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Nachrichten vom Krieg

Mit welchen Schwierigkeiten haben Journalisten beider Kriegsberichterstattung zu kämpfen. In ihrem Buch "Die Vorkämpfer - Wie Journalisten über die Welt im Ausnahmezustand berichten" haben Stephan Weichert und Leif Kramp 17 einschlägige Experten dazu befragt.

Von Bettina Köster | 03.03.2011
    Jetzt sind vor allen Familien hier, Studenten aus allen Vierteln der ägyptischen Hauptstadt kommen die Leute hierher. Zum ersten Mal gibt es auch Nahrung. Viele kommen auch hierher...Mubarak muss gehen.

    Antonia Rados, RTL Chefkorrespondentin bei ihren jüngsten Berichten über die Unruhen in Ägypten auf dem Tahir-Platz in Kairo. Die erfahrene Krisenreporterin ist eine der 17 prominenten Journalisten, die regelmäßig über Regionen im Ausnahmezustand berichten und von den Hamburger Medienwissenschaftlern in explorativen Interviews zu ihrer Arbeit befragt wurden. Prof. Stephan Weichert.

    "Der Anlass der Studie war, dass dieses Feld weitgehend unerforscht ist, es gibt also so gut wie keine empirische Forschung darüber, jedenfalls nicht aus Deutschland von deutschen Wissenschaftlern. Zum anderen ist es zumindest von meiner Seite aus ein Forschungsfeld, was ich schon länger beobachte und zwar schon eher auf der Produktionsseite. Wie berichten Medien über Krisen. Und wie passiert das auf dem Schirm, was steht in den Zeitungen. Und jetzt haben wir uns einfach stärker für die Akteursseite interessiert."

    Zu den Akteuren, die für die Studie befragt wurden, gehört auch Christoph Maria Fröhder, der seit den 60-iger-Jahren Bilder und Berichte für das Erste liefert und sowohl über den Vietnamkrieg als auch über die Irakkriege berichtete. Er ist bis heute mit Leib und Seele dabei und weiß, was ein Journalist neben der langjährigen Berufserfahrung auf jeden Fall mitbringen muss, um Krisenjournalist zu werden.

    "Eine gnadenlose Neugier, die bis zur Beleidigung gehen kann, wenn sie weiter fragen. Sie müssen versuchen, all die Vorinformationen, die sie haben, nicht zu irgendwelchen Klischees werden zu lassen, sie müssen offen bleiben und sie müssen vor allen Dingen Leute treffen, die nicht sozusagen in dem großen Establishment anzutreffen sind, denn in solchen Umbruchsituationen sind die immer auf der Verliererseite."

    Wie sieht das Handwerkszeug der Krisenjournalisten aus? Wie gehen sie in den Regionen genau vor? Mit welchen Schwierigkeiten haben sie zu kämpfen? Und mit welchen Traumata können sie nach Hause kommen? Das sind nur einige Fragen, die die Forscher interessierte. Klar wurde ihnen bei den Interviews, dass es den typischen Krisenreporter nicht gibt, aber doch bei einigen die Motivation übereinstimmt. Es wurde zum Beispiel recht offen darüber berichtet,

    "…dass der Status des Krisenreporters durchaus einen Karriereschritt darstellt, das heißt man kann sich auch beweisen in Redaktionen, man kann zeigen, was man drauf hat und das salopp zu formulieren und man kann sich seine Sporen verdienen. Andererseits hat das natürlich auch mit dem ganz klassischen Beweggrund nämlich Abenteuerlust zu tun, aber man sollte jetzt nicht alle Krisenreporter in eine Schublade stecken, gerade weil es den klassischen Krisenreporter nicht gibt. Das sind eher Beweggründe wie Neugier, Aufklärungsansprüche, die damit einher gehen und tatsächlich auch die Welt besser verstehen zu können, so idealistisch das auch klingen mag."

    Zu Krisengebieten zählen die Forscher generell Regionen im Ausnahmezustand, die entweder durch politische Unruhen oder Naturkatastrophen hervorgerufen wurden. Die Journalisten werden dann von ihren Sendern oder Zeitungshäusern in die betroffenen Regionen geschickt, um dort genauer über die Lebensbedingungen und politischen Probleme zu recherchieren. Sie sind zwar daran gewöhnt von Haiti nach Afghanistan zu springen, sehen darin aber gleichzeitig einen großen Mangel. Der Medienwissenschaftler Prof. Stephan Weichert.

    "Also abgesehen von Sparzwängen, die da immer wieder genannt wurden, das gespart wird an Auslandsberichterstattung. Das es eben nicht mehr möglich ist kontinuierlich zu berichten, wenig Geld nur noch da ist für reine Recherchereisen und Büros auch vor Ort geschlossen werden. Dass aus deren Sicht die Krisenberichterstattung zum großen Teil zu kurz kommt. Man konzentriert sich eben auf punktuelle Ereignisse, wie zum Beispiel diese Revolution oder diese Unruhen in Libyen, aber der Kontext geht eigentlich völlig verloren bei dieser Berichterstattung."

    Was macht die Kultur des Landes aus? Wie verhält sich die Bevölkerung sonst in dieser Region vor der Krise und nach der Krise? Diese Fragen bleiben besonders in der Fernsehberichterstattung meist unbeantwortet. Auch wenn die Zuschauer das Gefühl haben rund um die Uhr bei den Unruhen via Bildschirm mit dabei zu sein. Dr. Leif Kramp.

    "Aus Sicht der Krisenreporter fehlt halt diese Kontinuität in der Berichterstattung, eine Gesprächspartnerin hat es so formuliert, dass meist dann eine Krise zum Gegenstand der Berichterstattung wird, wenn es knallt und raucht in Anführungszeichen. Das ist aber bei manchen Krisenregionen soweit gediehen, dass im Irak selbst ein Bombenanschlag so makaber es klingt, nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit generiert."

    Christoph Maria Fröhder denkt da ganz konkret an den Irak, aus dem er regelmäßig berichtet hat und der seiner Meinung nach heute vernachlässigt wird.

    "Also zum Beispiel ich habe in Bagdad sehr viele Freunde, das sind alles Leute, die ausgebombt worden sind und deren Lebensweg ich immer, wenn ich da bin, weiter verfolge. Wir tauschen auch manchmal per mail neue Situationen aus usw., und die berichten mir relativ genau, inwiefern ihre Situation heute eher kritischer ist als unter der Diktatur. Das ist ja etwas, was hier kaum ausgesprochen werden kann, aber es ist faktisch so. "

    Bei akuten Krisenzuständen, wie sie beispielsweise jetzt in den arabischen Ländern zu beobachten sind, gibt es in der Berichterstattung immer ein bestimmtes Muster, das die Medien erfüllen, erklärt Prof. Weichert.

    "Sie haben natürlich am Anfang die ganz große Phase der Live-Berichterstattung, wo man sich eben ganz gezielt auf ein bestimmtes Ereignis konzentriert, das geht dann aber über in Phasen, wo Medien selber anfangen zu dramatisieren, wo sie selber versuchen zu identifizieren, das ist das Gute, das ist das Böse also ein bisschen diese manicheischen Muster einzuleiten."

    Bilder von Menschen, die sich verprügeln und gar töten emotionalisieren die Zuschauer und Leser und wühlen sie auf. Täglich springen uns die dramatischen Bilder geradezu an und durch die digitale Entwicklung potenzierte sich die Dramaturgie der Bilderflut. Die Medienforscher sprechen von einer Sensationalisierung in der Berichterstattung.

    "Wenn man über Sensationalisierung spricht als Phänomen, dann denkt man immer ach Gott, das ist ein neuer Trend, genauso wie die Boulevardisierung. Das gab es in der Krisenberichterstattung natürlich schon immer waren Bilder wichtig, schon als über den Vietnamkrieg berichtet wurde das hat sich durchaus potenziert, ist aber keine Neuerung."

    Vor diesen Bildern haben sich alle gefürchtet. Anhänger und Gefolgsleute des Präsidenten im Straßenkampf mit der Opposition. Ein Toter, Hunderte Verletzte.

    Dramatische Bilder aus Krisenregionen im Fernsehen oder in der Zeitung zu zeigen, sind für Christoph Maria Fröhder kein Merkmal für eine gute Krisenberichterstattung. Ganz im Gegenteil er kritisiert den Trend zum Krisenunterhaltungsjournalismus. Im konkreten Fall der Reportagen aus Ägypten, bemängelt der renommierte Reporter, dass immer wieder derselbe Schauplatz für die Unruhen in Ägypten ausgesucht wurde.

    "Also was mich gestört hat war diese maßlose Konzentration auf dem Tahir-Platz, der wichtig war, den man darstellen muss, der aber aktuelle Bestandsaufnahme maximal jeden Tag sein sollte. Dann haben mir gefehlt wirklich alle zusätzlichen Reportagen, die zwingend gewesen wären, um die Situation auszuhellen. zum Beispiel Interviews mit wichtigen Entscheidungsträgern, ich hab immer die Erfahrung der Krisenberichterstattung gemacht, dass im Moment des Kippens, wenn es kurz davor ist, werden sie alle offener, sie reden mit ihnen. Also warum hat es nicht Generäle vor der Kamera gegeben oder vorm Mikro oder vor dem Kugelschreiber des Printkollegen ein Generalstabschef, warum hat man nicht eine präzise Darstellung, die habe ich erst lange, lange nach dem Mubarak-Sturz gesehen der Muslimbruderschaft gemacht."

    Die Medienforscher sprechen auch von einer gefährlichen Eigendynamik, die sich bei den Reportagen aus Krisengebieten entwickeln können. Gerade durch die extreme Beschleunigung der Bildübertragung durch die Digitalisierung stehen besonders Fernsehsender unter großem Produktions- und Konkurrenzdruck. Früher wurden Filmaufnahmen von Saigon zur Entwicklung nach Bangkok geschickt, bevor sie Deutschland erreichten - heute geht das in Sekundenschnelle.

    "Also der 11. September, den ich ja eingehend untersucht habe in einem sehr langen Forschungsprojekt, breit angelegt, wird von den meisten der Befragten, die wir danach befragt haben als Wendepunkt identifiziert, weil der doch alles noch mal geändert hat und zwar sowohl von der Berichterstattung selber als vor allem im TV, aber auch im Print, was Instrumentalisierung angeht durch Politik beispielsweise bis hin zum Handwerklichen klein, klein, dass Redaktionen eben doch seitdem viel besser darauf eingestellt sind auf solche ad hoc Ereignisse, sich auch schnell zu formieren und ganz ad hoc auch auf den Sender zu gehen, plus diese sehr differenzierte Diskussion, die wir in den Jahren nach dem 11. s. erlebt haben, was es eben bedeutet über ein solches Ereignis zu berichten und wie man diese Berichterstattung verbessern kann. "

    Inzwischen haben sich einige Sender besser darauf eingestellt, wenn eine Region oder eine Stadt in den Ausnahmezustand gerät. Das ZDF hat beispielsweise einen Krisenredaktionsraum, der die Berichterstattung des Senders zentral koordiniert. Die Medienwissenschaftler plädieren ebenfalls dafür, dass der Reporter vor Ort in stabile Strukturen des Heimatsenders oder der Heimatzeitungen eingebunden sein muss. Dass er also weiß, welche Ansprechpartner er hat und von ihnen mit Recherchen unterstützt wird. Da Christoph Maria Fröhder das bei seiner Berichterstattung für die ARD manchmal vermisste, hat er inzwischen ganz konkrete Vorstellungen für strukturelle Veränderungen.

    "Ich bin der festen Überzeugung man muss in der Zentrale also in Hamburg ein Büro haben, das kann zeitweilig nur mit ein oder zwei Leuten besetzt sein, die müssen kritische Länder beobachten, Zwischenstandsberichte schreiben, damit man eben so eine Entwicklung nicht verpasst, wie es hier geschehen ist. Sie können, wenn sie die New York Times nur lesen, das Anbahnen einer kritischen Situation in Ägypten im Grunde schon im Spätsommer vergangenen Jahres herausdestillieren aus den Berichten, das müssten die machen und dann, wenn es wirklich zur Krise kommt, müssen dann dem entsprechenden Sender, der ja immer die Federführung haben wird in der ARD halt dann eben zwei drei Leuten die es können dazu kommen und von da aus steuern und den Korrespondenten in einer sinnvollen Weise unterstützen."

    Auch wenn jeder Krisenreporter seine ganz persönliche Geschichte hat, wie er entweder zufällig oder ganz gezielt in diese Position vorgedrungen ist, so seien doch die meisten Globetrotter mit einem ausgeprägten Sinn für Aufklärung vor Ort, bilanzieren die Hamburger Wissenschaftler nach der Auswertung ihrer explorativen Interviews. Auf der Schattenseite des Berufs bleiben jedoch die Traumaerfahrungen, die die meisten mit nach Hause bringen und mit denen sie oft allein dastehen. Die meisten spüren jedoch eine große Hemmschwelle um über traumatische Erlebnisse zu sprechen, beobachteten die Hamburger Forscher, auch wenn es in einigen ausgewählten Redaktionen Angebote dafür gibt. Stephan Weichert.

    "Es gibt Luxusoasen, also öffentlich-rechtliches Fernsehen, die Zeit, der Spiegel, da gibt es regelmäßig Angebote für die Heimkehrer psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, /denn ein Gespräch mit einem Psychologen, der auf so was spezialisiert ist, ist immer noch etwas anderes als mit dem eigenen Kollegen solche Ereignisse aufzuarbeiten. Mein Gefühl ist nach diesen Gesprächen, dass das noch viel zu wenige Reporter in Anspruch nehmen. Denn bei einigen merkt man doch ganz schön diese Belastung der vergangenen vielen Jahre, die die auf dem Buckel haben, deutlich an."