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Nachdenken über Web 2.0

In München fand Anfang der Woche zum dritten Mal die Konferenz DLD statt, ausgerichtet von Verleger Hubert Burda. DLD – der Name steht für drei Schlagworte: - Themen, über die in München mehr als 1000 Teilnehmer drei Tage lang diskutierten.

Von Thomas Reintjes |
    Wenn Hubert Burda ruft, kommen sie alle: Caterina Fake vom Yahoo-Fotodienst Flickr, Marissa Mayer von Google und Nicholas Negroponte, der Kindern in Entwicklungsländern zu Billig-Notebooks verhelfen will. Eine der meist gestellten Fragen an die prominenten und weniger prominenten Experten dürfte die Frage nach der Bubble, der Blase gewesen sein. Wenn 1,65 Milliarden Dollar für YouTube bezahlt werden und geschätzte 85 Millionen Euro für das deutsche Studentennetzwerk StudiVZ – sind das Anzeichen für eine Überbewertung, für einen Hype wie es ihn in den 90ern schon einmal gab? Google-Vizechefin Marissa Mayer verneint:

    "Diese Web-2.0-Websites wie Myspace und YouTube – sind die wirklich ein Geschäft? Absolut! Sie wissen so genau, was die Nutzer wollen und was sie als nächstes tun sollten. Und speziell zu YouTube: Da könnte noch viel passieren, was Videosuche und Werbung angeht. Aber wenn Leute mich fragen, was ich zur Nutzeroberfläche von YouTube hinzufügen würde, ist meine Antwort: Nichts! Das YouTube-Team weiß genau, was es tut, sie sind so nah dran am Nutzer. Sie bringen genau die Funktionen, die die Nutzer wollen und machen alles richtig."

    Während das Portemonnaie bei Investoren zurzeit locker zu sitzen scheint, müssen sich Web-Jungunternehmer öfter die Frage nach ihrem Geschäftsmodell gefallen lassen. Im vergangenen Jahr ging es in München noch um den Spaß am Bloggen und Podcasten, um witzige Ideen, darum, was sich so alles anstellen lässt, wenn Online- und Offline-Welt immer enger zusammenwachsen. In diesem Jahr gehörte die Frage nach der wirtschaftlichen Seite zum Standardrepertoire der Moderatoren auf dem Podium. Die Antworten allerdings ernüchternd: Viel mehr als Werbung oder kostenpflichtige Premium-Accounts fällt kaum jemandem ein.

    "Ich habe Leute gefragt, wie viel sie für die Nutzung von Google bezahlen würden. Sie sagten, vielleicht 20 Dollar im Jahr. Und ich fragte, wie viele Suchanfragen sie starten. Und sie sagten, oh, viele, vielleicht 20 am Tag. Wenn man das hochrechnet sind das 5000 Anfragen. Also, wenn ich pro Anfrage einen Penny durch Werbung verdiene, bekomme ich 50 Dollar von den Werbekunden, aber vom Nutzer bekäme ich nur 20. Also bei der Suche scheint Werbung sinnvoll zu sein, woanders ist es vielleicht ein kostenpflichtiger Account oder Online-Handel."

    Dass es weniger um verrückte neue Ideen ging, nahm auch etwas den Spaß aus der dreitägigen Konferenz. Inspirierende Vorträge junger Kreativer, wie es sie noch im vergangenen Jahr reichlich gab, wichen einem Podiumsdiskussions-Marathon. Dabei ging es dann aber doch auch um Ideen, die nachhaltig wirken können. Vor allem den Telekommunikationsanbietern wollen viele einen Teil ihrer Umsätze abgraben. Jajah aus Österreich will Voice-Over-IP vereinfachen und auf das Handy bringen. Truphone aus London versucht ähnliches und setzt auf die steigende Verbreitung von WLAN-fähigen Mobiltelefonen. Gründer Alexander Straub:

    "Wir haben einen neuen Mobile Carrier geschaffen, der global ist, den man überall auf der Welt benutzen kann und der mit modernen Endgeräten über WiFi kommuniziert. Und dieses Unternehmen heißt Truphone, true steht für wahr, es ist das wahre Telefon. Es ist das Telefon, das man überall in der Welt mit hinnehmen kann, unter der gleichen Nummer erreichbar ist, ohne Angst zu haben, dass man riesige Telefonrechnungen hat."

    Straub denkt über Kooperationen nach, sodass in Zukunft beispielsweise jedes Nokia-Handy mit vorinstallierter Truphone-Software ausgeliefert werden könnte. Konkurrenz macht ihm Skype, das Unternehmen will ebenfalls zum Standard für Voice-over-IP auf dem Handy werden. Dessen Gründer Zennström ist allerdings schon einen Schritt weiter. Während er noch dabei ist, mit Skype den Markt für Telefonie neu zu ordnen, plant Zennström schon, wie er mit Fernsehen Geld verdienen kann. In München präsentierte er seine Plattform Joost. Über das Programm sollen in Zukunft Streams von Fernsehfilmen und -serien verkauft werden. Zumindest auf der Konferenz in München schien es also so, als ob sich die Netzwirtschaft wieder auf etablierte Geschäftsfelder stürzt: Werbung, Telefonieren, Fernsehen. Location Based Services, ortsbezogene Informations-Dienste, noch vor einem Jahr bejubelt, spielten plötzlich keine Rolle mehr. Dafür bewiesen die Organisatoren von Burda ihr Gespür für Modethemen: Zum Abschluss gab's eine Diskussionsrunde über den Klimawandel.