Samstag, 18. Mai 2024

Gewalt
Nach Überfall auf Ecke (SPD) in Dresden: "Angriffe auf Politiker nicht nur verurteilen, sondern aktiv Maßnahmen ergreifen"

Die Politik in Bund und Ländern gerät zunehmend unter Druck, um konkrete Maßnahmen gegen Angriffe auf Politiker durchzusetzen.

14.05.2024
    Zerstörte Wahlplakate zur Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liegen auf dem Gehweg.
    Zerstörte Wahlplakate und Angriffe auf Politiker - zu Straftaten wie diesen kommt es seit Jahren. Zuletzt nahmen die Zahlen jedoch deutlich zu. (picture alliance / Geisler-Fotopress / Thomas Bartilla )
    Zwingend nötig seien Schutzmaßnahmen und konsequente Strafverfolgung, heißt es etwain öffentlichen Debatten nach dem jüngsten Überfall auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Ecke. Achselzuckendes Hinnehmen sei niemals eine Option, betonte Bundeskanzler Scholz. Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt (Grüne) appellierte: "Wir müssen diese Angriffe nicht nur verurteilen, sondern aktiv Maßnahmen ergreifen um unsere Demokratie zu schützen." EU-Parlamentspräsidentin Metsola, verlangte, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden müssten.
    Bundesinnenministerin Faeser (SPD) regte für kommende Woche eine Sondersitzung mit ihren Länderkollegen an, um über Schutzmaßnahmen zu beraten. Mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Stübgen (CDU), habe sie diesbezüglich bereits Kontakt gehabt, heißt es. Die SPD-Politikerin sagte der Bild am Sonntag, es gehe darum, ein Maßnahmenpaket zu schnüren, das mehr Präsenz der Polizei vor Ort und ein hartes Durchgreifen gegen Feinde der Demokratie vorsehe. Stübgen kündigte derweil ein Treffen für Dienstag an.

    Gewerkschaft der Polizei fordert Sicherheitspaket für die Demokratie

    Die Gewerkschaft der Polizei plädiert für eine Verschärfung des Strafrechts. Gewalt sei keine politische Meinung, sondern kriminelles Handeln, auf das man sofort und stark reagieren müsse, sagte der GdP-Vorsitzende Kopelke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er forderte ein - Zitat: "Sicherheitspaket für die Demokratie". Die Angriffe hätten nur das eine Ziel: durch Gewalt, Einschüchterung und Bedrohung Demokratie praktisch nicht mehr lebbar zu machen. Menschen, die sich für das Gemeinwesen einbringen wollten, sollten abgeschreckt werden. Dies sei politisch motivierte Kriminalität, die harte Antworten verlange.
    Nach Ansicht Kopelkes ist es zudem erforderlich, die Ermittler im Bereich der politisch motivierten Kriminalität technisch und personell besser auszustatten und deren Befugnisse zu stärken. Die Polizei müsse bessere Möglichkeiten haben, auf Daten zuzugreifen.

    Grüne besonders oft von Gewalt betroffen

    Ecke war Freitagabend von mehreren Personen beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden zusammengeschlagen worden. Ein 17-Jähriger stellte sich inzwischen der Polizei. Auch ein Wahlhelfer der Grünen wurde angegriffen. Der Staatsschutz ermittelt.
    Mitglieder der Grünen waren zuletzt besonders häufig im Fokus von Störern und Randalierern. Vor einer Woche konnte Göring-Eckardt eine Partei-Veranstaltung in Brandenburg 45 Minuten lang nicht verlassen, weil Demonstranten in "aggressiver Stimmung" ihre Abreise blockiert hatten. Ähnliche Erfahrungen machten auch Bundes-Wirtschaftsminister Habeck Anfang Januar in Nordfriesland beim Versuch, eine Fähre zu verlassen. Im baden-württembergischen Biberach sagten die Grünen im Februar wegen massiver Proteste den politischen Aschermittwoch ab.

    AfD am zweithäufigsten von Gewalt betroffen

    Die Übergriffe betreffen allerdings alle Parteien - auch AfD, SPD, Linke sowie FDP und CDU. Die Zahlen politisch motivierter Straftaten sind zuletzt vielfach gestiegen, wie die Bundesregierung auf Anfrage von AfD-Abgeordneten mitteilte. Der vorläufigen Statistik des Bundeskriminalamts zufolge wurden im vergangenen Jahr 1.219 Fälle politisch motivierter Angriffe gegen Repräsentanten der Grünen erfasst. 2022 waren es 575 Delikte. AfD-Politiker wurden demnach 478 Mal tätlich angegriffen. Am dritthäufigsten traf es Vertreter der SPD mit 420 Delikten.
    Erst am vergangenen Wochenende wurden Mitglieder der Grünen in Chemnitz und Zwickau beim Anbringen von Wahlplakaten angegangen. In Freiberg und Penig traf es ebenfalls Grünen-Wahlhelfer. Ähnliche Meldungen gibt es aus anderen Bundesländern. Am Donnerstagabend wurde der Grünen-Kommunalpolitiker Fliß und der Bundestagsabgeordnete Gehring nach einer Parteiveranstaltung in Essen in Nordrhein-Westfalen attackiert. Im niedersächsischen Nordhorn wurde ein Landtagsabgeordneter der AfD laut Polizei an einem Infostand geschlagen. Nach Angaben der Polizei ist in Dresden am Samstagnachmittag zu Gewalt gegen Menschen an einem Wahlkampfstand der AfD gekommen.

    AfD wird für aufgeheizte Stimmung verantwortlich gemacht

    Während hinter dem Angriff auf die AfD Anhänger des linksgerichteten Spektrum vermutet werden, werden Anhänger des rechtsgerichteten Spektrums für die Angriffe auf Ecke und die Grünen-Wahlhelfer verantwortlich gemacht. Die deutsche SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley warf der AfD vor, den Boden für solche Übergriffe bereitet zu haben: "Wir alle erinnern uns an die Worte von Alexander Gauland: Wir werden sie jagen. Und das ist ein Teil dieser Entwicklung." Kanzler Scholz, ebenfalls SPD, meinte, dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun. CDU-Bundestagsvizepräsidentin Magwas sagte ntv, ein Grund ist die Hetze der AfD gegen die Grünen und alle anderen demokratischen Parteien. Das ist der Kern des Übels.
    AfD-Chef Chrupalla erklärte, physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssten "inhaltlich hart und konstruktiv", aber ohne Gewalt geführt werden.
    Diese Nachricht wurde am 05.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.