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Bürgerwehren zwischen Bedrohung, PR und Traditionspflege

Im oberpfälzischen Amberg prüft die Polizei Berichte über eine angebliche rechtsextreme Bürgerwehr. Hintergrund sind die Gewalttaten gegen Passanten, derentwegen vier junge Asylsuchende in Untersuchungshaft sitzen. Doch was ist dran am Phänomen Bürgerwehr?

03.01.2019
    Sympathisanten einer Düsseldorfer Bürgerwehr ziehen im Dunkeln mit einem Hund durch die Altstadt.
    Sympathisanten einer Bürgerwehr am 9. Januar 2016 in der Düsseldorfer Altstadt. (dpa / David Young)
    In Amberg jedenfalls hat die Polizei nach eigenen Angaben bisher keine Hinweise auf Patrouillengänge oder dergleichen. Ein Sprecher der Stadt sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es hat im Stadtbild nie eine rechte Bürgerwehr gegeben."
    PR-Aktion der Nürnberger NPD?
    Viel spricht für eine PR-Aktion der NPD. Am Sonntag waren nach Darstellung der Amberger Stadtverwaltung vier NPD-Mitglieder aus Nürnberg mit dem Zug angereist. Sie seien dann einige Minuten in roten Westen durch die Stadt spaziert und dann wieder zurückgefahren. Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny (CSU) verwies auf Facebook-Posts der Nürnberger NPD. Bilder zeigten dort Menschen in roten Westen mit der Aufschrift "Wir schaffen Schutzzonen". Ähnliches hat die NPD schon in anderen Städten gemacht.
    Auch wenn die NPD das nicht gerne hören wird – das Vorgehen erinnert stark an die sogenannte Wuppertaler Scharia-Polizei. Im September 2014 waren mutmaßliche Salafisten nachts durch Elberfeld gegangen. Sie trugen orange Warnwesten mit der Aufschrift "Sharia Police". Sie wollten unter anderem junge Muslime vom Alkoholkonsum abbringen. Auch diese Aktion wurde fotografiert und in den sozialen Medien präsentiert.
    Bürgerwehren in vielen Bundesländern
    In Nordrhein-Westfalen hat die Polizei 2016 ein Anwachsen der Bürgerwehren beobachtet, vermutlich als Reaktion auf die Vorkommnisse der Kölner Silvesternacht. Ähnliches wurde in Hessen beobachtet. Über Bürgerwehren in Sachsen und Thüringen hat der MDR ausführlich berichtet. Die sächsischen Behörden führen keine Statistiken dazu. Doch ist bekannt, dass die "Gruppe Freital" aus einer Bürgerwehr entstanden ist. Den Mitgliedern werden Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte und Übergriffe auf Flüchtlingshelfer zu Last gelegt. Das Thüringer Innenministerium berichtete im Sommer 2018 von vier Bürgerwehren im Bundesland, eine weniger als 2017. Zu den Mitgliedern dieser Gruppierungen zählten teils bekennende Rechtsextremisten.
    Rechtliche Lage und historische Wurzeln
    Bürgerwehren berufen sich auf die Notwendigkeit von Selbstverteidigung, gegen wen auch immer. Der Staat hat aber in Deutschland das Gewaltmonopol Selbstjustiz ist verboten, ebenso Uniformen, die an die Polizei erinnern. Auf der anderen Seite dürfen Menschen sich zusammenschließen und beispielsweise abends mit Taschenlampen durch die Nachbarschaft gehen.
    Im Mittelalter wurden Bürgerwehren aufgestellt, um Städte zu verteidigen. Mit dem Aufkommen der dauerhaften Heere verloren sie im 18. Jahrhundert ihre Bedeutung. Nach dem Ersten Weltkrieg taten sich in Deutschland ehemalige Soldaten zu Bürgerwehren gegen revolutionäre Kräfte zusammen. Später schlossen sich einige Bürgerwehren der SA an. In der Nachkriegszeit ist das Phänomen in Deutschland weitgehend verschwunden. In Bayern gibt es Bürgerwehren noch zur Traditionspflege. In Köln nennen sich Karnevalsvereine so, wie zum Beispiel die "Nippeser Bürgerwehr".