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Nachrichtenwebseite „Hong Kong Free Press“
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Vor 20 Jahren wurde die damalige britische Kolonie Hongkong an China übergeben. Seither nimmt der politische und wirtschaftliche Druck auf die freie Presse deutlich zu. In diesem schwierigen Umfeld steht die "Hong Kong Free Press" für journalistische Vielfalt - auch dank der Unterstützung der Leser.

Von Steffen Wurzel | 19.06.2017
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    Tom Grundy, Gründer und Chefredakteur von "Hong Kong Free Press" (Wurzel, Steffen)
    Der Newsroom der Redaktion von "Hong Kong Free Press" ist nicht wirklich groß: ein langezogener Tisch mit Computern, an denen insgesamt sechs Reporter sitzen. Eine von ihnen ist Catherine Lai.
    "I just finished a story on two Chinese activists who supported the occupy protest in Hong Kong and they were sentenced to jail this morning."
    Die 27-Jährige hat gerade einen Artikel über zwei chinesische Unterstützer der pro-demokratischen Hongkonger Occupy-Bewegung online gestellt. Ein Gericht in Festland-China hat die beiden jungen Männer zu mehrjährigen Hafstrafen verurteilt.
    "All the Hong Kong media has written about it this morning. I think Reuters is also doing it. So it's pretty big."
    Eine typische Meldung aus dem Standard-Repertoire von "Hong Kong Free Press": politischer Inhalt, nicht wertend, aber dennoch mit klarer Haltung.
    Vielfalt in der Medienlandschaft
    Tom Grundy ist Gründer und Chefredakteur von "Hong Kong Free Press". Er wolle für mehr Vielfalt in der englischsprachigen Medienlandschaft Hongkongs sorgen, sagt er, und Geschichten aus der Sonderverwaltungszone in die ganze Welt hinaus tragen. Inhaltlichen Vorgaben gebe es dabei nicht, betont Grundy. Auch wenn einige Leute behaupteten, die Redaktion habe eine pro-demokratische oder Anti-Chinesische Agenda. Das sei Quatsch.
    "Natürlich ist es nicht unsere Aufgabe, Regierungsvertretern einfach das Mikro hinzuhalten und Hofberichterstattung zu machen", sagt Grundy. Stattdessen verfolge man einen kritischen Ansatz.
    Von Beginn an ist "Hong Kong Free Press" eine reine Online-Publikation. Nach wie vor kommt rund die Hälfte der Leser über die klassische Webseite, aber immer mehr auch über die Smartphone-App und diverse Social Media-Kanäle. Wichtigster Ausspielweg ist Facebook. "1,3 Millionen Seitenaufrufe und rund 60.000 Facebook-Follower sind nicht schlecht für eine Sieben-Millionen-Einwohnerstadt mit einem nur rund 10 prozentigen Anteil von Englischssprachigen", so Grundy.
    "Vielseitigkeit gibt es nicht"
    Hongkong war schon immer eine Medien-Stadt. Und auch 20 Jahre nach Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an China gibt es immer noch eine bunte Vielfalt an Zeitungen und Sendern in der Stadt. Vielseitigkeit aber gebe es nicht, sagt Grundy: "There’s a lot of media in Hong Kong, but there’s not a lot of diversity."
    Eine Zäsur in der Medienlandschaft Hongkongs passierte Ende 2015: Der Gründer des chinesischen Internetkonzerns Alibaba, Jack Ma kaufte die englischsprachigen Hongkonger Zeitung "South China Morning Post". Die rennomierte Traditionszeitung berichtet seit der Übernahme durch den Multimilliardär zwar weiter engagiert und kritisch, eine gewisse Nähe zur Zentralregierung in Peking wird aber immer deutlicher. Und diese Verschiebung gelte inzwischen auch für fast alle anderen Medien der Stadt, die entweder pekingtreuen Tycoons oder indirekt der Kommunistischen Partei Chinas gehören, kritisiert Tom Grundy.
    Einnahmen durch Crowdfunding und Spenden
    Rund ein Jahr nach Gründung von "Hong Kong Free Press" arbeiten inzwischen sechs Journalisten hauptberuflich für das Onlinenangebot. Zwischen 17.000 und 24.000 Hongkong-Dollar verdienen die Reporter im Monat (umgerechnet zwischen 2.000 und 2.700 Euro). Damit kann man in einer der teuersten Städte der Welt keine großen Sprünge machen, aber dennoch eine bemerkenswerte Entlohnung angesichts der Tatsache, dass fast alle Einnahmen der Webseite über Crowdfunding und Spenden erzielt werden. Insgesamt braucht "Hong Kong Free Press" monatlich rund 17.000 Euro - und bisher geht die Rechnung auf.
    "Einmal habe ich auf unserer Webseite geschrieben, dass wir dieses Stativ und jene Kamera gebrauchen könnten. Und es kamen Leute hier ins Büro und brachten uns die Dinge vorbei", sagt Tom Grundy. Ein anderes Mal habe sogar jemand einen Lotto-Gewinnschein im Wert von umgerechnet 70 Euro vorbeigebracht.