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Nachricht aus dem hohen Norden

Physik. - Das Polarlicht bietet ein beeindruckendes Schauspiel mit seinen grün oder rot leuchtenden Bändern, die sich über den Nachthimmel ziehen. Weit weniger bekannt als dieser Anblick ist indes, dass bei dem Naturspektakel auch Radiowellen freigesetzt werden.

Von Michael Böddeker |
    Das ist kein elektronisch verstärktes Windheulen, sondern der Sound des Polarlichts. Der Astrophysiker Robert Mutel von der Universität Iowa hat die elektromagnetischen Wellen des Nordlichts aufgezeichnet und in Schallwellen umgewandelt. Polarlichter entstehen vor allem in der Nähe des Nord- und Südpols der Erde. Ursache hierfür sind Elektronen - geladene Teilchen, die als so genannter Sonnenwind von der Sonne aus ins All strömen. Wenn sie das Umfeld unseres Planeten erreichen, werden sie durch das Magnetfeld der Erde abgelenkt.

    "Sie werden in Richtung der Pole abgelenkt. Einige der Teilchen sind energiereich genug, um die obere Atmosphäre zu erreichen, die so genannte Ionosphäre. Dort regen sie die Atome der Luft zum Leuchten an, und das sehen wir als Polarlicht. Und dieselben Elektronen, die das Polarlicht hervorrufen, sind auch Ursache für die Radiowellen."

    Diese Radiowellen des Polarlichts sind sehr intensiv. Für Robert Mutel sind es sogar die stärksten Radiosignale auf der Erde.

    "Selbst die größten Radiosender oder Radaranlagen senden maximal mit etwa einer Stärke von einer Million Watt. Aber hier handelt es sich um etwas, das 1000 Mal stärker ist, also eine Milliarde Watt."

    Wenn diese starken Radiowellen die Erdoberfläche erreichten, hätte das weitreichende Folgen. Sämtliche Funkübertragungen wären gestört, etwa Radio und Fernsehen, der Polizeifunk und der Mobilfunk. Tatsächlich aber hat das Polarlicht-Radio kaum Auswirkungen, beruhigt Robert Mutel:

    "Das liegt an der Ionosphäre. Sie lässt Radiowellen mit einer langen Wellenlänge nicht durch. Daher ist die Erde vor diesen Radiowellen geschützt."

    Die Radiowellen lassen sich also nur im Weltall messen. Robert Mutel hat das getan, und zwar gleich mit mehreren Satelliten.

    "Wir haben vier Satelliten gleichzeitig benutzt, nämlich eine europäische Formation namens "Cluster". Dadurch konnten wir zum ersten Mal feststellen, dass die Radiowellen in einem sehr engen Muster abgestrahlt werden. Man kann es sich vorstellen wie Licht, das durch einen dünnen Schlitz strahlt."

    Eine Voraussetzung für diese Radiowellen ist die so genannte Magnetosphäre – eine Art unsichtbares Schutzschild um den Planeten. Sie entsteht, wenn der Sonnenwind auf das Magnetfeld eines Planeten auftrifft. Dadurch ist die Magnetosphäre auf der Seite des Planeten, die der Sonne zugewandt ist, etwas gestaucht. Auf der Schattenseite reicht sie bis weit ins All hinein. Allein in unserem Sonnensystem besitzen fünf Planeten eine solche Magnetosphäre. Astronomen haben bereits Polarlichter auf Jupiter und Saturn beobachtet.

    "Polarlicht und Radiostrahlung scheinen eine grundlegende Eigenschaft von Planeten mit einer Magnetosphäre zu sein."

    Besonders spannend findet Robert Mutel die Radiowellen, weil man durch sie feststellen kann, ob auf einem fernen Planeten Leben möglich ist. Keine Radiostrahlung bedeutet: keine Magnetosphäre. Und ohne Magnetosphäre kein Leben, so Robert Mutel.

    "Sterne wie die Sonne strahlen energiegeladene Partikel ab. Wir auf der Erde sind durch die Magnetosphäre davor geschützt. Gäbe es sie nicht, hätte sich Leben in der Form wie wir es kennen gar nicht entwickeln können. Wir können also herausfinden, ob andere Planeten ebenfalls eine schützende Magnetosphäre besitzen."

    Und wenn es sie wirklich gibt, die Lebewesen auf fernen Planeten, und wenn sie dann noch mit Radioempfängern in Richtung Erde lauschen, dann könnte das erste, was sie von uns hören, tatsächlich das Geräusch unseres Polarlichtes sein.