Nicht aber für ihn. Die Entstehungsgeschichte von Circus World ist aufs engste mit Gabriels Sozialisierung in der erstarrten Francodiktatur und mit seiner Suche nach jener Heldengestalt verbunden, die - jedenfalls für ihn -niemand so standhaft und gelassen verkörpert wie John Wayne; der in seine eine wenig lächerliche, aber unerschütterliche Rolle wie in ein Kostüm eingenähte Mann; Held für einen Jungen, dessen Vater während des Bürgerkriegs umgekommen ist, und an den nichts als ein leerer Koffer, eine schweigsame Mutter, ein sichals Vormund bemühender Freund der Familie und viel Geheimnis übrig blieb. Wenig, um sich daran festzuhalten, genug, um sich des Mangels ständig bewusst zu sein. Der Vater ist noch viel unwirklicher als John Wayne, der zu Beginn von Juan Minanas Roman wie vom Erdboden verschwunden ist. Dessen Verschwinden allerdings eröffnet Gabriel die einmalige Gelegenheit, einen Mann zu suchen (und vielleicht sogar zu finden), der - anders als der schmerzlich vermisste Vater - möglicherweise sogar in der "wirklichen Welt" existiert. Es muss - so sagt er sich - unter der Schminke, hinter der Leinwand noch einen zweiten, verwundbaren John Wayne geben, so wie es hinter den Grenzen Spaniens, über die gerade die ersten Touristenströme ins Land hereinbrechen, noch eine andere, weniger enge, freudvollere Welt gibt.
Nachrichten aus der wirklichen Welt beginnt wie bereits erwähnt mit einem Theaterdonner: Der für seine Trinkfestigkeit berüchtigte John Wayne erscheint nach einer durchzechten Nacht nicht am Drehort. Und das ausgerechnet an dem Tag, an dem eine der wichtigsten Szenen - ein Schiffsuntergang - gedreht werden soll. 600 Komparsen, Artisten und Tiere warten in der brütenden Hitze, doch Wayne bleibt unauffindbar, was angesichts der Tatsache, dass ihn jedes Kind in Barcelona kennt, besonders befremdlich anmutet. Der Produzent beauftragt seine Leute, unauffällig nach Wayne zu suchen. Der junge Gabriel Cabrera ist überzeugt, erfolgreicher als die anderen zu sein, wenn er sich "von vornherein darauf einstellt, einen vollkommen Unbekannten zu suchen". Dass er ihn finden wird, ist sicher (wie und wo, sei hier nicht verraten; nur soviel: der Ort drängt sich auf); der Weg zu ihm bestimmt die Form des Romans: ein unangestrengt lockeres Nebeneinander von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.
Ob sich die Geschichte dieses geheimnisvollen Verschwindens, bei dem eine fast stumme Rita Hayworth keine unwesentliche Rolle spielt, tatsächlich zugetragen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Wie dem auch sei: Juan Minana gelingt es, ihr den überzeugenden Anschein von großer Wahrscheinlichkeit zu verleihen, was für sein Einfühlungsvermögen und seine Einbildungskraft spricht. Die Lichter, die uns :die darin auftretenden Filmstars aufstecken, verleihen dem Roman zwar ihren unverwechselbaren Glanz, doch lassen sie den Schattenseiten der eigentlichen Geschichte - der Suche eines Sohns nach dem für immer verlorenen, für immer unauffindbaren Vater - gebührend Raum, sich autonom zu entfalten. Juan Minana hat dieser oft erzählten Geschichte einen unverwechselbaren Akzent verliehen.