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Nachhilfe für die Verbraucher von morgen

Bislang kommen Dinge wie Girokonto eröffnen, Versicherungen oder Handyverträge abschließen oder Einkäufe im Internet in den Lehrplänen so gut wie gar nicht vor. Nachhilfe im wahrsten Sinne des Wortes tut Not und Nachhilfe soll nun auch geleistet werden - das zumindest verspricht Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner.

Von Dieter Nürnberger |
    Im Grunde geht es bei dieser Bildungsinitiative für Jugendliche um zwei Handlungsstränge. Zum einen will die Bundesministerin in Zusammenarbeit mit ihren Länderkollegen mittel- und langfristig Standards erarbeiten, wie das Thema im Unterricht behandelt werden soll. Hier muss angemerkt werden, dass Bildung im föderalen System der Bundesrepublik ja Ländersache ist. Und auf Länderebene gibt es etwa in Baden-Württemberg oder auch in Schleswig-Holstein schon Pilotprojekte. Man will also Erfahrungen bündeln, Inhalte festlegen – und dann das Thema Verbraucherkompetenz auch in den Unterrichtsplänen verankern. Ilse Aigner, die Bundesministerin für Verbraucherschutz, stellt sich dies wie folgt vor:

    "So kann beispielsweise die Frage, ob ein Girokonto wirklich zum Ansparen von Kapital geeignet ist – was übrigens rund 40 Prozent der Jugendlichen meinen – im Mathematikunterricht behandelt werden. Der Schutz vor Datenmissbrauch und das richtige Verhalten im Internet könnten etwa im Informatikunterricht oder auch in Sozialkunde behandelt werden."

    Die Ergebnisse von Jugendstudien haben die Politiker aufgeschreckt. Denn zusammenfassend lässt sich sagen, dass gerade in Alltagsthemen wie Verbraucherwissen, Datenschutz- oder auch Ernährungsfragen die größten Defizite vorhanden sind. Solche Themen müssten im Schulunterricht auf jeden Fall behandelt werden, sagt auch Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der zweite Handlungsstrang, um den es bei dieser Initiative geht, betrifft deshalb auch die Bildungsmaterialien:

    "Es ist ja auch so, dass aufgrund des Mangels an Schulmaterialien, auch viele Unternehmen oder andere Organisationen inzwischen solches Material anbieten. Die muss man sich aber genauer anschauen, denn nicht alles ist wirklich für die Schule geeignet und die einzelnen Lehrkräfte wären auch überfordert, eine solche Bewertung vorzunehmen. Deshalb hoffe ich, dass wir bei Lehrern und auch bei Schülern auf eine große Resonanz stoßen, denn vor allem die Schüler sollen ja fit gemacht werden für den Konsumalltag, sie sollen wissen, wo es Informationen gibt."

    Das zweite Ziel dieser Bildungsinitiative heißt somit, praxistaugliche Unterrichtsmaterialien zu bekommen. Dafür soll ein Online-Kompass geschaffen werden – also eine Art elektronischer Leitfaden, an dem sich Lehrer und auch andere Wissensvermittler orientieren sollen. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner:

    "Ein greifbares Ergebnis des Projekts soll ein Online-Kompass für Verbraucherbildungsmaterialien sein. Vorhandene Unterrichtsmaterialien sollen hier beschrieben und auch bewertet werden. Damit schaffen wir die Möglichkeit, dass Lehrer die Alltags- und Verbraucherbildung in den verschiedenen Unterrichtsfächern häufiger aufgreifen und wir hoffen, dass wir damit zu einer Verbraucherkompetenz bei Jugendlichen beitragen können."

    Die gesamte Bildungsinitiative soll in den kommenden zwei Jahren rund 420.000 Euro kosten, so die Bundesministerin.

    Einen zumindest kleinen Dissens gibt es aber noch zwischen den beiden Hauptakteuren. Während die Ministerin das Thema in den bisherigen Unterricht integriert sehen möchte, kann sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen durchaus auch ein eigenes Fach - Verbraucherschutz oder Verbraucherbildung - vorstellen. Gerd Billen vom vzbv:

    "Man würde schneller vorankommen, wenn man auch in der Lehrerausbildung, auch etwa im Bereich der Fortbildung, sagen würde, es ist ein reguläres Fach. Das ist aber kein Muss."

    Aber, wie angedeutet, bei der konkreten Umsetzung im Unterrichtsplan der Schulen haben die Länder das letzte Wort. Die heutige Botschaft ist, dass die Bundesregierung zusammen mit Verbraucherverbänden das Thema anschieben will. Und hierbei wird es vor allem um geeignete Unterrichtsmaterialien gehen.