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Nachhilfe per YouTube
"Was wir vor allem machen wollen, ist, die Leute zu begeistern"

"Musstewissen" - so heißt der neue YouTube-Kanal von ARD und ZDF. Bunt verpackt in kurzen Clips erfahren Schüler dort alles, was man rund um Goethe, binomische Formeln und Co wissen muss. Natürlich reiche es nicht aus, nur Videos zu gucken, erklärte Mitinitator Mirko Drotschmann im DLF - als Anstoß seien sie aber gut.

Mirko Drotschmann im Gespräch mit Regina Brinkmann | 14.03.2017
    Das Logo des Videoportals YouTube ist auf einem iPhone zu sehen
    ARD und ZDF präsentieren mit "musstewissen" ihren ersten YouTube-Nachhilfe-Kanal für Schülerinnen und Schüler. (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
    Regina Brinkmann: Hausaufgaben und dann noch Nachhilfe nach der Schule – für die meisten eher lästig und so gar nicht cool. Lässiger kommt dieses Format daher, das es ab heute im Netz gibt:
    "Im Unterricht nicht aufgepasst? Hi, ich bin Nicole, und ich erkläre dir hier alles, was du in Mathe in der Schule wissen musst." - "Hi, ich bin Lisa, und das hier ist mein Kanal 'musstewissen Deutsch'." - "Wir zwei begleiten euch im Schulfach Physik." - "Heute widmen wir uns dem Thema Kraft. Wie unterscheidet man eigentlich Masse und Gewicht?" - "Geschichte – wenn ihr das hört, woran denkt ihr dann? Vielleicht an so was hier?" - "476, Beginn des Mittelalters, 1492 – Französische Revolution." - "Ich bin Mirko, und wir werden uns künftig ein bisschen öfter sehen, und dann, das verspreche ich euch, habt ihr den Überblick."
    Brinkmann: Ja, und Mirko Drotschmann ist heute schon jetzt bei uns zu hören. Er ist nämlich einer der Tutoren, die beim Nachhilfeformat musstewissen mitmachen, ab heute zu finden auf YouTube. Herr Drotschmann, Sie sind für das Fach Geschichte zuständig, haben das Fach auch studiert. So viel war auch schon mal im Trailer zu verstehen. Wie funktioniert dieses Format insgesamt?
    Mirko Drotschmann: Es funktioniert eigentlich ganz einfach, nämlich indem man sich jede Woche am besten auf dem Kanal umschaut und sich dann ein neues Video anschaut. Es wird jede Woche ein neues Video geben, und wir machen das ganz chronologisch. Wir fangen an im Mittelalter und tasten uns dann so ein bisschen weiter vor. Irgendwann sind wir dann in der Neuzeit gelandet. Und wir starten mit der achten Klasse für alle Schulformen, und irgendwann landen wir dann auch tatsächlich in der Oberstufe.
    "Man sollte natürlich auch selber noch in ein Buch gucken"
    Brinkmann: Ja, und Geschichte, das konnte man auch schon ein bisschen raushören, wird da auch etwas flippiger verpackt, auch sicherlich andere Unterrichtsinhalte wie Physik. Reicht das schon, um Schüler fit in diesen Fächern zu machen?
    Drotschmann: Ja, ich hoffe es. Was wir vor allem machen wollen, ist, die Leute zu begeistern und zu interessieren für solche Themen, und dass sie sich dann selber auch noch schlaumachen. Natürlich reicht das nicht, wenn man sich ein Video anschaut oder ein paar Videos aus so einer Reihe, sondern man sollte natürlich auch selber noch in ein Buch gucken und selber sich was draufschaffen.
    Aber die Videos sollen einfach so ein bisschen einen Anstoß geben. Weil, das ist leider unsere Erfahrung und auch eine Rückmeldung, die ich immer wieder bekomme von Schülern. Ich mache auf meinem eigenen YouTube-Kanal seit fünf Jahren schon Nachhilfevideos im weitesten Sinne für Schüler, und die sagen immer wieder, na ja, die Themen sind ja ganz interessant, aber die Lehrer kriegen es oft nicht so vermittelt, dass es interessant ist. Möchte ich jetzt auch nicht pauschal sagen, natürlich nicht, es gibt sehr viele gute Lehrer, aber manche kriegen das offenbar nicht so hin. Und wir wollen einfach ein bisschen Begeisterung wecken und Neugier wecken.
    Brinkmann: Das heißt, derjenige, der sich im Unterricht am Vormittag gelangweilt hat, kann am Abend oder am Nachmittag noch mal aufblühen bei Ihnen?
    Drotschmann: Ja, sozusagen, genau. Oder derjenige, der vielleicht im Unterricht an irgendeiner Stelle mal nicht mitgekommen ist oder mal auf sein Smartphone geschaut hat und dann nicht genau aufgepasst hat und dann raus war, der kann das Wissen dann doch mal nachholen bei uns.
    Brinkmann: Ja, Sie haben ja selber ein YouTube-Kanal, haben Sie gerade schon erwähnt, "Mr. Wissen to go". Es gibt ja inzwischen eine riesige Bandbreite im Netz, und viele kennen sich da auch schon ganz gut aus, viele Schülerinnen und Schüler, und wissen, wie sie sich das Wissen draufschaffen können. Wozu braucht es denn dann noch dieses Format?
    "Die Öffentlich-Rechtlichen sollten die Möglichkeit geben, in der Schule mitzukommen"
    Drotschmann: Das ist eine gute Frage. Es gibt jede Menge Nachhilfeangebote inzwischen auch bei YouTube. Zum Teil sind die privat betrieben wie zum Beispiel mein Kanal, zum Teil stecken da Unternehmen dahinter. Jetzt unser neues Format wird ja betrieben von Funk, dem Netzwerk von ARD und ZDF, dem jungen Angebot von ARD und ZDF.
    Und wir haben einfach gesagt, na gut, also die Öffentlich-Rechtlichen, die haben ja auch einen Bildungsauftrag, und es ist wichtig, Bildung auch ganz klassisch zu verstehen, und die Öffentlich-Rechtlichen sollten auch jungen Menschen eine Möglichkeit geben, in der Schule mitzukommen. Und deswegen wollen wir diesen Bildungsauftrag auch für so etwas nutzen und uns auch ein bisschen abheben von den Angeboten, die es bisher gibt.
    Also, auf meinem Kanal zum Beispiel sind die Videos sehr lang, meistens so zehn bis zwölf Minuten. Das ist für YouTube schon sehr lang. Bei musstewissen Geschichte sind die Videos meistens so zwischen fünf und sieben Minuten, auch auf den anderen musstewissen-Kanälen, also ein bisschen knackiger, ein bisschen kompakter, viel mit Grafik, sehr bunt. Und das ist einfach so ein bisschen eine andere Herangehensweise, wobei ich jetzt auch nicht sagen würde, es ist was vollkommen Neues. Es gibt andere Angebote, die das auch schon machen.
    "Es ist schon wichtig, in Häppchen zu servieren"
    Brinkmann: Was sagen Sie denn den Leuten, die sagen, ja gut, anders kann man die Generation Snapchat, Instagram ja am Ende gar nicht mehr erreichen. Also die Videos werden immer kürzer, die Aufmerksamkeitsspanne wird immer kürzer. Ist das so?
    Drotschmann: Ja, das stimmt, wobei ich jetzt von meinem eigenen Kanal schon sagen kann, die Videos, die dürfen auch mal länger sein. Wenn sie zu kurz sind, beschweren sich sogar die Leute und sagen, Mensch, da war jetzt gar nicht so viel Info drin, wie ich mir erhofft hatte. Man muss es einfach nur richtig verpacken, und dann kann es auch mal länger sein. Aber es ist schon wichtig, das ist so unsere Erfahrung, in Häppchen zu servieren. Also ein Video zu machen, in dem alle Aspekte des Ersten Weltkriegs behandelt werden, vom Auslöser bis hin zum letzten Tag des Krieges oder bis zum Versailler Friedensvertrag wäre ein bisschen zu viel. Deshalb versuchen wir, in kurzen, aber trotzdem gehaltvollen Häppchen Kompaktwissen zu vermitteln, also so, dass man auch dann Lust hat, auf das nächste Video zu klicken.
    Manchen Lehrern fehlt es an Begeisterung
    Brinkmann: Nun können die meisten Lehrer wahrscheinlich nicht noch irgendwie so ein YouTube-Video anlegen, um ihre Schüler irgendwie mehr zu begeistern. Was sollten die denn von Ihnen lernen?
    Drotschmann: Ich möchte mich da jetzt gar nicht so darstellen als der bessere Lehrer. Ich hab ja nicht mal auf Lehramt studiert, sondern einfach nur Geschichte studiert. Ich glaube schon, dass die meisten Lehrer das richtig gut machen. Aber was mir auch in der Schule immer wieder aufgefallen ist, dass es Lehrer gibt, die einfach nicht mehr die Begeisterung für ihr Fach hatten, die sie vielleicht mal hatten, hoffentlich mal hatten, und die einfach dann so ihr Ding runterspulen. Und wenn jemand begeistert ist, begeistert von etwas erzählt, dann sind die, die zuhören, oft auch begeistert oder meistens begeistert, und die Begeisterung springt über. Und das finde ich einfach super, wenn das bei Lehrern öfter passiert. Und das wollen wir auch mit unseren Videos vermitteln, einfach den Spaß, Begeisterung an der Sache rüberbringen, und auch so erzählen, dass man gerne zuhört und nicht einfach Jahreszahlen runterrattern jetzt in meinem Fall von Geschichte, sondern das Ganze ein bisschen lebendiger machen.
    Brinkmann: Und Unterstützung zum Pfuschen gibt es am Ende auch noch. Ich hab gelesen, es gibt Spickzettel zum Gelernten auf Facebook und Instagram.
    Drotschmann: Ja, genau. Das ist aber jetzt nicht so gemeint, dass die Leute das dann auch in der Klausur irgendwo in einem Mäppchen verstecken sollen oder auf die Flasche hinten drauf kleben, sondern es ist eher so gemeint, dass man das, was man hört, auch noch mal schriftlich hat. Also die Videos sind dann kompakt zusammengefasst in schriftlicher Form. Das ist auch eine Erfahrung, die ich auf meinem Kanal gemacht hab, dass immer wieder Leute sagen, ja, ich schreib da gerne mit bei deinem Video, aber manchmal redest du so schnell oder ich muss noch über was nachdenken, und dann muss ich wieder auf Pause drücken. Hast du das nicht mal verschriftlicht? Und das wollen wir einfach liefern, dass die Leute das Gehörte auch noch mal haben, wenn sie dann im Bus zur Schule fahren, oder morgens mal reingucken können.
    Brinkmann: Also, mitgeschrieben habe ich jetzt auch nicht, aber gern zugehört. Mirko Drotschmann, vielen Dank für das Gespräch!
    Drotschmann: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.