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Nach Thalys-Attacke
Europa überdenkt Sicherheitsmaßnahmen in Zügen

Nach der Attacke in einem Thalys-Zug gibt es Forderungen nach stärkeren Kontrollen in Bahnen. Die werden aber wohl schwer umzusetzten sein. Frankreichs Präsident François Hollande hat unterdessen drei Amerikaner und einen Briten für ihr Eingreifen mit der Ehrenlegion ausgezeichnet.

Von Kai Küstner | 24.08.2015
    Sicherheitskräfte vor einem Thalys-Zug in Arras in Nordfrankreich.
    Sicherheitskräfte vor einem Thalys-Zug in Arras in Nordfrankreich. (AFP / Philippe Huguen)
    Werden Europas Bahnhöfe bald zu Flughäfen? Werden Passagiere künftig Sicherheitsschleusen zu durchlaufen haben, bevor sie an Bord eines Zuges gehen? Dass es so kommt, ist unwahrscheinlich.
    Aber Belgiens Regierungschef Charles Michel möchte sich dem doch zumindest etwas annähern: "Was den Zugverkehr angeht, so müssen wir die Pass- und Gepäckkontrollen stark ausweiten. Nun gibt es Regeln im Schengen-Raum, die wir einhalten müssen. Aber wenn nötig, müssen wir diese Regeln ändern."
    Heute schon an Flughäfen erinnert fühlen sich all jene, die mit dem Eurostar-Zug von Brüssel nach London reisen. Jeder Passagier muss sich eine halbe Stunde vorher am "Terminal" einfinden, das Gepäck durchleuchten und den Pass kontrollieren lassen. Was auch daran liegt, dass die Briten eben nicht Teil des Schengen-Raums sind - jener Zone also innerhalb Europas, die keine Grenzbäume und somit auch keine Passkontrollen mehr kennt.
    Experten: Flächendeckende Kontrollen unmöglich
    Ähnliche Sicherheitsmaßnahmen wie beim Eurostar kann sich Belgiens Premier aber offenbar auch beim Thalys-Schnellzug vorstellen, wie er dem öffentlich-rechtlichen Sender RTBF sagte: "Wir haben es mit einer neuen Bedrohung in Europa zu tun. Folglich müssen die Regierungen und Behörden in den betroffenen Ländern das Thema anpacken."
    Nun halten es Verkehrsexperten für schlicht unmöglich, die Kontrollen an Flughäfen eins zu eins auf das Schienennetz zu übertragen. Das ginge erstens zeitlich gar nicht. Damit auch wirklich nichts schiefgeht, müsste man streng genommen an jedem noch so kleinen Bahnhof eine Hochsicherheitszone einrichten, damit auch wirklich nichts schiefginge.
    Eine ganz andere Frage ist die, ob man damit nicht das Recht auf grenzenlose Bewegungsfreiheit in Europa - also Schengen - völlig aushebelt. "Wenn es sich um punktuelle Kontrollen handelt, dann steht das im Einklang mit Schengen. Dauerhaft-systematische Kontrollen aber stellen das System infrage", erklärt ein Brüsseler Europa-Experte.
    Freiheit oder Sicherheit?
    Nachdem am Freitagabend möglicherweise ein Amoklauf in einem Thalys-Zug gerade noch vereitelt wurde, patrouillieren nun vermehrt Polizisten an Bord. Die Belgier führen verstärkt Pass- und Gepäck-Checks in Hochgeschwindigkeitszügen durch. All das fällt unter die Rubrik: punktuelle Kontrollen.
    Aber einige in Europa, nicht nur der belgische Premier, wünschen sich mehr. Die EU-Kommission hält die Freizügigkeit in Europa für unverhandelbar, kündigte aber an, die Sicherheitsvorkehrungen bei der Bahn überprüfen zu lassen. Wieder einmal, ähnlich wie nach dem Terror von Paris im Januar, wird Europa nun eine Debatte darüber führen, ob es Freiheiten zugunsten von Sicherheit opfern sollte.