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Nachdenkliche Zauberlehrlinge

Umwelt. - Um unseren Umgang mit der Erde sorgt sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und Politikern, die heute auf der Zugspitze eine Deklaration vorgestellt hat, wie mit den Problemen des Planeten verantwortlich umgegangen werden soll. Die Forscher rufen dazu auf, insbesondere den Klimawandel möglichst rasch durch technologische Mittel zu mindern.

Von Björn Schwentker | 26.09.2008
    Für eine wissenschaftliche Tagung war die Veranstaltung fast winzig: Gerade mal 40 Wissenschaftler und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen waren vier Tage lang im bayerischen Wildbad Kreuth in Klausur gegangen. Ihr Thema aber war groß: Es ging um nicht weniger als die Rettung der Welt, sagt Peter Wilderer, Organisator der Konferenz:

    "Wir sind der Meinung, dass wir kurz vor dem Point of no Return sind, also dass das Erdsystem uns aus dem Ruder läuft, und die Frage ist: Wie kriegen wir es hin, dass die lebenserhaltenden Funktionen des Erdsystems erhalten bleiben?"

    Ressourcenknappheit, Überbevölkerung, vor allem aber der Klimawandel machten dem Planeten zu schaffen, sagt der Münchner Ingenieur. Die Probleme sind bekannt. Neu ist der Blickwinkel der Experten in Wildbad Kreuth: Sie berieten darüber, wie sich die Erde durch technische Eingriffe riesigen Maßstabes retten ließe – und ob das so einfach möglich ist. Raoul Weiler, der beim Club of Rome in Brüssel für Weltpolitik zuständig ist, erklärt am Beispiel der Erderwärmung, was damit gemeint ist:

    "Man könnte zum Beispiel riesige Mengen an Schwefelpartikeln in der Stratosphäre ausbringen. Vom Ausbruch des Vulkans Pinatubo vor einigen Jahren wissen wir, dass es dadurch kühler wird. Es klingt einfach: Man bräuchte nur einen Flieger und Schwefel, und schon könnte man die erwärmende Sonnenstrahlung abhalten."

    Ideen dieser Art gibt es einige: Etwa die, einen gigantischen Sonnenschirm im All zwischen Sonne und Erde zu positionieren, oder gewaltige Wassermassen aus den Ozeanen in die Luft zu sprengen, damit sie die Atmosphäre kühlen. Manche dieser Vorschläge, glaubt Raoul Weiler vom Club of Rome, seien gar nicht so dumm. Doch sei Vorsicht geboten: Denn zu schnell werde durch technische Lösungen mehr zerstört als gerettet. Würde man tatsächlich Schwefel im großen Stil in die Atmosphäre blasen, so sei zu befürchten, dass Meer und Land übersäuerten. Pflanzen- und Tierwelt wären vermutlich extrem belastet - ebenso die menschliche Gesundheit. Auf den Prüfstand müssen auch solche Vorschläge, die bisher als umweltverträgliche Lösung des Klimaproblems galten. Zum Beispiel große Farmen mit Windkraftanlagen. Denn wenn dem Wind zur Stromerzeugung Energie entzogen werde, fehle sie dem natürlichen Klimasystem, sagt Axel Kleidon, Physiker am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena:

    "Irgendwann werden wir es so weit haben, dass Windflüsse in der Atmosphäre dadurch beeinflusst werden. Eine Ausbildung könnte sein, dass die Zirkulation sich abschwächt und dadurch wird die Vermischung reduziert. Mit anderen Worten könnte man sich vorstellen, dass weniger Niederschlag auf dem Land fallen könnte."

    Das Problem sei, sagt Axel Kleidon, dass technische Lösungen, auch wenn sie vorteilhaft schienen, oft unerwünschte Folgen an anderer Stelle hätten, die keiner bedenke. Dies sei deswegen so gefährlich, weil die Ingenieure immer weiter reichende Möglichkeiten erfänden, ins Erdsystem einzugreifen. Fatale Nebenwirkungen könnten dabei nicht nur die Natur treffen, sondern auch Gesellschaft und Politik, sagt der Münchner Peter Wilderer. So werde es etwa immer einfacher, das Wetter zu beeinflussen. Zum Beispiel, indem Wolken künstlich zum Regnen gebracht werden.

    "Jetzt nehmen wir an, das machen die Palästinenser, und die Wolke kommt dann nicht nach Israel. Das heißt, da sind Konfliktpotenziale ohne Ende. Und wir sagen: Wir müssen jetzt, wo die Technik erst im Entstehen ist, internationale Vereinbarungen treffen, wie diese Technologie dann eingesetzt wird. Wer hat den Schalter in der Hand? Wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn ein Unfall passiert, wenn es vielleicht zu stark regnet, wer ist dann verantwortlich? Der liebe Gott ist es dann nicht. Das ist derjenige, der den Schalter umgelegt hat."

    Darum müsse nun die Weltgemeinschaft aktiv werden, meint die Expertengruppe von Wildbad Kreuth. In ihrer Deklaration fordert sie, dass eine internationale Institution künftig genehmigen muss, welche technischen Eingriffe ins Erdsystem erlaubt sind. Sie soll auch regeln, wer die Verantwortung übernimmt, wenn die technische Rettung der Welt schief geht. Dass das nicht einfach werden dürfte, ist Peter Wilderer bewusst.

    "Es ist einfach so: Wir sind in einer Lage, in der wir das machen müssen, wir laufen sonst gegen die Wand."