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Nachgeben, um nachzulegen?

Heutet endet die Frist, die die EU-Kommission Frankreich im Streit um die Abschiebung von rund 8000 Roma nach Bulgarien und Rumänien gesetzt hat. Und Frankreich gibt nach: Die Regierung will die Gesetzgebung wie gefordert nachbessern, kündigte Frankreichs Immigrationsminister Eric Besson an. Zugleich tritt aber ein verschärftes Einwanderungsgesetz in Kraft.

Von Hans Woller | 15.10.2010
    Seine Beamten, so beteuert Einwanderungsminister Besson seien seit Tagen in permanentem Kontakt mit der EU-Kommission. Gestern Nachmittag wurde am Sitz des Premierministers mit einer Reihe von Kabinettskollegen der genaue Inhalt des offiziellen Schreibens an die Brüsseler EU-Kommission festgelegt, welche ein Gesetzesvorhaben und einen Zeitplan für die Annahme des Gesetzes verlangt hatte. Einzelheiten wurden nicht bekannt, doch schon zuvor hatte Minister Besson betont :

    "Da die Kommission Zweifel hat über die Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/ 38, werden wir unsere Gesetzgebung anpassen, um den Anmerkungen der Kommission Rechnung zu tragen. Man darf die Differenzen zwischen der Kommission und uns nicht übertreiben. Wir werden das klarstellen und werden die Nachbesserungen im französischen Recht vornehmen im Rahmen des neuen Einwanderungsgesetzes, das noch im Senat diskutiert wird, wahrscheinlich im Dezember oder Anfang Januar."

    Konkret geht es dabei um den Passus in der EU-Richtlinie, der verlangt, vor einer Ausweisung eines EU-Bürgers alle persönlichen Umstände des Betroffenen in Betracht zu ziehen, wie etwa Alter oder die Dauer des Aufenthalts im Gastland, den Betroffenen also vollständigen Rechtsschutz zu gewähren - bei den massenhaften Abschiebungen der Roma während des Sommers schien dies ganz offensichtlich nicht gewährleistet zu sein. Minister Besson fügte hinzu:

    "Die Kommission will, dass wir gemeinsam verifizieren, dass es im Lauf des Monates August keinerlei Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe gegeben hat und dass die ausgewiesenen Personen nach individuellen Kriterien behandelt worden sind. Wir werden dafür alle nötigen Nachweise liefern. Ich bin, was den Dialog mit der Kommission angeht, sehr beruhigt und zuversichtlich."

    Allerdings hatte sich Paris in den letzten Tagen erneut der Diskriminierung von Roma verdächtig gemacht. Die Tageszeitung Le Monde hatte aufgedeckt, dass in Frankreich eine spezielle Roma-Datei existiert, das Innenministerium erwiderte, es wisse davon nichts und kündigte eine Untersuchung an, der Chef der Polizei bestritt inzwischen die Existenz dieser illegalen, auf ethnischen Kriterien basierenden Datei.

    Gleichzeitig hat Frankreich dieser Tage ein erneutes, strengeres Einwanderungsgesetz verabschiedet, in dem bestimmte Paragrafen auf Roma aus EU-Ländern gemünzt zu sein scheinen. Es erlaubt unter anderem auch EU-Bürger abzuschieben, wenn diese sich des häufigen Diebstahls schuldig machen, aggressiv betteln, Grundstücke unerlaubt besetzen oder für das Sozialversicherungssystem, wie es heißt, eine unzumutbare Last darstellen.