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Nachlese zu den Wahlen in Hessen und Niedersachsen

Es waren schon triumphale Wahlsiege, die die CDU am Sonntag bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen verbuchen konnte: Absolute Mehrheit der Mandate im Landtag von Wiesbaden für die CDU und ihren Ministerpräsidenten Roland Koch; Regierungswechsel in Niedersachsen: Hier heißt der neue Regierungschef Christian Wulff. Und die besten Wahlhelfer der CDU, das waren diesmal der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder und dessen rot-grüne Bundesregierung. So jedenfalls sieht es Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen:

Gode Japs, Frank Capellan, Werner Nording |
    Die Bundespolitik spielte eine sehr, sehr starke Rolle. Wir haben noch nie einen so starken Einfluss gemessen und wir sehen, dass die Bundesregierung auch einen sehr negativen Imagewert hat bei den Wählern in Niedersachsen und in Hessen. Das hat sicherlich zu diesem große Verlust, historischen Verlust, den die SPD erlitten hat, einen großen Beitrag geleistet.

    Das Ergebnis vom gestrigen Sonntag - in der Höhe einmalig für die CDU - kann nur gedeutet werden als Wähler-Denkzettel für Gerhard Schröder und als ein Abstrafen der rot-grünen Koalition in Berlin:

    Sicherlich, ohne Zweifel. Was die Wähler hier ausgedrückt haben, ist eine sehr, sehr starke Unzufriedenheit mit dem, was nach der Bundestagswahl geschehen ist. Wie die Bundesregierung aufgetreten ist, die Unklarheit mit der ihre Konzepte vorgetragen wurden und was seit dieser Zeit überhaupt geschehen ist.

    Leidtragender ist hier allein die SPD mit Verlusten von 14,5 Prozentpunkten in Niedersachsen und einem Minus von 10,3 in Hessen. Der kleinere Koalitionspartner, die Grünen, blieben ungeschoren, sie konnten sogar geringfügig hinzugewinnen, bekamen eher Rückenwind aus Berlin, gerieten jedenfalls nicht in den Abwärtssog:

    Die Grünen gewinnen immer aus einer Schwäche der SPD. Das ist eigentlich ganz normal, weil natürlich viele dieser Wähler in einem linken, zumindest was die Parteienskala angeht, linken Kontext sich aufhalten, und wenn die SPD sehr stark abgestraft wird, dann suchen einige dieser Wähler eben bei diesen kleineren Koalitionspartnern ein bisschen Halt.

    Und die FDP? Auch sie hat zugelegt - stärker als von den Wahlforschern erwartet. In Niedersachsen erhielt die FDP 8,1 und in Hessen 7,9 Prozent. Der Ärger um Möllemann oder die Krise der FDP auf Bundesebene spielten keine Rolle. Obwohl die FDP in den Augen der Wähler eine Partei ohne Kompetenzen ist, wird sie gewählt - als reine Funktionspartei, wie Dieter Roth belegt:

    Die FDP hat in beiden Ländern zugelegt, weil sie stärker noch von unions-nahen Wählern gestützt wurde. Sie haben die FDP gewählt, um diese Koalition zustande zu bringen. Stützwähler nennt Dieter Roth diese FDP-Wähler. In Hessen waren fast 40 Prozent der FDP-Wähler in Wirklichkeit unions-nahe Wähler. In Niedersachsen waren es sogar über 50 Prozent, die der Forschungsgruppe Wahlen gesagt haben: Ihre liebste Partei sei eigentlich die CDU. - In Berlin gab es heute das große Aufräumen und Aufwaschen nach der Wahlnacht in Hessen und Niedersachsen. Was daraus geworden ist, schildert nun Frank Capellan:



    Spät beginnt das Wundenlecken der SPD. Der Vorsitzende gerät in Hannover aufs Glatteis, sein Flugzeug kann nicht starten, mehrfach wird die Sitzung des Präsidiums in Berlin verschoben, statt um zehn eröffnet Gerhard Schröder die Runde erst kurz vor eins - den Spott darüber kann sich der ebenfalls aus Niedersachsen angereiste CDU-Wahlsieger Christian Wulff nicht verkneifen:

    Meine Kollegen aus Hannover sind heute morgen alle mit siebenminütiger Verspätung mit dem ICE eingetroffen, und insofern ist es schon offenkundig, dass die Regierung inzwischen schon logistische Probleme hat, die Orte, bei denen sie gebraucht wird, zu erreichen.

    Die Christdemokraten im Siegesrausch, selbstbewusst blicken sie in die Zukunft, jetzt können sie rot-grün in die Zange nehmen, Mehrheit im Bundesrat ausgebaut, Stimmengleichheit im Vermittlungsausschuss erzielt. Der Kanzler muss sich auf die Opposition zu bewegen, Schröder gesprächsbereit:

    Ich habe mit Interesse verfolgt, dass die CDU angekündigt hat, im Bundesrat keine Blockadepolitik zu verfolgen, ich betrachte das als den Ausdruck einer Kooperationsbereitschaft, die ich akzeptiere und offensiv annehmen will, und ich biete ausdrücklich an, auch schon vor der Einbringung von Gesetzen mit der Bundestagsfraktion der Union zu kooperieren.

    Worüber es zu reden gilt, das macht Schröders gescheiterter Herausforderer, schon am Morgen klar. Als Misstrauensvotum für die Bundesregierung ohne Beispiel wertet Edmund Stoiber diese Wahlen. Daraus müssen Konsequenzen folgen, so der CSU-Chef:

    Wir brauchen eine Gesundheitsreform, eine Rentenreform, eine völlige Neuordnung unserer sozialen Sicherungssysteme mit einem Stück mehr Eigenbeteiligung, ein hohes Maß an mehr Eigenverantwortung auch im Arbeitsmarktbereich, Reformen im Kündigungsschutzrecht müssen wir diskutieren und dann auch entscheiden. Die SPD muss sich jetzt klar erkennen: Bleibt sie weiterhin auf Ebene der Gewerkschaften oder will sie jetzt wirklich einen reformerischen Kurs einschlagen!

    Dass der Kanzler bereit ist, Konflikte in den eigenen Reihen und mit den Gewerkschaften auszutragen, daran lässt er keinen Zweifel. Selbst prominente Grüne machen bereits Druck: "Wenn sich die Reformer in der SPD nicht durchsetzen, kann diese Koalition nicht überleben" heißt es beim kleinen Koalitionspartner. Und die SPD-Spitze übt sich in demonstrativer Geschlossenheit. Das Präsidium beschließt ein fünfseitiges Papier, das erahnen lässt, dass weitreichende Reformen gegen alle Bedenkenträger durchgesetzt werden sollen. Wörtlich heißt es darin: "Neue Ansprüche sind nicht zu erfüllen. Vielmehr werden wir, wenn wir soliden Wohlstand, nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit bewahren wollen, Ansprüche zurückschrauben müssen." Was das heißt, macht der Parteivorsitzende deutlich, als er ankündigt, dass die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum 1. Januar 2004 zusammengelegt werden soll - mit entsprechenden Konsequenzen: Schröder:

    Natürlich werden wir mit Bonus-Malus-Systemen arbeiten müssen. Wenn jemand, der jung ist, arbeiten kann, aber eine Arbeit nicht akzeptiert, die ihm angeboten wird, dann wird er damit rechnen müssen, dass das Konsequenzen für die Leistungsbereitschaft des Staates hat und haben muss!

    Auffällig, wie sehr sich Schröder hinter seinen Wirtschaftsminister stellt. Dessen Drängen auf eine Entbürokratisierung des Arbeitsmarktes, findet die volle Unterstützung des Kanzlers:

    Was die Arbeitsmarktpolitik angeht, glaube ich, gibt es nichts Effizienteres und Wirkungsvolles als das, was Wolfgang Clement bereits umgesetzt hat und dabei ist umzusetzen. Ich bin fest überzeugt, dass das auch die Zustimmung der gesamten SPD finden wird.

    Keine Diskussion, Wolfgang Clement, der bereit ist, auch alte sozialdemokratische Tabus wie den Kündigungsschutz anzupacken, hat weitgehend freie Hand. Doch ob es Schröder tatsächlich gelingen wird, die Kritiker in der Partei zu überzeugen, bleibt ungewiss. Der Streit zwischen Reformern und Traditionalisten könnte wieder aufbrechen, Oskar Lafontaine, 1999 im Zorn geschiedener SPD-Chef, wittert schon wieder Morgenluft. Ursache für das Wahldebakel von gestern, sei die Politik der Sozialdemokraten in den letzten drei Jahren: "Diese Niederlage hat einen Namen. Sie heißt Neoliberalismus, verpackt in rote Watte!" Dass Lafontaine in die Bundespolitik zurückkehren könnte, daran glaubt zwar niemand, aber es mehren sich die Stimmen derer, die wie Lafontaine der Auffassung sind, dass sich die Sozialdemokraten zu wenig um die Interessen der Arbeitnehmer kümmern. Heiko Maas, SPD-Landeschef an der Saar:

    Wenn ich mir ansehe, dass zum großen Teil auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei diesen Wahlen die CDU gewählt haben, dann scheint es mir schon so zu sein, dass wir bei diesen Reformbemühungen, die wir da machen, insbesondere die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Thema ´Soziale Gerechtigkeit´ als Richtschnur für unsere Politik nutzen müssen. Daran hat es in der Vergangenheit wohl etwas gefehlt.

    Die Union will erst einmal abwarten, wie der drohende Richtungsstreit in der SPD bewältigt wird. Blockiert wird nichts, wenn sich die Reformer durchsetzen, dann lassen wir mit uns reden, lautet die Devise. Hessens Wahlsieger Roland Koch:

    Die Regierung hat Vorschläge zu machen, solange sie Regierung ist. Wenn sie keine Vorschläge mehr machen kann, soll sie abtreten. Es hilft mir nichts, Kanzleramtspapiere zu lesen, in denen kluge Dinge stehen, die keine SPD-Fraktion beschließt, einen Wirtschaftsminister zu haben, der alle möglichen neuen Gedanken jeden Tag vorbringt, aber keinen mit einer Mehrheit in der SPD umsetzen kann.

    "Wir werden keine Gesetze erarbeiten", stimmt Parteichefin Angela Merkel zu, wir wollen das programmatische Loch bei SPD und Grünen nicht füllen. Gerade in der Steuerpolitik müssten die Sozialdemokraten erst einmal erklären, was sie wirklich wollen. Merkel:

    Herr Eichel muss mal was vorschlagen. Bis jetzt ist ja nichts erkennbar, er hat da mal nebulöse Andeutungen gemacht, und über die Frage, wie das Prozedere über das Steuervergünstigungsabbaugesetz geht, ist erst dann zu befinden, wenn wir wissen, was nun wirklich auf den Tisch kommt.

    Hört auf, Vorschläge zu machen, von denen Ihr wisst, dass wir ihnen nicht zustimmen werden, meint Roland Koch. Die höhere Besteuerung von Dienstwagen etwa sei mit der Union nicht zu machen. Von einer De facto Großen Koalition zu sprechen, ist also sicherlich noch verfrüht. Schwierige Verhandlungen werden zeigen, wie groß die Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten tatsächlich sein wird. Die Grünen dürfen unterdessen nur hoffen, dass ihr eigenes Profil bei einer möglichen Annäherung zwischen CDU und SPD nicht allzu sehr unter die Räder gerät. Die Parteivorsitzende Angelika Beer setzt darauf, dass sich die Union selbst noch nicht so einig ist, wie es nach außen den Anschein hat:

    Wenn sie sich die unterschiedlichen Stimmen in der CDU anhören zur Gesundheitspolitik, dann fragt man sich, worin eigentlich der Konsens der Opposition bisher bestanden hat.

    In einer parteiinternen Angelegenheit ist die Union durch diese Landtagswahlen tatsächlich nicht weitergekommen : Wer soll der nächste Kanzlerkandidat sein? lautet die Frage auf der Pressekonferenz der CDU-Vorsitzenden. Stoiber-Freund Roland Koch würde sicher gern, seine Chancen sind seit gestern nicht gerade schlechter geworden. Zur Rechten von Angela Merkels stehend antwortet er den Journalisten:

    Ich denke, wir bleiben so klug wie wir bisher waren, zu sagen: ´Wir liefern Ihnen keine Zeile. Punkt!

    Doch Merkel-Anhänger Christian Wulff - zu ihrer Linken - springt seiner Vorsitzenden sogleich bei: ein klares Wort für eine mögliche Schröder-Herausforderin:

    Die CDU Deutschlands wählt keine Parteivorsitzenden, schon gar nicht wieder, die nicht als Kanzlerkandidaten in Frage kommen!

    Ein klares Wort also für eine mögliche Schröder-Herausforderin Angela Merkel.



    So weit Frank Capellan aus Berlin. Wir machen jetzt noch ein wenig weiter mit der Wahlanalyse und wollen zunächst der Frage nachgehen: Was waren die wahlentscheidenden Themen? Es waren die Themen, die bereits bei der Bundestagswahl die Stimmabgabe mit bestimmten, Themen, die allen Deutschen auf den Nägeln brennen - nämlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und weitere wirtschaftliche Probleme. Und es war - spezifisch in beiden Ländern die Bildungspolitik. Noch einmal Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen:

    In allen diesen Bereichen hatte die Union einen sehr, sehr hohen Kompetenzvorsprung, auch übrigens bei der Bildungspolitik, das die SPD ja durchaus in den Vordergrund gestellt hat, weil sie glaubte, dort etwas Boden gewinnen zu können.

    In der Endphase des Wahlkampfes versuchte die SPD mit dem Thema Irak noch einmal das Ruder herumzureizen. Mit Erfolg?

    Das war zwar ein Wahlkampfthema, aber es war kein Thema für die Wähler. Wir selbst haben in einer offenen Frage nach diesen wichtigen Problemen abgefragt, und wir stellen fest, dass in der Größenordnung von drei Prozent der Niedersachsen, dieses als ein wichtiges Thema vor dieser Wahl ansahen, in Hessen etwa sechs Prozent. Das ist so zu werten, dass eigentlich die Irakfrage keinen Einfluss hatte.

    Allenfalls konnten einige frustrierte SPD-Wähler mit dem Irak-Thema doch noch motiviert werden, zur Wahl zu gehen. Und wo sind die ehemaligen SPD-Wähler geblieben? Sind sie direkt zur CDU abgewandert?

    Es sind viele ehemaligen SPD Wähler gar nicht zur Wahl gegangen. Also dieser hohe Verlust in Niedersachsen ist zum Teil eben auch auf den starken Rückgang der Wahlbeteiligung dort zurückzugehen. Aber auch große Gruppen von Wählern, die früher, die 1998 die Schröder-SPD gewählt habe, haben jetzt direkt die Union gewählt. Und das sind immerhin mehr als jeder fünfte Wähler von damals für die SPD.

    Die größten Verluste für die SPD gab es in den Kernwählergruppen, zum Beispiel bei den Arbeitern weit überdurchschnittliche Verluste. In Niedersachsen 17 Prozent. Bei den Facharbeitern und Gewerkschaftsmitgliedern sogar über 20 Prozent Verluste:

    Die traditionelle Wählerschaft der SPD hat sehr, sehr gelitten unter dieser Atmosphäre sei es jetzt direkt im Lande oder auch im Bund und sie sind der SPD wirklich weggelaufen.

    In Hessen und Niedersachsen waren es vor allem die jüngeren Menschen, die der SPD einen Denkzettel verpassten und scharenweise zur CDU wechselten. Die größten Bewegungen gab es in der Gruppe der unter 40jährigen - zum Teil bis zu 50 Prozent. In Hessen hat der wiedergewählte Ministerpräsident Roland Koch die Wählerschaft so gut wie gespalten, wie die Forschungsgruppe Wahlen festgestellt hat:

    Diese Spaltung tritt in einem Ausmaß auf, wie wir sie nie vorher gesehen haben in einem Land. Das heißt: Er wird sehr stark unterstützt von Unions-Wählern. Er wird stark abgelehnt von SPD-Wählern, noch stärker von grünen Wählern. Wir haben nie einen amtierenden Ministerpräsidenten gefunden, der diese Wählerschaft so stark polarisiert hat, wie das in Hessen geschehen ist. Er hat keinen guten Wert. Man kann eigentlich daraus den Schluss ziehen: Die Union in Hessen hat mit absoluter Mehrheit gewonnen, obwohl sie diesen Kandidaten hatte.

    Vielleicht auch, weil die hessische SPD einen relativ schwachen Herausforderer mit Gerhard Bökel hatte. Davon konnten die hessische CDU und ihr Ministerpräsident Roland Koch profitieren:

    Wenn man da genauer hinsieht, dann ist selbst ein relativ sehr unbekannter Herr Bökel sympathischer als der Ministerpräsident. Er wird als ehrlicher eingestuft, als glaubwürdiger. Was aber dem Ministerpräsidenten, was Herrn Koch zugeordnet wird, das ist Durchsetzungskraft, also Tatkraft, dass er diese Dinge voranbringen kann und dass er letzten Endes auch ein Siegertyp ist.

    In Niedersachsen geht die klare Niederlage der SPD auch auf das Konto von Ministerpräsident Siegmar Gabriel: Während er zu Jahresbeginn als gewünschter Regierungschef noch vor Christian Wulff lag, fiel er in der Endphase des Wahlkampfes deutlich hinter seinen CDU-Herausforderer zurück. Seine Profilierungsversuche gegen den Bundeskanzler haben ihm eher geschadet, meint Dieter Roth:

    Man muss daraus den Schluss ziehen, dass diese Kampagne keinesfalls von Erfolg gekrönt war, sondern gegen ihn gelaufen ist. Gabriel wird nicht für besonders glaubwürdig gehalten. Das heißt, das, was er inszeniert hat in den letzten Phasen, wurde ihm auch persönlich zugeschrieben. Und diesen Kredit, den er aufgebaut hatte während der Legislaturperiode, hat er in den letzten Wahlkampfphasen ziemlich verspielt.

    Zum Vorteil von Christian Wulff. Den neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten stellt Werner Nording vor:



    Zweimal hatte Christian Wulff bei den Landtagswahlen gegen Gerhard Schröder nicht den Hauch einer Chance. Beim dritten Mal kam gestern der überwältigende Sieg für den CDU-Politiker. Und wieder war Schröder im Spiel: Das schlechte Erscheinungsbild der rot-grünen Bundesregierung hatte einen Wahlsieg der SPD verhindert. Wulff:

    Als Niedersachse kann man sagen, dreimal ist Oldenburger Recht, insofern ist das dritte Mal dann auch ein gutes Mal, aber insgesamt sind die Zeiten ernster geworden, die Sorgen der Menschen sind größer geworden, da ist weniger die Inszenierung und Show gefragt, es kommt den Menschen schon ein bisschen auf die inhaltliche Antwort an, da sagen wir sehr präzise wie das sein soll, dass wir auf Bundesebene dieser Bundesregierung konstruktiv Kontrolle gegenüberstellen wollen, das erklärt die guten Werte der CDU und meine persönlichen guten Werte, das sind die entscheidenden Ursachen dafür.

    Der ewige Verlierer Wulff, der bislang als dröge, langweilig und entscheidungsschwach galt, wirkt als Sieger wie ein verlässlicher, grundsolider und ehrlicher Arbeiter. Als letzter der jungen Wilden in seiner Partei, kann auch er nun Ministerpräsident werden. Zehn Jahre harte Oppositionsarbeit hat der 43jährige für seinen Aufstieg gebraucht. Wulff ist in Osnabrück geboren und ist seiner Heimatstadt immer treu geblieben. Ähnlich wie bei sein politischer Gegenspieler Sigmar Gabriel hatte er eine schwierige Kindheit und Jugend. Er wuchs ohne Vater auf, später verließ auch der Stiefvater seine Mutter.

    Meine Eltern haben sich sehr früh getrennt als ich zwei Jahre alt war, bin groß geworden als Sohn einer Alleinerziehenden, dann hat meine Mutter wieder geheiratet, wurde sehr schwer krank, das hat uns alle in große Verantwortung gestellt, das prägt, dass man früher erwachsener wird.

    Als 14jähriger übernahm er die Pflege seiner Mutter, die an MS erkrankt war. Früh begann er sich politisch zu engagieren, mit 16 trat er in die CDU ein, bereits mit 19 war er Bundesvorsitzender der Schüler-Union und gehörte damit dem CDU-Bundesvorstand an.

    Es hat mir viel gegeben, mich für andere einsetzen zu können, war Kontrast zu meiner Familie, in der Politik konnte man sich mit anderen einsetzen.

    Nach dem Abitur studierte er Jura in Osnabrück, dort lernte er auch seine Frau Christiane kennen, eine Stahlarbeitertochter aus Bremen. Beide haben die neunjährige Tochter Annalena. Wie sehr Wulff dieses Mal nach den beiden Fehlschlägen gegen den übermächtigen Schröder an seinen Wahlsieg glaubte, zeigt sich daran, dass er schon elf Tage vor dem Wahltag sein Regierungsprogramm vorstellte.

    Das wesentliche Ziel wird sein in den ersten 100 Tagen der CDU Landesregierung, Gewähr dafür zu bieten, dass wir zur stärkeren Unterrichtsversorgung kommen und zur besseren Polizeidichte im ländlichen Raum, also 2500 zusätzliche Lehrerstellen einzurichten und 250 neue Polizeianwärter von insgesamt in der Legislaturperiode zu schaffenden 1000 Polizeistellen zu gewährleisten, das müssen wir sicherstellen.