den Beitrag Beschwerde eingelegt - sicherlich auch mit dem "Rückenwind" der Petition.