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Nachgelesen bei Shakespeare

Das britische Unternehmen Mythodrama lädt Führungskräfte ein, mit Hilfe der großen Weltliteratur zwar nicht bessere Menschen, aber doch wenigstens bessere Manager zu werden. Emotionale Intelligenz, Motivationskraft und auch Entscheidungsfreude, all das könne man bei William Shakespeare lernen, sagt Unternehmensgründer Richard Olivier. Michael Frantzen hat sich Therapie und Dramaturgie erklären lassen.

08.01.2007
    "Shakespeare happens to be what I call a world genius."

    Ein Genie also ist er gewesen: Shakespeare. Darunter geht es bei Richard Olivier nicht. Der Mann, von dem einmal eine britische Zeitung geschrieben hat, er "atme, trinke und denke Shakespeare", nickt energisch. Tatsächlich hat der Mitvierziger den berühmtesten Schriftsteller Großbritanniens zu seinem Lebensinhalt gemacht. Fünf Jahre ist es jetzt her, da gründete Olivier Mythodrama, ein Fortbildungsunternehmen, das Führungskräften auf die Sprünge hilft, durch, richtig: Shakespeare.

    "Man kann bei Shakespeare viel lernen über die menschliche Natur und Kommunikation. Es gibt eine Reihe von Stücken, die sich mit Führung beschäftigen: Julius Cäsar, Heinrich V., Leute, die Macht haben und verhandeln müssen, um Lösungen zu finden. Wie sie das tun, wie sie kommunizieren, und natürlich ihre Persönlichkeit sind entscheidend dafür, ob sie ihre Ziele erreichen und wie erfolgreich sie sind."

    Er ist so etwas wie der Klassiker bei Mythodrama: Heinrich V.. Für Richard Olivier und sein 20-köpfiges Team steht Shakespeares Held für "inspirierende Führung", für Konfliktmanagement und die Fähigkeit, andere zu motivieren.

    Ian Lawson hat das dreitägige Seminar schon hinter sich, hat dem Leiter der Entwicklungsabteilung der Work Foundation - einer Londoner Stiftung - gut gefallen.

    "Jemand in einer Führungsposition, der muss bei der Arbeit ja auch eine Vision entwickeln und sie dann vermitteln. Da kann man bei Heinrich V. einiges lernen. Seine Reden zum Beispiel: Was versucht er damit zu erreichen? Er konstatiert ja nicht einfach, was ist, sondern zeichnet ein Bild der Zukunft und benutzt dabei sehr starke Bilder. Das kann man ziemlich gut auf unser Arbeitsleben übertragen. Wo wir auch versuchen sollten, die Herzen der Leute zu erreichen anstatt einfach nur über Statistiken, Pläne und finanzielle Mittel zu reden."

    "Die Herzen der Leute erreichen." Das könnte auch gut von Yvette Forbes stammen, der Geschäftsführerin von Mythodrama. Die Mitvierzigerin jongliert mit Begriffen wie "emotionales Management" und "transformatives Lernen". Dahinter steckt die Überlegung, dass gute Geschäfte nur funktionieren, wenn sie nicht auf Kosten anderer gehen, also "organisch und sozialverträglich".

    "Ich denke, die Zeit war reif für ein Unternehmen wie unseres, die Rahmenbedingungen stimmen. Hier bei uns in Großbritannien gab es in den 80ern noch diese Maßlosigkeit, diese Gier. Ich habe gerade in einer Untersuchung gelesen, dass wir in den letzten 30 Jahren zwar viel wohlhabender geworden sind, aber nicht unbedingt glücklicher. Und viele Leute auch in der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst suchen heute nach einem tieferen Sinn, warum sie das tun, was sie tun. Und genau dieses Bedürfnis bedienen wir. Wir waren zur richtigen Zeit zur Stelle."

    Politiker, Wirtschaftsbosse, Krankenschwestern, die Liste der Kunden von Mythodrama ist lang. Selbst die Londoner Polizei schickte unlängst 1500 Bobbies per Shakespeare auf Verbrecherjagd. Titel der Veranstaltung: "Die Verwandlung des Schlachtfelds in einen Garten." Kosten: 70.000 Pfund, rund 100.000 Euro. Ziemlich viel Geld, findet auch Ian Lawson von der Work Foundation. Doch die Investition lohne sich.

    "Mythodrama bringt Leute gerade in Führungspositionen dazu, sich nicht nur über intellektuelle, sondern auch emotionale Intelligenz in der Arbeitswelt Gedanken zu machen. Bei Mythodrama wirst du mit Situationen konfrontiert, die du bei traditionellen Fortbildungskursen nicht erlebst. Es ist alles sehr experimentell und spielerisch. Die Seminarleiter sind oft ausgebildete Schauspieler. Sie reißen einen wirklich mit. Und du kannst das Gelernte danach auch sofort nutzen: Wenn beispielsweise etwas schief läuft, kannst du dich fragen: Warum passiert das jetzt gerade? Durch Mythodrama hast du Modelle und Techniken zur Hand, um da wieder raus zu kommen und etwas Neues auszuprobieren."